Interview

Kirsten Laser: ‚Es hat Spaß gemacht, sich mit Lisa in Gefahr zu begeben‘

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Die Regisseurin spricht über moralische Grauzonen, die zerstörerische Kraft familiärer Loyalität, starke Gegenspieler – und darüber, warum dieser Film innerhalb des «Sarah Kohr»-Kosmos eine außergewöhnlich emotionale Zuspitzung wagt.

Frau Laser, „Großer Bruder“ von der Reihe «Sarah Kohr» greift mit Zeugenschutz, familiärer Loyalität und organisierter Kriminalität gleich mehrere starke Motive auf. Was hat Sie an diesem Stoff sofort gereizt?
Genau diese drei Faktoren. Es ist ein Drama im Krimi, der noch viel mehr Thriller ist. Die Dinge werden kompliziert, wenn Familie im Spiel ist und alles miteinander zusammenhängt. Es war interessant, lange dramatische Dialog-Szenen zu drehen und dann wieder Kampfszenen, Schießerei und Autocrash.

Im Zentrum steht das ambivalente Verhältnis zweier Brüder zwischen Schuld, Liebe und Angst. Wie haben Sie diese emotionale Spannung inszenatorisch zugespitzt?
Steve Windolf und Jakob Diehl haben alles gezeigt, was man sich wünschen kann. Insofern haben beide ganz viel mitgebracht und sind tief in ihre Szenen eingetaucht. Sie waren gefordert und brauchten Platz und Zeit, das ist uns gelungen. Steve und Jakob sind wahnsinnig unterschiedliche Männer, das war mir bei der Besetzung schon sehr wichtig. Beim Drehen bespricht man dann immer wieder, in welcher Gefühlslage sie sich in der Geschichte grade befinden, der Rest kommt von ganz alleine. Man konnte sehen, dass es ihnen Spaß macht, ihr Kräftemessen zum Teil nur über ihre Blicke spielen zu lassen, das ist ganz toll aufgegangen.

Der Film stellt immer wieder die Frage nach Verantwortung: Wann endet Loyalität, wann beginnt Selbstschutz? Wie wichtig war Ihnen diese moralische Grauzone?
Es ist der Kernpunkt dieser Geschichte, bei welcher Figur zu welchem Zeitpunkt trotz Familienbande oder anderer Verbindung, der Reflex des Selbstschutzes einsetzt. Das ist unglaublich interessant und leitet in dieser Geschichte immer wieder neue Wendepunkte ein.

Sarah Kohr gerät diesmal selbst in höchste Gefahr und wird zur Geisel. Welche neuen Facetten wollten Sie der Figur in dieser Extremsituation entlocken?
Sarah Kohr kommt jedes Mal in existenzielle Gefahr, das ist das Prinzip dieser Reihe. Sie ist aber nicht nur schlauer als die anderen, sondern unerschrocken und todesmutig. Sogar mit Pistole an der Stirn, zuckt sie nicht einmal.

Mit Lisa Maria Potthoff arbeiten Sie an einer Figur, die körperlich wie psychisch sehr präsent ist. Wie gestaltete sich Ihre Zusammenarbeit am Set?
Es hat Spaß gemacht, sich mit Lisa in Gefahr zu begeben. Die Kampfszenen wurden mit ihr im Vorfeld durchchoreografiert und geprobt und alles andere haben wir in gutem Austausch zusammen erarbeitet. Der Gegenspieler Nils Köppke ist kein klassischer Bösewicht, sondern ein zutiefst verunsicherter Mensch.

Wie haben Sie mit Steve Windolf an dieser inneren Zerrissenheit gearbeitet?
Steve hatte die ganze Zeit das vollkommen richtige Gefühl zu seiner Figur. Wir haben ausgiebig geprobt und uns herangetastet. Seine Figur glaubt lange, dass er sein Ding durchziehen kann und alles gut wird, bis er schließlich die Wahrheit begreifen muss. Auch die Kamera kommt ihm immer näher.

Auch Sven Köppke, gespielt von Jakob Diehl, ist mehr als ein eindimensionaler Antagonist. Wie wichtig war Ihnen, dass selbst die Täterfiguren nachvollziehbar bleiben?
Wir wissen ja lange nicht, wie wir seine Figur einschätzen sollen. Ist er zu bemitleiden, weil er sterbenskrank ist oder hat er am Ende doch die Zügel in der Hand? Es ist wichtig, dass man erstmal mit der Täterfigur mitfühlen kann, bis es dann zu entscheidenden Wendungen kommt. Jakob Diehl hat das beeindruckend gespielt.

Der Film verbindet Thriller-Elemente mit sehr intimen Momenten. Wie haben Sie Rhythmus und Spannungsaufbau zwischen Action und emotionaler Nähe austariert?
Während des Drehs verlässt man sich auf sein Gefühl für den richtigen Rhythmus des Films. Nach dem Dreh entsteht im Schneideraum das Austarieren. Entscheidend für den Rhythmus im wahrsten Sinne, ist natürlich auch die Musik im Film.

Sie haben viel Erfahrung mit Reihen wie «In Wahrheit», «SOKO» und «Notruf Hafenkante». Was unterscheidet die Regiearbeit bei «Sarah Kohr» von anderen Krimiformaten?
Der Action-Anteil ist bei «Sarah Kohr» viel höher als bei anderen Krimiformaten und Action ist in aller Regel deutlich aufwendiger zu drehen. Man muss aber auch den reinen Dialogszenen genauso gerecht werden, also bedarf es einer sehr genauen Vorbereitung und Planung.

Wenn Sie auf „Großer Bruder“ zurückblicken: Welche Szene steht für Sie exemplarisch für das, was diesen Film im «Sarah Kohr»-Kosmos besonders macht?

Dieser «Sarah Kohr»-Thriller ist ungewöhnlicherweise auch ein Drama im Thriller. Die Bruder-Szene ist ein minutenlanges Gespräch, von zwei grundverschiedenen Männern, die nichts mehr füreinander übrig haben und sie verbindet keine gute, gelebte Beziehung, aber einer von ihnen ist todkrank. Das sind ungewöhnliche Szenen für diese Reihe.

Vielen Dank für Ihre Zeit!

Der neue Film „Großer Bruder“ ist am Montag, den 29. Dezember, im ZDF zu sehen. Bereits seit 20. Dezember kann der Film gestreamt werden.

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