Glenns Gedanken

Das Lena-Phänomen

von
Lena Meyer-Landrut als Gegenbewegung zur Lady-Gaga-isierung der Gesellschaft.

Lena Meyer-Landrut. Der Name, den man früher eher einer Abgeordneten der Grünen zugeordnet hätte, dominiert in diesen Tagen Presse, Fernsehen und Internet wie kein anderer. Die 19-jährige Siegerin des «Unser Star für Oslo»-Wettbewerbs hat zunächst Deutschland verzaubert, und zog mit ihrem Sieg beim «Eurovision Song Contest» letztlich auch ganz Europa in ihren Bann. Mit sagenhaften 246 Punkten und einem uneinholbaren Abstand holte sie den Grand Prix zum zweiten Mal nach 28 Jahren nach Deutschland. Am Tag nach ihrem Sieg wurde sie in Hannover wie eine Prinzessin empfangen und von über 40.000 begeisterten Fans bejubelt. Sie durfte sich in das goldene Buch der Stadt Hannover eintragen, Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff gratulierte persönlich und ließ auch noch einen Gruß der Kanzlerin ausrichten. Die ganze Nation feiert Lena.

Doch was ist das Faszinierende an Lena Meyer-Landrut? Warum liebten die rund 125 Millionen Zuschauer des «Eurovision Song Contest» ausgerechnet sie und nicht eine der 24 anderen Kandidaten? Die Antwort lautet: Natürlichkeit. Während die anderen Kandidaten eine aufwendige Show nach der anderen auf die Beine stellten, und die Bühne mit zahlreichen halbnackten Backgroundtänzern, aberwitzigen Kostümen und spektakulären Pyro-Effekten bevölkerten, sang unsere Lena in ihrem bekannt schlichten schwarzen Kleid und bestach durch ihre unglaubliche Ausstrahlung, völlig ohne Show und Effekte. All das war nicht notwendig, denn ganz Europa nahm ihr den offensichtlichen Spaß und die Freude am Singen ab.

Lena könnte der Beginn eines neuen Zeitalters sein. Sie ist die Gallionsfigur der Gegenbewegung zur Lady-Gaga-isierung der Gesellschaft. Die Menschen sind scheinbar der ewig gleichen Fleischbeschau à la Rihanna, Britney Spears & Co. überdrüssig. Dank diverser TV-Formate wie «Germany's Next Topmodel» drehte sich in den letzten Jahren plötzlich alles nur noch um Schönheit und Styling. Unsere Popkultur hat sich immer weiter hin zu einer neuen Oberflächlichkeit entwickelt - dem «DSDS»-Proletariat sei Dank. Lena Meyer-Landrut markiert nun das gesteigerte Bedürfnis der Menschen nach Authentizität, Ehrlichkeit und Natürlichkeit. Darüberhinaus repräsentiert die Hannoveranerin die im deutschen Fernsehen so sträflich vernachlässigte bürgerliche Mittelschicht. Sie singt und hat trotzdem Abitur. Sie ist attraktiv und trägt trotzdem keine Hot Pants auf der Bühne. Sie ist der lebende Beweis dafür, dass die heutige Jugend eben nicht überwiegend aus halbkriminellen Bushido-Jüngern besteht. Glaubt man dem, was uns das Fernsehen tagtäglich in diversen sogenannten Reality-Doku-Formaten als Normalität verkaufen will, so besteht die Gesellschaft inzwischen zum Großteil aus kaputten Hartz 4-Familien. Lena stellt die lang ersehnte Antithese zu all den Menowins und Mädchen-Gangs unserer Republik dar. In einem Interview meinte sie, dass es viele Jugendliche gäbe, sie so seien wie sie, doch diese seien für das Fernsehen leider zu unspektakulär. Es bleibt zu hoffen, dass sich das nun mit der Lena-Mania allmählich ändert. Dann würde ich mich echt hart freuen.

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