Statistisch gesehen

Die Jugendformel der Vampire

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«Twilight» wurde zum Teeniehype. Sind auch die Zuschauer von ProSiebens Serie «The Vampire Diaries» so jung?

Statistisch gesehen ist der Durchschnittsdeutsche gut 42 Jahre alt. Für die Vampirbevölkerung kann man locker noch eine Null dranhängen, was sie als Zielgruppe für das Privatfernsehen aber äußerst unattraktiv macht.

Teenies stürmten in den vergangenen beiden Jahren in Strömen die Kinos, um schmalzige Romanzen mit glitzernden Wesen der Nacht zu erleben - der «Twilight»-Wahn hat um sich gegriffen. Dass das hauptsächlich potentiell kreischanfallsgefährdete weibliche Teenies waren, die für die hohen Einspielergebnisse von «Twilight» und «New Moon» sorgten, ist natürlich reine Spekulation, da man es aus den Einspielergebnissen nicht ablesen kann. Aber wer will es bestreiten?

Die Kombination aus Vampirgeschichte und Teeniedrama gibt es jetzt auch im Fernsehen zu bewundern. Im wohl ersten intelligenten Schachzug seit Jahren sicherte sich das kleine amerikanische Network The CW die Rechte an der ähnlich angelegten Romanreihe «The Vampire Diaries» und ließ eine darauf basierende Serie drehen. Der Plan ging auf, die Serie wurde zu einem großen Quotenerfolg für den Sender, der sonst hauptsächlich mit Glamoursoaps um reiche Teenies baden geht. Es kann derzeit halt einfach nicht genug Vampirromanzen geben. Seit einigen Wochen läuft die Serie auch recht erfolgreich in Deutschland auf ProSieben, das ähnlich schnell wie The CW auf den «Twilight»-Hype reagierte, sich die Rechte frühzeitig sicherte und schneller als üblich mit der Ausstrahlung begann, um das Zielpublikum abzugrasen, bevor es dem Hype entwächst. Ein Vorurteil. Wie jung sind die Zuschauer der Serie denn nun im Schnitt wirklich und wie alt ist der typische «Vampire Diaries»-Zuschauer?

Im TV haben wir einen großen Vorteil gegenüber dem Kino: Hier sind die Ergebnisse in zwei Zuschauergruppen direkt einsehbar. Am vergangenen Mittwoch etwa hatte «The Vampire Diaries» 1,96 Millionen Zuschauer ab drei Jahren und davon waren 1,68 Millionen zwischen 14 und 49 Jahre alt. Das hilft auf den ersten Blick noch nicht sonderlich weiter. Das Durchschnittsalter der Zielgruppe liegt bei etwa 33 Jahren, das von Zuschauern außerhalb der Zielgruppe setze ich mal vorsichtig mit 50 an. Mit 1,68 Millionen Zuschauern, die im Mittel 33 sind und 0,28 Millionen, die wir mit 50 ansetzen, ergibt sich ein mittleres Alter von 35 Jahren - das erscheint äußerst fragwürdig. Überhaupt würde man mit dieser Methode nie auf ein Durchschnittsalter unterhalb 33 kommen. Taugt also nichts.

Zum Glück gibt es bessere Methoden. Wenn man die Reichweite der Zielgruppe durch die Gesamtreichweite teilt, erhält man quasi das Verhältnis Jung/Alt unter den Zuschauern einer Sendung. Und wenn man dann noch ein paar Annahmen trifft, wie sich die Zuschauerzahlen auf die verschiedenen Altersklassen verteilen, kann man auch berechnen, welches Durchschnittsalter zu welchem Quotienten passt. Es ist zum Beispiel anzunehmen, dass eine Sendung eine bestimmte Altersgruppe anspricht und das Interesse abnimmt, je weiter das Alter eines Zuschauers davon abweicht. Außerdem ist bekannt, dass Deutschlands Alterspyramide längste keine Pyramide mehr ist und es gar nicht so viele potentielle junge Zuschauer gibt. Zudem nimmt der TV-Konsum mit steigendem Alter zu.



In der obigen Grafik kann man nun ablesen, was ein bestimmter Zuschauerquotient bedeutet. Quotient ausrechnen und dann am roten Streifen das typische Alter und am blauen das Durchschnittsalter ablesen. Für «The Vampire Diaries» habe ich das mal eingezeichnet. Es gibt einiges an Spielraum in den Annahmen, zum Beispiel darin, wie schnell das Interesse mit zunehmendem Alter abebbt, deshalb sind auch keine exakten Zuordnungen möglich.

«The Vampire Diaries» hatte am Mittwoch einen Zuschauerquotienten von 1,68 / 1,96 = 0,86. Der typische «Vampire Diaries»-Zuschauer oder vielmehr die typische Zuschauerin ist also 14 bis 16 Jahre jung oder - da lässt die Grafik zwei Interpretationen zu - Ende 30. Ich denke, ersteres ist schon ziemlich plausibel. Passt. Und das durchschnittliche Alter der «Diaries»-Zuschauer liegt demnach wohl zwischen 25 und 28.

Der künstlerische und in der Interpretation fies doppeldeutige Schlenker in den Kurven kommt übrigens daher, dass außerhalb der umworbenen Zielgruppe nicht nur ältere Zuschauer angesiedelt sind, sondern auch Vorteenager. Genau genommen sind die oft beschworenen jungen Zuschauer also gar nicht die wirklich jungen Zuschauer. Und ein hoher Marktanteil bei allen ab 3 muss nicht bedeuten, dass eine Sendung ein besonders altes Publikum hat, sondern kann genauso auf ein besonders junges hinweisen. RTL IIs Mangaserie «One Piece» hatte am selben Dienstag zum Beispiel 250.000 Zuschauer und 170.000 aus der Zielgruppe, das macht einen Quotienten von 0,68 und den typischen Zuschauer damit entweder 9-jährig oder 46-jährig. Welches richtig ist, die Interpretation überlasse ich jedem selbst.

Auch wenn Vampire zu alt sind, um ihnen Fast Food und Klingeltöne anzudrehen, ihre Fans sind es nicht. ProSieben wird's freuen.

Oft steckt mehr hinter den Zahlen des TV-Geschäfts als man auf den ersten Blick sieht. Oder weniger. Statistisch gesehen nimmt sie unter die Lupe

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