Interview

Im Gespräch mit Rainer Matsutani: ‚Vor fünf Jahren hätte ich «Spides» niemals machen können‘

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Mit «Spides» startet am 05. März die erste deutsche Science-Fiction Serie, die für den Spartensender SYFY produziert wurde. Im Gespräch mit Quotenmeter berichtet Showrunner und Regisseur Rainer Matsutani über seine Schwierigkeiten, die Serie in Deutschland an den Mann zu bringen und über die produktive Zusammenarbeit mit NBC/Universal.

Herr Matsutani, Sie haben Ihre Karriere als Horrorfilmer mit zwei Kurzfilmen gestartet. Woher kommt Ihre Affinität zu phantastischen Stoffen?

Zur Person: Rainer Matsutani

1964 in Hockenheim geboren, schreib und inszenierte Matsutani unter anderem « 666 – Traue keinem, mit dem du schläfst!». Weitere Werke von ihm sind: «Das Papst-Attentat», «Der Vollgas-Mann» oder auch zahlreiche Folgen der ZDF-Serie «Dr. Klein».
Ich habe meine Kindheit teilweise in Japan verbracht und habe dadurch eine andere Form der Sozialisation erlebt. Als fünf- oder sechs-Jähriger sah ich Serien wie «Ultraman» oder «Ultraseven», in denen außerirdische Monster die Erde angreifen und von einem Helden im Superheldenkostüm abgewehrt werden. Darüber hinaus gab es unzählige Animes. Das war eine ganz andere Welt als die, die ich etwas später nach meiner Rückkehr in Deutschland erlebt habe. Hierzulande bestand das Kinderprogramm aus Serien wie «Rappelkiste» oder «Das feuerrote Spielmobil». Das war pädagogisches Fernsehen. Es ging nicht um gute Unterhaltung mit tollen Helden und Abenteuern, sondern darum, wie man aus einem Kleinkind einen guten Menschen macht. Das hat mich so sehr gelangweilt, dass in mir später der Wunsch entstanden ist, mir diesen bunten, aufregenden Teil meiner Kindheit zurückzuerobern. Deshalb bin ich Regisseur geworden.

Sie haben als Kind den 1956 entstandenen Science-Fiction-Klassiker «Die Dämonischen» gesehen, den Sie als Inspirationsquelle für «Spides» nennen. Warum hat sie gerade dieser Film so sehr beeinflusst?
Ich erinnere mich noch gut daran. Meine Eltern waren auf einem Elternabend. Ich schlich mich vor den Fernseher und da lief «Invasion of the Bodysnatchers». Ich war total begeistert, das war das Beste, was ich je gesehen hatte. Der Film war ein ganz wichtiger Einfluss für mich und ich habe mit Spannung die Remakes verfolgt, die über die Jahre gedreht wurden. Ich fand diese heimliche, gefährliche Unterwanderung immer ein ergiebiges Thema, weil man viel hineininterpretieren kann. Bereits der Originalfilm war eine Parabel auf die Angst vor dem Kommunismus und der "roten Bedrohung". Nun ist «Spides» natürlich kein Remake, aber ich fand, es wäre an der Zeit, den Gedanken der heimlichen Unterwanderung wieder aufzunehmen.

Sie sehen also eine Analogie zur heutigen Zeit im Invasionsthema?
Ganz klar, ja. Heute haben wir natürlich gegen andere, multikausale Kräfte zu kämpfen, wovon die Angst vor dem kommunistischen Riesen China nur ein Thema ist. Durch die Globalisierung, Klimakrise und Digitalisierung scheint die Welt, wie sie einmal war, aus den Fugen zu geraten und ich glaube, unsere Serie stößt mit ihrer Prämisse direkt in dieses unsichere Lebensgefühl der heutigen Zeit.

Man kann in der Serienlandschaft durchaus von einem neuen deutschen Selbstbewusstsein sprechen. Bei den öffentlich-rechtlichen Sendern, die international erfolgreiche Serien wie «Babylon Berlin» oder «Das Boot» mitproduzieren, scheint sich aber niemand wirklich an phantastische Stoffe zu wagen. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?
Das hat verschiedene Ursachen. Die deutsche Filmbranche hat in Bezug auf Genrefilme schon immer ein wenig gefremdelt. Das hat meiner Meinung nach sowohl kulturgeschichtliche, als auch mentalitätsbedingte Gründe. Wir unterscheiden in der Kunst immer noch zwischen dem "E" für ernst und dem berüchtigten "U" für Unterhaltung, wobei Unterhaltung oft als Schund abgetan wird. Das trifft vor allem auf die Genres Science-Fiction, Horror, Mystery und Fantasy zu. Wenn man sich die Liste der 100 erfolgreichsten Filme aber näher anschaut, stellt man fest, dass 95% dieser Filme in der Art von «Avatar», «Herr der Ringe» oder «Harry Potter» sind. Nur in Deutschland weicht man diesen erfolgreichen Genres noch immer viel zu gerne aus.

Immer mehr Filmschüler drehen Horror- und Science-Fiction-Filme und machen unter anderem über soziale Netzwerke auf sich aufmerksam.
Rainer Matsutani über das Zutrauen, ungewöhnliche Stoffe zu entwickeln
Das war ja nicht immer so. In den 70er Jahren gab es einen Rainer Erler, der mit grandiosen Filmen wie «Operation Ganymed» oder «Fleisch» die deutsche Fernsehwelt kräftig aufrüttelte. Warum hat es also so lange gedauert, bis deutsche Filmemacher sich wieder getraut haben, entsprechende Drehbücher anzubieten?
Rainer Erler war ein Einzelkämpfer und ich fühle mich oft genug sehr ähnlich. Es ist schwer, aber ich bin der Meinung, dass sich die Situation gerade ändert. Die jüngere Generation hat da überhaupt keine Berührungsängste mehr. Immer mehr Filmschüler drehen Horror- und Science-Fiction-Filme und machen unter anderem über soziale Netzwerke auf sich aufmerksam.

Wo sehen Sie persönlich die Vorteile in Bezug auf Streamingdienste, oder Spartensender wie Syfy?
Die Medienlandschaft ändert sich gerade rasant und schafft natürlich auch neue Gelegenheiten für Filmemacher. Vor fünf Jahren hätte ich «Spides» niemals machen können. Auch eine deutsche Serie wie «Dark» wäre undenkbar gewesen. Die junge Zuschauergeneration liebt solche Serien. Bezahlsender wie Syfy haben das große Potential schon vor vielen Jahren erkannt und sind weltweit erfolgreich damit. «Spides» wird entsprechend auch in über 40 Ländern weltweit zu sehen sein und ich bin sehr dankbar für diese Chance.

Lesen Sie auf der nächsten Seite: Mehr über die Drehbuchentwicklung und: Wo liegen die großen Unterschiede bei der Arbeit an einer Serie wie «Spides» und Projekten wie etwa «Dr. Klein».

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