Popcorn & Rollenwechsel

Mehr als nur ein Gimmick!

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Film ist und bleibt ein visuelles Medium – und diese fünf sehr unterschiedlichen Filme nutzen ihre Bildästhetik auf sehr variantenreiche Weise, um ihre Inhalte zu transportieren.

«Galaxy Quest»
Dean Parisots Sci-Fi-Komödie aus dem Jahr 1999 handelt von einer Gruppe von Schauspielern, die durch eine schmal budgetierte Science-Fiction-Serie bekannt wurden und nun unterschiedliche Auffassungen davon haben, wie sie zu diesem Ruhm stehen sollten. Manche verachten das Format, andere suhlen sich in der Verehrung ihrer Fans. Dann wird plötzlich aus Fiktion Realität, denn eine Gruppe Außerirdischer, die die Serie für bare Münze nehmen, entführt die Schauspiel-Crew, in der Hoffnung, sie könnten Heldentaten vollbringen …

Parisot nutzt wechselnde Bildformate, um die Geschichte voranzutreiben: «Galaxy Quest» beginnt im 4:3-Format alter Fernsehserien, wenn Ausschnitte aus der fiktiven Serie-im-Film gezeigt werden. Das Bild erweitert sich dann auf das häufig verwendete "flache" Breitbildformat 1.85 : 1, wenn wir die Serienwelt verlassen und der Film "unsere Realität" erreicht. Und sobald die von Tim Allen verkörperte Hauptfigur endlich realisiert, ein Weltallabenteuer zu erleben, geht das Bildformat erneut auf – und zwar auf das epische Breitbildformat 2.35 : 1.

«1917»
Sam Mendes atemberaubendes, mit zwei Golden Globes gekröntes Weltkriegsdrama «1917» ist zwar nicht in einem einzelnen Take gedreht, wohl aber in einer Reihe langer, minutiös eingefädelter Plansequenzen, die nahtlos aneinandergereiht wurden. So erzeugt der «Skyfall»-Regisseur den Eindruck eines One-Take-Films im Stile von «Victoria». Und das ist nicht einfach nur eine große, angeberische Fingerübung – selbst wenn es inszenatorisch immens beeindruckend ist: Mendes verdichtet so die Gräuel des Ersten Weltkrieges, die unzählige Soldaten erlitten haben, auf einen etwa zwei Stunden langen, filmischen Albtraum-Trip.

Er rückt das Publikum hautnah an zwei befreundete Soldaten, die aus einem vermeintlichen freien Nachmittag gerissen und in eine lebensgefährliche Mission geschmissen werden. Wir spazieren durch immer tiefer und immer tiefer reichende Gräben, robben mit ihnen durch den Matsch, durchstehen Überraschungsattacken … «1917» wird durch die imitierte One-Take-Ästhetik zu einem unmittelbaren Erlebnis, dass den Schrecken namens Krieg zeigt, wie kein Film zuvor.

«Mommy»
Der Wechsel des Bildformats ist kein seltener Kunstgriff, aber anders als etwa «Galaxy Quest» nutzt Xavier Dolans Dramödie «Mommy» dieses "Gimmick" nicht, um einen Übergang in eine andere Realität oder Zeitebene (siehe: «Grand Budapest Hotel») zu markieren. Der Film beginnt in einem klaustrophobischen, quadratischen Bildformat. Das dysfunktionale, aber wohlmeinende Mutter-Sohn-Gespann, um das es geht, scheint von den schwarzen Balken links und rechts von ihnen erdrückt zu werden. Doch dann kommt dieser kurze, befreiende Glücksmoment …



«Junges Licht»
Regisseur Adolf Winkelmann mischt in seiner Adaption des Romans «Junges Licht» von Ralf Rothmann Bildästhetiken wild durcheinander: Er nutzt drei Bildformate (4:3, 1:1,85 und 1:2,39) und wechselt zwischen Schwarz-Weiß und Farbe. Diese Wechsel geschehen rein assoziativ, es gibt nicht den einen Schauplatz oder den einen Handlungsfaden, der eine bestimmte Bildästhetik erhält. Winkelmann bricht damit die Art und Weise auf, wie das Ruhrgebiet in den Wiederaufbaujahren der Bundesrepublik medial aufbereitet werden: Er bedient einerseits die durch Medien geschaffenen Erinnerungen an Schwarz-Weiß und enge Fernsehbilder als auch die farbige Realität in vollem Bild. So spiegelt die Bildebene die Erzählung wider, da diese ebenfalls abrupt zwischen verklärter Nostalgie und harscher Realität wechselt.

«Waltz with Bashir»
Diese Dokumentation erzählt von einem Mann, der 1982 als Soldat im Libanon eingesetzt wurde und diese Zeit weitestgehend verdrängt hat. In Gesprächen mit Menschen, denen es ähnlich erging, versucht er, diese Erinnerung zu rekreieren. Illustriert wird dies in traumhaften Zeichentricksequenzen – bis der Protagonist seine erschreckenden Erinnerungen wiedererlangt, woraufhin reales Filmmaterial die wahren Folgen des Krieges zeigt. So symbolisiert Ari Folman, wie der Hauptfigur das verdrängte Elend wieder bewusst wird – und verstärkt zudem den letzten, emotionalen Tiefschlag für das Publikum.

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