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Zu viel gelabert: ARD-Talk in der Krise?

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Welchen Talker trifft es besonders hart? Gibt es auch Sendungen, die durch die Talkshow-Rochade profitieren konnten? Knapp einem Monat nach dem Start des neuen Sendeschemas der ARD ziehen wir ein erstes Fazit.

Es mag vielleicht erst die dritte Spielminute sein, aber dennoch ist möglicherweise zu erkennen, dass die neue ARD-Riege in diesem Duell Probleme bekommen wird. Das Bild eines Fußballspiels verwendete ARD-Chefredakteur Thomas Baumann in der vergangenen Woche in einem dpa-Interview, in dem sich auf die teils miesen Talkshow-Quoten angesprochen, recht gelassen gab. Niemand würde sich Sorgen machen, wenn es bei einem Spiel der deutschen Nationalmannschaft nach zwei Minuten noch 0:0 stehe. Aber sind wirklich erst zwei Minuten rum? Hatte der Gegner in diesen nicht schon zwei oder drei hochkarätige Torchancen?

Fakt ist: Es gibt Probleme – vielleicht sogar größere als erwartet. An vorderster Front wäre hier der Talk von Reinhold Beckmann zu nennen. Die Redaktion karrte jüngst die besten Gäste seit Langem ins Hamburger Loft-Studio; der Vater des Ex-Verteidigungsministers zu Guttenberg war ebenso da wie die Eltern der seit vier Jahren vermissten kleinen Maddie. Kurzum: «Beckmann» macht die besten Sendungen seit Langem, holt aber die mit Abstand schlechtesten Quoten. Ein Vergleich: In die TV-Saison 2010/2011 startete er auf bekanntem Sendeplatz montags um 22.45 Uhr mit 15,5, 15,0 und 10,1 Prozent Marktanteil – alles in allem also weit oberhalb des Senderschnitts.

Das sieht in dieser Saison schon ganz anders aus. Mit 10,2 Prozent lief seine erste Donnerstags-Sendung noch ganz gut; allerdings musste sich «Beckmann» an diesem Abend noch nicht dem ZDF-Talk von «Maybrit Illner» erwehren. Seitdem diese wieder im Zweiten talkt, sanken die «Beckmann»-Quoten auf nie zuvor dagewesene 7,6 und sogar 6,7 Prozent bei allen. In der vergangenen Woche stürzte die Reichweite erstmals auf weniger als eine Million Zuschauer.

Illner kam ab 22.15 Uhr im Zweiten derweil auf solide 11,9 und 10,6 Prozent bei allen – auch sie bekommt die größere Konkurrenz zu spüren. Ein Jahr eher startete ihre Staffel mit 15,1 Prozent, in Woche zwei kam der ZDF-Talk auf 12,6 Prozent. Der Talkshow-Overkill… ist er wirklich eingetreten?

Auch Sandra Maischberger, die dienstags zur gewohnten Zeit um 22.45 Uhr diskutiert, kann davon ein Lied singen. Sie wird die Quoten in diesen Tagen aber gerne betrachten. Mit nur acht Prozent wirklich richtig schwach gestartet, verbesserte sich «Menschen bei Maischberger» in Woche zwei auf 8,2 Prozent, landete vergangene Woche bei 10,7 und in dieser Woche gar bei 10,9 Prozent des Gesamtpublikums. Seit dem Start in die Saison gewann ihre Sendung fast 300.000 Zuschauer hinzu.

Dennoch – auch hier klare Abnutzungserscheinungen, wie ein Blick auf die Werte im Spätsommer 2010 verraten. Damals startete sie eine Woche eher, als große Teile der Republik noch urlaubten – die damals am 24. August 2010 gemessenen 10,4 Prozent darf man also vielleicht einklammern. Im direkten Vergleichszeitraum kam ihr abendlicher Talk auf 14,0, 14,9 und 14,4 Prozent Marktanteil. Um wieder auf diese Werte zu kommen, hat die Redaktion der Sendung noch ein gutes Stück vor sich.

Weder Fisch noch Fleisch liefert derzeit irgendwie «Anne Will». Auf einem Sendeplatz, an dem bisher im Ersten – wie auch bei Reinhold Beckmann – nicht getalkt wurde, wird man ihr sicherlich Anlaufzeit zugestehen. Ihre zweite Sendung zeigte, dass man durchaus gute Quoten einfahren kann. Am 7. September kam das 75-minütige Format auf 12,3 Prozent, vergangene Woche waren es wieder nur 9,9 Prozent. Mit durchschnittlich 10,2 Prozent bei allen liegt sie aber vor den Kollegen Maischberger und Beckmann – deshalb dürfte in ihrem Team durchaus Zufriedenheit herrschen.

Gleiches gilt für Frank Plasberg, der montags um 21.00 Uhr etwas sanftere und leichte Themen bespricht, dafür in der Presse aber auch schon gescholten wurde. Sein Talk liegt im Schnitt bei starken 10,8 Prozent – stark deshalb, weil die ARD zuvor montags auf diesem Slot selten auf mehr als acht Prozent kam. Die Vorjahrestaffel (mittwochs, 21.45 Uhr) holte noch 12,8 Prozent – wie auch «Menschen bei Maischberger» befindet sich Plasberg aber in stetigem Aufwärtstrend. Pro Woche machte seine Show bislang einen Sprung von etwa einem Prozentpunkt nach oben. Wann hier das Ende der Fahnenstange erreicht ist?

Es ist also durchaus nicht alles schlecht an den ARD-Talks – auch «Günther Jauch» macht seine Sache mit bisher zwei gezeigten Sendungen sehr gut. Im Schnitt ist er gar etwas erfolgreicher als der Start von «Anne Will» vor vier Jahren, wenngleich der Vergleich hier wegen dem großen medialen Interesse und dem unglaublich gefragten «Tatort» am Sonntag sicherlich hinkt. Ob die ARD dauerhaft mit ihrer neuen Talkschiene glücklich wird, ist nicht klar. Durchaus möglich, dass man irgendwann erkennt, dass man diese um einen Sendeplatz erleichtern muss. Denkt man in diese Richtung, sieht es aktuell sicherlich schlecht aus für Reinhold Beckmann. Und offenbar scheint sogar die Redaktion den Werten machtlos ausgeliefert, wenn schon tolle Sendungen und großartige Gäste zu immer neuen Quotentiefen führen. Daher ist nun die PR-Abteilung des Ersten gefordert; denn in dieser Richtung tut sich bislang noch erstaunlich wenig.

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