Die Kritiker

«Andere Eltern»: «Stromberg» in der Kita

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Mit Daniel Zillmann und Lavinia Wilson: Die TNT-Comedy-Eigenproduktion «Andere Eltern» zeigt, wie sich Menschen, die nicht zusammenpassen, gemeinsam eine alternative Kita zu gründen versuchen.

Hinter den Kulissen

  • Regie: Lutz Heineking jr.
  • Drehbuch: Sabine Steyer-Violet, Lutz Heineking jr., Sebastian Züger, Ron Markus
  • Kamera: Philipp Pfeiffer, Matthias Schellenberg
  • Szenenbild: Benjamin Wiese
  • Kostüm: Dominik Schmitt
  • Schnitt: Ole Heller, Julian Cohn
  • Musik: Kyrre Kvam
  • Redaktion: Anke Greifeneder
  • Produktionsfirma: eitelsonnenschein
Nach der herrlichen, schwarzhumorigen Serie «Arthurs Gesetz» mit Jan Josef Liefers, Martina Gedeck und Nora Tschirner lässt der Bezahlsender TNT Comedy nun seine zweite fiktionale Eigenproduktion folgen. «Andere Eltern» ist keine weitere Noir-Comedy, sondern eine Mockumentary, also eine fiktive Comedyserie, die im Gewand einer Doku- oder Reportagesendung gehalten ist. Spätestens seit «The Office» und der deutschen Antwort darauf, dem Kulterfolg «Stromberg», ist es ein sehr beliebtes Stilmittel – und eines, bei dem Gefahr der Übersättigung besteht, weil einige Mockumentary-Serien sich über weite Strecken auf zahlreiche Abwandlungen eines Gags verlassen: Wir sehen eine "dokumentarisch" festgehaltene Situation, und in einem dazwischen oder danach geschnittenen Interviewpart wird die Verlogenheit, mangelnde Selbsteinschätzung oder Doppelmoral der handelnden Figur enthüllt.

Selbstredend greift auch «Andere Eltern» auf diesen komödiantischen Kniff zurück – er ist, wenn man sich dem Mockumentary-Stil nähert, schlicht ein zu verführerischer und verlässlicher Pointenlieferant. Glücklicherweise dosiert das Autorenteam unter Chefautorin Sabine Steyer-Violet, bestehend aus Serienschöpfer Lutz Heineking jr., Sebastian Züger und Ron Markus, diese Gags vorsichtig und zielgenau. Die Komik in «Andere Eltern» entsteht zu weiten Zügen aus dem Zusammen- und Gegenspiel der eklektischen, karikiert überspitzten Figurengruppe, die sich zusammengefunden hat, um eine neue, alternative Kindertagesstätte aus der Taufe zu heben – begleitet von einem Kamerateam, angeführt von der regieführenden Mutter der selbsternannten Kita-Chefin (in spe).

Kita-Chefin Nina ist zweifache Mutter, im siebten Monat schwanger und war einst erfolgreiche Kreativchefin einer Werbeagentur. Nun kompensiert sie ihre durchs Muttersein verlorene berufliche Karriere durch vehemente Versuche, sich als Yoga-Trainerin durchzusetzen. Und wenn sie anderen Menschen Yoga-Kurse aufzwängen muss, indem sie sie als Angebot ihrer neuen Kita verkauft. «Schoßgebete»-Star Lavinia Wilson spielt Nina mit verbissener Energie und zählt zu den Highlights der Serie. Ihr Serien-Gatte Jannos (gespielt von Jasin Challah) ist weiterhin in der Werbung tätig und ein relativer Schluffi, der nur daher durchkommt, weil er halt "der Mann" ist. Manchmal hat er jedoch auch seine hellen Momente – etwa, wenn es darum geht, die Bedeutung von Impfungen anzuerkennen. Nadja Becker aus der «Wanderhure»-Trilogie wiederum gibt mit viel Verve eine freundliche, zurückhaltende Grundschullehrerin, die endlich ein Kind haben will und jeglichen Frust, vor allem über ihren intoleranten und besserwisserischen Mann (spielt den doppelzüngigen Kerl mit spitzer Ironie: Sebastian Schwarz), in sich hineinfrisst.

Henny Reents («Banklady») spielt derweil die verrauchte, nicht zurückstecken wollende Plattenproduzentin Nike, die noch keinen Kita-Platz für ihre Tochter hat, weshalb sie und ihr ihr unter die Arme greifende, schwuler Bruder Malte (hervorragend: Daniel Zillmann) sich einfach in Ninas Kita-Projekt einklinken. Yaa (Rebecca Lina) derweil ist eine Händlerin für Tortenbedarf und neidisch auf ihren Partner Björn (Serkan Kaya), den sie für einen Superpapa hält, obwohl der ein echter Kontrollfreak ist und kurz vorm Nervenzusammenbruch steht …

Eines haben sie alle jedoch gemeinsam: Sie sind sich darin einig, was das schlimmste ist, das einem beim Kinderhaben und Kindergroßziehen unterkommt. Es sind, ganz schlicht und drastisch, andere Eltern. Die verhalten sich komisch, gehen einem auf den Keks und haben das bedrohliche Potential, die eigenen, selbstredend vollauf perfekten Kinder zu verkorksen. Die Serie schlägt sich dahingehend auf die Seite von niemandem, respektive auf die Seite aller: Eltern (und Menschen, die drigend Eltern werden wollen) sind in der Welt dieser Serie einfach alle völlig gaga, überreizt und voller versteckter Aggressionen. Die normalste Figur ist der Schauspieler Malte – und der hat öfters den Kopf in den Wolken und kommt daher auf solche absurden Vorschläge wie das Unterrichten von Film- und Serien-Fantasiesprachen in der Kita. Alle Anderen befinden sich auf unentwegtem Kollisionskurs mit ihrem Umfeld und üben sich an einer passiv-aggressiven Ego-Selbstbeweihräucherung.

Dennoch ist «Andere Eltern» keine gehässige Serie: Das Grundkomzept, dass sich das Dokuteam mit der Tochter ihrer Chefin auf ein Paradebeispiel für Helikoptereltern einschießt, das prompt ähnlich geartete Elternexemplare (mit völlig anderen Weltanschauungen und Pädagogikvorstellungen) um sich scharrt, entschuldigt bereits ganz organisch die übertriebenen Charakterzeichnungen. Darüber hinaus ist die Tonalität, dank des lockeren Schnitts und der allen Kabbeleien unter den Figuren zum Trotz so freundlichen Spielweise des Ensembles, eher augenzwinkernd-überspitzt statt beißend-satirisch: Die Figuren zanken sich zwar, dennoch wollen sie alle mit Einsatz gemeinsam an einem Strang ziehen, und eine neue, tolle Kita eröffnen – und dieser Vibe überträgt sich auf die Serie. Sie schüttelt grinsend über Elterneigenheiten den Kopf, statt resigniert unserer Gesellschaft die Zukunft abzusprechen, weil die nächste Kindergeneration von Irren großgezogen wird.

Eine Handvoll gezieltere Spitzen lässt sich «Andere Eltern» dennoch nicht nehmen: Der Großteil der Elterngruppe sieht überall potentielle faschistische Tendenzen, außer in dem seine Toleranz unentwegt betonendem Typen, der mit Reichsadlern spielt und sich freut, "Minderheiten" die Chance zu geben, mal mit "normalen Menschen" zusammenzuarbeiten oder eine uniformierte, gehorsame Kindergruppe aufwachsen zu sehen. Und das Lieblingsziel der Serie sind Ninas ständige Illusionen, anders und offen und freiweltlich zu sein, obwohl sie ein spießig-kleinbürgerliches Gehabe an den Tag legt, während ihre Mutter noch "echte Happenings" feierte, bei denen massig neue Kinder gezeugt wurden.

Mit knackigen rund 30 Minuten Laufzeit pro Folge und hoher Gagrate ist «Andere Eltern» ein weiterer Beweis, dass Deutschland sehr wohl Comedy kann. Einschaltempfehlung!

«Andere Eltern» ist ab dem 19. März 2019 immer dienstags ab 20.15 Uhr auf TNT Comedy zu sehen.

Kurz-URL: qmde.de/107990
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