Mit einer Mischung aus lapidarer Party-Doku und Help-Format versuchte RTL am MIttwoch das Sommerloch zu stopfen. Mit Niveau hat das Ganze in etwa soviel zu tun wie der Ballermann mit Erholungsurlaub. Geplant war vorerst ohnehin nur eine Folge.
Dass man es in Köln offenbar mit äußerst kreativen Köpfen zu tun hat, bewiesen in jüngster Vergangenheit ja schon so einige Help-Formate, bei denen sich dem Betrachter der Sinn und Zweck selbiger nicht unbedingt auf den ersten Blick erschloss. Doch ab sofort hat RTL in dieser Hinsicht ein neues „Highlight“ im Programm. Die Idee: eigentlich totbrave Teenager machen ihren ersten richtigen Partyurlaub ohne Eltern, nur mit Freunden. Das scheinbare Vertrauen der Eltern in ihren Sprössling trügt jedoch, denn in Wirklichkeit verreisen die Kinder alles andere als „ohne Eltern“. Die fliegen nämlich hinterher, um ihre eigentlich so wohlgeratenen Zöglinge in Undercovermanier zu bespitzeln – nur um festzustellen, dass auch ihre Kleinen nicht anders sind, als jeder andere Teenager. Um dem ganzen Unsinn ein wenig Seriösität und vor allem Daseinsberechtigung einzuhauchen, werden die an eine 08/15-Scripted Reality erinnernden Szenen beizeiten von dem Streetworker und Sozialpädagogen Thomas Sonnenburg kommentiert, der hier und da nützliche Erziehungstipps einstreut. Irgendeinen Mehrwert muss die Sendung ja andeuten, zu haben.
«Teenies auf Partyurlaub», das allein vom Titel her schon der untersten Trash-Schublade entsprungen zu sein scheint, beginnt in gewohnter RTL-Helpsendungsmanier. Man möchte meinen, den erhobenen Zeigefinger allein anhand der kommentierenden Offstimme zu erkennen. Die schildert nämlich auf gewohnte RTL-Art die Familiensituationen der beiden Hauptdarsteller, um die sich die erste Folge der Sendung dreht. Da wäre zum einen der 16-jährige Chris, der mit seinen beiden vier Jahre älteren Freunden die Partyinsel Ibiza unsicher machen will. Der präsentiert sich im Kreise seiner Familie natürlich als absolut harmlose und keinesfalls feierwütige Seele. Doch erstmal auf Ibiza angekommen, fallen alle Hemmungen und der spießige Teenie mutiert zum Partymonster, das sich maßlos betrinkt und wahllos Frauen aufreißt. Selbiges gilt für Jessica. Die 19-jährige Auszubildende plant ihren Partyurlaub mit drei Freundinnen bei dem es vor allem um eines geht: Saufen, tanzen und abschalten. Dass ihre Tochter bereits volljährig ist, scheint ihre Eltern nicht zu stören – denn auch diese haben sich für das Prinzip „Hobbydetektiv“ entschieden und reisen ihrer erwachsenen Tochter hinterher.
Was nun folgt, treibt einem schon als Zuschauer die Schamesröte ins Gesicht. Nachdem Sohn Chris noch schnell mit großer Geste von seiner Mutter die Kondome in die Hand gedrückt bekommt – allein diese Amtshandlung hat Sitcomqualitäten – ist alles, was jetzt folgt, ein Armutszeugnis für das Vertrauen, das in dieser Familie herrschen muss. Auch wenn Thomas Sonnenburg bemüht ist, noch aus den letzten peinlichen Situationen irgendeine pädagogisch wertvolle Erkenntnis zu ziehen, ist sofort klar: «Teenies auf Partyurlaub» ist lediglich auf Konfrontation aus. Die Fallhöhe vom ach so spießigen Elternpaar auf den rüpeligen Sohn wird durch den typisch theatralischen RTL-Ton noch verstärkt, dabei zeigt das Format bei genauerem Hinsehen nicht mehr, als einen völlig normalen Partyurlaub unter Jugendlichen. Mit Authentizität hat das alles nichts mehr zu tun. Die Eltern präsentieren sich in ihrer Rolle der Spione als peinlich, der feiernde Teenager wird in die Opferrolle gedrängt und das alles für ein Ergebnis, das gleich Null ist, denn nachdem die Übeltäter mit ihrem Werk konfrontiert wurden, folgen anstatt einer Aussprache lediglich lange Gesichter.
Zwar betonen beide Familien, dass das Experiment auf allen Seiten ein Erfolg war („Das Experiment hat uns alle viel mehr zusammengeschweißt!“), allerdings ist die Methode, mit der sich ein derartiger Erfolg eingestellt haben will, denkbar fragwürdig. Es stellt sich beim Zuschauer die Frage, ob es moralisch vertretbar ist, einen derartigen Vertrauensbruch zu begehen, wie er bei RTL regelrecht zelebriert wird. Die pädagogisch klingenden Ratschläge eines Thomas Sonnenburg scheinen derartige Methoden zu vertreten – dürften bei dem breiten Publikum allerdings lediglich für Kopfschütteln sorgen.
Auch handwerklich schafft es die Partydoku nicht, sich noch halbwegs über den Durchschnitt zu hieven. Was man hier geboten bekommt, ist gewohnte Kost, bestehend aus dem typischen Dokumentarstil, aufgepeppt durch ein paar stylische Schnitte, dramaturgisch passende Musik und Interviews mit allen Beteiligten. Was allerdings als doch halbwegs positiv hervorzuheben ist, ist die Art, mit welcher man diese Sendung offenbar drehte, ohne die Jugendlichen ihren eigentlichen Hintergrund einzuweihen. So interviewt man die Teenies getrennt von den Eltern, sodass diese ganz offen vor der Kamera zugeben, was ihr eigentlicher Urlaubsplan ist, während man im Interview der Eltern natürlich von den diabolischen Hintergedanken selbiger erfährt. Diese Taktik, den Teenies vorab offenbar einen anderen Sendungsschwerpunkt mitgeteilt zu haben – sodass diese ganz offen reden können – ist zwar perfide, von der Machart her aber ein interessanter Schachzug.
Fazit: «Teenies auf Partyurlaub» ist mit Abstand das Sinnloseste, was der Kölner Sender in der jüngsten Zeit auf Sendung geschickt hat. Pädagogisch fragwürdige Erziehungsmethoden in ein ohnehin totgelaufenes Helpformatskonzept zu kleiden um mit billigsten Effekten auf Konfrontationskurs zu gehen, hat nichts mehr mit einer Sendung zu tun, mit der man guten Gewissens in der Primetime auf Quotenfang gehen kann. Mit Thomas Sonnenburg konnte man zwar ein bislang ernst zunehmendes Sendergesicht für das Format gewinnen, nach der ersten Folge stellt sich nun allerdings die Frage, warum sich der hauptberufliche Sozialpädagoge für solch ein Konzept hergegeben hat. Natürlich könnte RTL mit «Teenies auf Partyurlaub» auch auf den aktuell anhaltenden Trend an Scripted Realities aufgesprungen sein. Ohnehin soll man im Fernsehen nicht alles Gezeigte für bare Münze nehmen. Da sich das Format aber ganz eindeutig als Helpformat präsentiert, ist das Gezeigte als solches wahrzunehmen – und versagt kläglich!