Die Kritiker

«R.I.S.»

von
Immer bessere Instrumente und Methoden stehen der Polizei zur Aufklärung von Verbrechen zur Verfügung. Das hat die Strafverfolgung verändert. Spurensicherung und Rechtsmedizin sind deutlich wichtiger geworden. Die Aufklärung an sich gleicht einer Wissenschaft. Aus diesem Grund wurde in Berlin die Rechtsmedizinische Investigative Sonderkommission (kurz «R.I.S.») gegründet.

Story:
Eine Explosion erschüttert das Labor - Philip kann Marie Severin gerade noch von dem Handy wegreißen, in dem die Bombe steckte. Schon auf dem Weg ins Labor hatten Philip und Paul vergeblich versucht, Marie zu erreichen, um sie vor der Untersuchung des Handys zu warnen.

Der Rest der Folge spielt drei Monate zuvor: Friedhelm von Seelow wird tot in seinem Pool gefunden. Ein Selbstmord? Dazu passt, dass von Seelows Unternehmen Konkurs angemeldet und seine Frau die Scheidung eingereicht hat. Zudem war er Alkoholiker und medikamentenabhängig. Verletzungen an den Fersen deuten jedoch darauf hin, dass von Seelow zum Pool geschleift wurde und er sich nicht etwa selbst ins Wasser gestürzt hat. Unter Verdacht geraten zunächst von Seelows Frau Ariane und deren Liebhaber, Seelows Geschäftspartner.

In einem zweiten Fall müssen Paul und Marie den Brand in einem Nachtclub untersuchen. Alle Gäste kamen mit dem Schrecken davon, nur ein im Rollstuhl sitzendes Mädchen nicht. Sie liegt mit einer schweren Rauchvergiftung im Krankenhaus.

Darsteller:
Julian Weigend («Schimanski») ist Philip Jacobi
Tillbert Strahl-Schäfer («Verrückt nach Clara») ist Timo Braun
Hansa Czypionka («Happy Birthday, Türke») ist Paul Schneider
Jana Kluge («Berliner Reigen») ist Marie Severin
Proschat Madani («Lügen und andere Leckereien») ist Judith Karimi
Denis Petkovic («Mord auf Rezept») ist Benno Wilms
Catherine Bode («Auszeit») ist Katja Fried
Nicole Marischka («Die Braut von der Tankstelle») ist Dr. Stefanie Peters
Jytte-Merle Böhrnsen («Knospen wollen explodieren») ist Franka Schneider

Kritik:
Schon bei der Ansicht der Pilotepisode wird klar: Mit «R.I.S.» will es Sat.1 wissen. Wo steht die deutsche Serie wirklich? Das Thema rund um die Quotenkrise solcher Formate wurde ja schon des Öfteren thematisiert, nur so viel dazu: Sollte «R.I.S.» kein Quotenerfolg von der jungen Zielgruppe werden, wird dies so schnell auch keiner anderen deutschen Serie gelingen.

Das Format ist äußerst hochwertig produziert, Joachim Kosack, der künftige Sat.1-Serienchef und Produzent der Serie, hat größten Wert auf eine nahezu perfekte Farbsetzung gelegt. Vorherrschend sind die Farben gelb, rot und blau, die wieder und wieder in dem Format auftauchen. Stechend rote Kostüme fallen sofort ins Auge – sie geben der wissenschaftlich angehauchten Produktion etwas Lebendiges und Emotionales. Besonders viel wird auch mit der Farbe blau gearbeitet. Das Licht im Labor schimmert in einem Cyan-ähnlichen Farbton, Marineblau kam bei den Mikroskopen zum Einsatz. Genau dieses unheimlich gut gelungene Spiel mit den Grundfarben verleiht der Serie einen eigenen Charme.

Gelernt hat man wohl auch von «CSI» - vor allem vom Ableger aus New York. Zu düster sei sie gewesen, lautete die Kritik an der ersten Staffel. Aus diesem Grund zog Mac Taylor mit seinem Team in ein Licht durchflutetes Gebäude. Auch die «R.I.S.»-Macher haben darauf geachtet, dass das Labor keinem Keller gleicht. Es ist zwar nicht wirklich von Licht durchflutet, sondern gleicht eher dem neuen zu Hause der Spurenermittler aus Miami. Heißt: Viel Glas, viele Computer und ein großer Raum.

Bei der Entwicklung der Charaktere hat sich Sat.1 viel Mühe gegeben. Fast jeder bringt so ein kleines Geheimnis mit in das Format. Allem voran steht hier Chef Philip Jacobi. Bereits im Piloten wird klar, dass er etwas sehr Belastendes mit sich herumträgt. Irgendetwas hat dazu geführt, dass er die Leichtigkeit des Lebens verloren hat. Jacobi lacht nur selten. In den späteren Folgen wird herauskommen, dass die mysteriösen Umstände, unter denen seine Frau ums Leben kam, an ihm nagen. Sie war bei einem Einsatz in Ägypten – auf ihrem Rückflug nach Deutschland explodierte jedoch eine Bombe.

Neben Jacobi spielen noch sieben weitere Wissenschaftler in der Serie mit, Franka Schneider bringt als Tochter des Molekulargenetikers Paul Schneider den familiären Aspekt in die Serie ein. Auch die beiden haben eine schwere Vergangenheit: Pauls Tochter wurde bei einem Unfall angefahren – seitdem sitzt sie im Rollstuhl. Das hat auch Pauls Leben verändert, denn vorher hätte er sich nie vorstellen können, bei der Polizei zu arbeiten, gehörte er doch zu den radikalen Linken.

Des Weiteren im Team: Frauenheld Timo Braun und die „Neue“, Marie Severin. Sowohl Timo als auch Polizist Benno flirten mit ihr – sie lässt jedoch niemanden wirklich an sich heran. Einzig Philip kann zu ihr durchdringen. Was niemand weiß: Auch Marie hat ein trauriges Geheimnis. Das Team vervollständigen die Pathologin Dr. Stefanie Peters und die von allen stets unterschätzte Katja Fried.

Wer sich die Charaktereigenschaften und Geschichten der einzelnen Figuren genauer ansieht (hier aus Spoiler-Gründen weggelassen), wird feststellen, dass jede einzelne Figur eine Menge Brisanz mit sich bringt. Gerade die privaten Geschichten machen das Format, welches sonst den «CSI»-Serien durchaus ähnelt, besonders stark. Hier steht «R.I.S.» den großen Vorbildern wirklich in nichts nach.

Auch wenn das Team nicht auf wirklich großen Stars besteht, liefern alle Hauptdarsteller eine tolle Leistung ab. Allen vor allem Julian Weigend – für den das Format mit Sicherheit eine große Herausforderung war – spielt die Rolle des Teamchefs hervorragend. Dass seine Figur sehr unnahbar und zurückhaltend wirkt, ist beabsichtigt, aber in der Pilotepisode vielleicht nicht zwingend förderlich. Zu Beginn wird sich der Zuschauer ohnehin schwer tun, sämtliche Charaktere kennen zu lernen. Zu viele neue Gesichter prasseln auf ihn ein. Am prägnantesten stechen hier (neben dem Chef) die Chemikerin Judith Karimi und eben die „Neue“, Marie Severin, heraus.

Im Gegensatz zu «Post Mortem» haben die Macher auf Effekte bei der Kameraarbeit verzichtet. Die Schnitte erfolgen nicht so schnell wie in der RTL-Serie und auch die Kameraführung strahlt eine behagliche Ruhe aus. Hin und wieder verwendet man allerdings die aus «24» bekannten Split-Screens, die an den gewählten Stellen auch in der Tat passend sind. Ebenso wie die Kameraauswahl ist auch die musikalische Untermalung gelungen, vor allem in actionreichen Szenen (zum Beispiel gleich zu Beginn) begleiten die Klänge das sichtbare Geschehen sehr gut.

Der Aufbau der Folgen unterscheidet sich jedoch in einem wesentlichen Punkt von den Bruckheimer-Serien. Pro Episode werden zwar in der Regel zwei Fälle gelöst, ein dritter wird jedoch angeschnitten. Dieser endet dann in einem Cliffhanger und zieht sich wie ein roter Faden durch die kommenden Folgen (im Pilotfilm: Der Bombenleger). Auch diese Variante kann als große Stärke der Serie bezeichnet werden.

Und schon sind wir ganz dicht bei der wohl einzigen Schwäche von «R.I.S.» angekommen. Der Hauptfall der ersten Episode ist spannungstechnisch nicht gerade der Stärkste – viel mehr ist es eine Untersuchung, wie sie in «CSI» und Co. sind etliche Male vorgekommen ist. Natürlich kann Sat.1 jetzt die Welt der Gerichtsmediziner und Spurensicherer nicht neu erfinden, dennoch muss man sich diesem Problem stellen und solche Formate so vor einer Abnutzung schützen. Ganz anders sieht es beim „kleineren“ zweiten Fall auf, der so in dieser Form wohl wirklich noch nicht behandelt wurde. Schade, dass dieser im Vergleich deutlich den Kürzeren gezogen hat.

Positiv zu erwähnen ist in jedem Fall, dass es sich bei «R.I.S.» nicht um eine reine Studioproduktion handelt, sondern man stets bemüht war das moderne Berlin in die Falle mit einzubeziehen. Waren die Außendrehs bei «Post Mortem» doch eher eine Seltenheit, spielen sie bei «R.I.S.» eine große Rolle. Kennt man alle Hintergründe, so dürfte klar sein, dass die Serie durchaus eine Chance hat, sich wirklich von den anderen Formaten des Genres abzusetzen.

Gerade, weil die Macher aus Italien auf extrem starke Nebenstränge, gesetzt haben, könnte sich «R.I.S.» zum Renner am Sonntagabend entwicklen. Quoten wie in Frankreich und Italien, wo teilweise bis zu 49 Prozent Marktanteil erzielt wurden, sind hierzulande aber wohl ausgeschlossen. Dennoch: Sat.1 wäre sicherlich mit 13 oder 14 Prozent zufrieden. Angesichts der Qualität der Serie ist dies eine lösbare Aufgabe.

Sat.1 zeigt zwölf Episoden von «R.I.S.» ab dem 25. März 2007, jeweils sonntags um 21.15 Uhr.

Kurz-URL: qmde.de/19354
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