360 Grad

Harrys Odyssee

von
Letzten Montag kündigte Harald Schmidt an, zu Sat.1 zurückzukehren. Julian Miller blickt auf Schmidts Karriere der letzten Jahre zurück.

Harald Schmidts Werdegang der letzten Jahre gleicht einer Odyssee. Ihren Anfang nahm sie im Dezember 2003, nachdem Schmidt vermutlich aus Protest gegen die Entlassung des damaligen Sat.1-Geschäftsführers Martin Hoffmann, ein persönlicher Freund Schmidts, den Sender verließ und eine „Kreativpause“ ankündigte. Genau ein Jahr nach der Ausstrahlung der letzten Folge der Sat.1-Late-Night-Show feierte «Harald Schmidt» am 23. Dezember 2004 im Ersten seine Premiere. Doch dieser Schritt sollte nicht von Glück gekrönt sein. Die Sirenen hatten zugeschlagen. Denn die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten sind pedantisch und während man im Privatfernsehen über so manchen Schabernack mit zwei bis zum vorgetäuschten Koma zugedrückten Augen hinwegsieht, steht bei ähnlichen Vorkommnissen bei der ARD der Intendant im Büro. Schmidt war anderes gewohnt. Bei Sat.1 durfte er machen. In der ARD sollte er immer mehr gemacht werden. Und immer erbärmlichere Sendungen waren die Folge.

Schmidt schien, des Late-Night-Lebens überdrüssig geworden zu sein und plante wohl schon einen groß angelegten Rückzug aus dem TV-Geschäft. So brachte er auch Oliver Pocher ins Spiel, dem er laut verschiedener Quellen eine tägliche Late-Night-Sendung allein übertragen und in deren Rahmen er allenfalls noch als Urlaubsvertretung fungieren wollte. Pocher lehnte das Angebot ab. Es kam zu dem viel diskutierten Kompromiss, den man «Schmidt & Pocher» nannte. Und schnell sah die ARD, dass es schlecht war. Dabei war von Anfang an klar, dass Schmidts Publikum, das zumeist aus intellektuellen Feuilletonlesern besteht, und das Hartz-IV-Stammpublikum eines Oliver Pocher wohl nie und nimmer unterhaltungstechnisch einen gemeinsamen Nenner finden würden. Quod erat demonstrandum.

Im Herbst letzten Jahres betätigte das öffentlich-rechtliche Fernsehen erneut den Reset-Button. Weg mit Pocher, zurück zu wirklicher Late-Night. Ab jetzt durfte Schmidt wieder das machen, was er mag und was er kann: Die Medien auseinandernehmen, wahnsinnsträchtige Showeinlagen zum Besten geben und mit Claus Peymann philosophieren. Es bestand wieder Hoffnung, dass Schmidt zu seiner alten Größe zurückfinden würde. Und diese Hoffnung wurde zumindest teilweise erfüllt. Der negative Effekt dieser Ausrichtung auf die kleine, feine Premiumzielgruppe stellte sich schnell ein: Die Quoten sanken ins Bodenlose. Und nachdem man sich in der ARD auch noch entschlossen hatte, in Bälde nach den «Tagesthemen» eine feste Talk-Schiene einzurichten, stellte sich die Frage: Wohin mit Harald? Am liebsten hätte man ihm wohl zum miefigen und reichweitentechnisch ebenfalls erbärmlich laufenden «Satire-Gipfel» abgeschoben. Das wäre wohl das endgültige Aus intelligenten Schmidt-Humors im deutschen Fernsehen gewesen.

Nun aber „Back to the Roots“. Ab nächstem Jahr geht es für Schmidt wieder um die Quote und Entscheidungen über seine Show werden nun nicht mehr nach vollkommen undurchschaubaren ARD-Kriterien vorgenommen. Als Schmankerl gibt es noch einen regelmäßigen Sendeplatz, den ihm das Erste mit seiner wirren Programmfolge nie so wirklich gewährleisten konnte. Das angekündigte Konzept von Schmidts neuer Sat.1-Show klingt jedenfalls so, als hätte es die letzten sieben Jahre nie gegeben. Und das ist wohl die beste Lösung.

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