Die Kino-Kritiker

«New Moon»

von
Kreischende Mädchenscharen, Millionen verkaufter Tickets: «Twilight» geht in die nächste Runde. Wir sahen «New Moon».

Dreht man die Zeit um lediglich elf Monde in die entgegengesetzte Richtung, so manifestiert sich das Bildnis der Hysterie ein weiteres Mal in den feuerfarbenen Kontaktlinsen der Nation. Es hat den Anschein die Namen Robert Pattinson und Kristen Stewart beziehungsweise die von eben diesen verkörperten Rollen Edward und Bella befinden sich in aller Munde; weitgehend weibliche Sympathisanten suchen das Filmtheater ihres Vertrauens gar mehrfach auf – Eine Tatsache, die zuletzt hinsichtlich zu Beginn der «Harry Potter»-Saga oder des klassischen Werkes «Titanic» derart publik behandelt wurde. Die visuelle Interpretation Stephanie Meyers Erzählung der befangenen Liebe zweier so unterschiedlicher junger Wesen zog unversehens ein Publikum an Millionen in ihren Bann, sowie vor die große Leinwand, die sich labte am Vergnügnen, all die bekannten Komponenten wie beispielsweise das unbändige Fassungsvermögen von Herzschmerz oder den Waffenstillstand jeglicher Tierfreunde zu offenbaren.

Im selben, tiefen Atemzug etablierte sie die ursprünglich dirigierende Lektüre in weiterem Maße und machte oben ins Feld geführte Akteure innerhalb von nur wenigen schlaflosen Nächten zu gefeierten Berühmtheiten und Teenageridolen.

Indes hierzulande die Emotionen in den letzten Monaten mehr oder minder verebbten, begann das Herzklopfen in den Vereinigten Staaten erneut. Die Schriftzüge "Team Edward/Jacob" fanden sich auf den Shirts einer großen Anzahl von Mitgliedern der «Twilight»-Fangemeinde wieder und machten ebenso wie Teaser und Trailer deutlich, welche Thematiken «New Moon» zum Gegenstand haben würde: Die Teilung eines fragilen Herzens, wie auch unerschöpfliche Sequenzen von nackten männlichen Oberkörpern.

Wendet man sich nur für wenige Augenblicke ab von Symptomen wie der Sehnsucht, die sich im eigenen Körper zersetzen mag oder Fakten, wie es die grandiosen Einnahmen an der Kinokasse sind, sieht man sich als Freund des Medium Films gezwungen zu fragen, was exakt «New Moon» darbieten kann. Ja, als Nachfolger eines Kassenhits und Lieblings. Als Verfilmung eines populären Buches und als Sprungbrett für die neuen Sterne am Firmament Hollywoods. Doch gleichermaßen als eigenständiges, prinzipiell gewillt zu unterhaltendes, reguläres Stück Filmgeschichte.

Die intensive Leidenschaft der beiden Protagonisten Bella und Edward, die am Ende «Twilights» letztlich zueinander fanden, wirkt, als hätte sie keinen Teilbereich an Aktualität und Wahrheit verloren oder aufgegeben. Es ist Bellas achtzehnter Geburtstag und gemeinsam mit ihrem Liebhaber, dessen Famile und dem Geheimnis der Existenz von Vampiren in der Mitte der Stadt Forks, gedenkt sie eben diesen entsprechend zu ehren. Unterbrochen wird die zaghafte Zeremonie von Jasper, der es einfach nicht lassen kann und das Geburtstagskind anzugreifen versucht, was Edward glücklicherweise zu verhindern weiß. Die ihn durchfließende Furcht hingegen entfaltet sich in weniger heldenhaften Taten und lässt Bella schließlich vollkommen allein in dieser großen Stadt, die ihr keinen Halt zu geben vermag, zurück. Unermesslich verletzt begibt sie sich einerseits in immer größere Gefahren und indessen immer mehr in die Arme eines anderen jungen Mannes mit Namen Jacob Black.

Ohne Zweifel hat die Abwesenheit Edwards der Fortsetzung gut getan, denn ist dieser erst ein Mal in die Dunkelheit des wunderschönen Italiens eingetaucht, nimmt «New Moon» kräftig an Fahrt auf und entschädigt teilweise für die unergiebigen ersten zwanzig bis fünfundzwanzig Minuten. Als nicht existentes Paar, das sich erst noch vereinen muss und typische Storyelemente wie naive Schüchternheit oder den ersten Kuss hervorruft, haben Edward und Bella im ersten Teil herrlich harmoniert. Doch die spärlichen Schritte, die beide hier zu Anfang gehen, wirken erzwungen und unsicher, als fänden sie auf brüchigem Boden statt, der nur all zu schnell einzubrechen droht, was allerdings keinesfalls zu betrauern ist, immerhin war es tatsächlich nötig, sich gegenseitig alle dreißig Sekunden die unfassbar große Zuneigung zu gestehen, was wahrlich kaum zu ertragen ist.

Im positiven Sinne nicht tragbar ist die Verbindung zwischen Bella und Jacob (Taylor Lautner), die von Zeit zu Zeit die besten Momente Edwards in den Schatten stellt, parallel jedoch konstant über einen grausigen Beigeschmack verfügt, ist doch jedem Einzelnen bewusst, dass niemals eine Beziehung zwischen diesen Zweien entstehen wird. Für dieses Faktum muss kein Buch gelesen werden, Adrenalinjunkie Bella zeigt dem Zuschauer durch waghalsige Motorradtouren oder Sprünge in die finstere Ungewissheit wer ihr Herz in Händen hält. Dennoch ist Taylor Lautner ein umfassender Hauptgewinn für den Film, liefert er doch die humorvollsten, spannensten und letztlich schönsten Szenen.

Was den Sachverhalt des genrespezifischen Vampirfilmes betrifft wartet auch «New Moon» mit keinen großartigen Überraschungen auf. Edward und Konsorten glitzern weiterhin hübsch in gleißendem Licht, während die Volturi eingeführt werden, ein Bund von überaus mächtigen Blutsaugern, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, die Menschheit vor dem Schrecken des Vampirismus zu bewahren, um sich selbst zu schützen. Hintergründe oder die Beleuchtung detailreicherer Vorgänge darf man allerdings nicht erwarten, da der Orden schlicht ein Mittel zum Zweck für den Charakter Edward darstellt. Zugegeben, eben dieser Part der Geschichte scheint anfangs noch völlig sinnfrei zu sein, sollte es doch leichtere Wege geben, den Tod zu provozieren, indem man Grenzen überschreitet, ohne für eben dies nach Italien auszuwandern. Ein rationaler Verweis auf den Stamm der Werwölfe, die in «New Moon» ihren spektakulären Auftritt genießen und ihn fraglos geschickt nutzen. Optisch betrachtet gab es mutmaßend bereits attraktivere Kreaturen, doch in ruhigen Momenten schöpfen die Animationen ihr Potential aus und wissen zu überzeugen, auch wenn man sich im Kampf derer gänzlich verliert und es zuweilen etwas lachhaft wirkt.

Ein anderer Aspekt des Filmes ist ausnahmslos sehr gut: Der Soundtrack und Score. Stets am richtigen, wünschenswerten Ort einsetzend geleiten die Stücke, von Death Cab For Cutie und Muse bis hin zu The Killers, durch eine Menge Sequenzen und werten diese schlagartig auf. Speziell erwähnt sei hier die Verfolgungsjagd Victorias durch Jacob und sein Rudel, unterlegt mit Thom Yorkes Hearing Damage. Der Verantwortliche für die musikalische Untermalung ist jedoch nicht mehr derselbe. Alexandre Desplat, der unter anderem den Score von «Der Seltsame Fall Des Benjamin Button» kreierte, ersetzte Carter Burwell, der bisher so ziemlich jedes Werk der Gebrüder Coen vertont hat.

Was also lässt sich sagen über «New Moon» und dessen Gestaltung? Impliziert der reibungslose Wechsel des Regiestuhls eine reine Auftragsarbeit, die auf die Investition von Herzblut verzichtet hat? Hat «New Moon» in Anbetracht des Vorgängers an Charme verloren?

Kaum aus den Startlöchern entkommen, ruft der Nachfolger des beliebten «Twilights» betäubende Stimmen hervor, die unheimlich viele differenzierte Ansichten vertreten.

Team Edward wird gewiß den ersten Teil bevorzugen, während Fans des Wolfjungen Jacob völlig auf ihre Kosten kommen und die Absenz des Schmollmundes Pattonsons begrüßen.

Was den Jünger der ewigen Liebesgeschichte betrifft, so erwartet ihn keineswegs Neues. Bella wurde zwar stark verletzt, verdrängt dies im Angesichts Edwards jedoch auf der Stelle und Jake selbst sieht die Chance auf das favorisierte Mädchen einzig fern hinter schwarzen Vorhängen schimmern. «New Moon» ist weder in hohem Maße besser noch schlechter als sein Vorgänger. Er bietet unveränderte Charaktere in zum Teil ungewohnten Situationen. Mochte man den «Biss zum Morgengrauen», so wird man auch an «New Moon» seine Freude haben. Gehört man zu den Menschen, die den Hype nie völlig verstanden, wird es ein respektabler Film bleiben, der jedoch nicht als ein solcher in der Erinnerung verweilt, sondern kontinuierlich als die Reflektion in den wachsamen Augen treuer Mehrfachseher erscheinen wird.

«New Moon» läuft seit dieser Woche in etlichen Kinos der Bundesrepublik.

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