Die Kino-Kritiker

«Brightburn» - Satansbraten auf Abwegen

von

Alles andere als ein Superheld – in der Kleinstadt Brightburn geht ein mordender Junge um, der uns im Auftrag von Regisseur David Yarovesky aufzeigt, was wäre, wenn Superman kein guter Mensch gewesen wäre.

Filmfacts: «Brightburn»

  • Start: 20. Juni 2019
  • Genre: Horror/Fantasy
  • Laufzeit: 90 Min.
  • FSK: 16
  • Kamera: Michael Dallatorre
  • Musik: Tim Williams
  • Buch: Brian Gunn, Mark Gunn
  • Regie: David Yarovesky
  • Darsteller: Elizabeth Banks, David Denman, Jackson A. Dunn, Abraham Clinkscales, Christian Finlayson, Jennifer Holland
  • OT: Brightburn (USA 2019)
In den vergangenen Monaten haben es so einige Hollywood-Berühmtheiten mit Skandalen in die Schlagzeilen geschafft. Einige verloren darüber nur die Moderation der Academy Awards, weil sie zweifelhafte Tweets gegen Schwule abgesetzt hatten (Kevin Hart), andere direkt ihr komplettes Ansehen, weil sie in noch viel schlimmere Dinge verwickelt waren (Kevin Spacey, Bryan Singer, Brett Ratner…). Für eine kurze Zeit reihte sich auch James Gunn in diese wenig ruhmreiche Liste ein, weil der ehemalige Troma-Regisseur vor vielen Jahren zweifelhaft-derbe Gags in die Weiten des Internets posaunte, die ihm zum Verhängnis wurden, als die Produktion des dritten «Guardians of the Galaxy»-Films kurz bevorstand. Doch anders als bei den oben genannten Kandidaten hatte man bei Gunn nie das Gefühl, hier tatsächlich von einem Täter sprechen zu müssen; erst recht mit Blick darauf, wer denn die Vorwürfe gegen Gunn damals erhob. Und so stellten sich nicht nur die «Guardians»-Darsteller, die Fans und die halbe Kollegschaft geschlossen hinter Gunn und sein Schaffen, auch der Disney-Konzern hatte ein Einsehen und beorderte Gunn nach seinem Rausschmiss (und der kurzfristigen Abwanderung zum Konkurrenten DC) alsbald zurück auf den Regiestuhl von «Guardians of the Galaxy Vol 3».

Mit seinem Namen werben konnte man also auch die ganzen letzten Monate noch guten Gewissens, jetzt allerdings noch ein bisschen mehr. Zum Beispiel im Zusammenhang mit dem Anti-Superheldenfilm «Brightburn», den James Gunn produzierte und zu dem seine Brüder Brian und Mark Gunn («Die Reise zur geheimnisvollen insel») das Skript beisteuerten. Und der Regisseur David Yarovesky («The Hive») passt da wiederum auch gut rein – spielte der doch eine kleine Nebenrolle im ersten «Guardians»-Film und gilt als guter Freund der Gunn-Brüder.

In diesem Jungen steckt das Böse


Tory und Kyle Breyer (Elizabeth Banks und David Denman) wünschen sich nichts sehnlicher als ein Kind. Eines Tages finden sie einen kleinen Jungen in den nahegelegenen Wäldern, den sie mit zu sich nach Hause nehmen und Brandon taufen. Das Familienglück scheint endlich komplett, doch als Brandon (Jackson A. Dunn) das Teenageralter erreicht hat, beginnt er plötzlich, abnorme Kräfte zu entwickeln. Er schleudert nicht nur einen Rasenmäher hunderte Meter weit, sondern stoppt auch das Schneideblatt mit den bloßen Händen – oder verbiegt die Zinken einer Gabel mit seinem Mund. Zunächst selbst überfordert mit diesen Fähigkeiten, beginnt er sie plötzlich auch gegen Menschen einzusetzen. Für seine zunehmend verzweifelten Eltern steht fest: Der Junge, den sie viele Jahre lang als ihren eigenen Sohn aufgezogen haben, ist alles andere als ein Segen. Als Brandon dann auch noch davon erfährt, dass er gar nicht ihr leibliches Kind ist, geraten auch Tory und Kyle ins Visier des mächtigen Kindes, das mittlerweile im Kostüm von Haus zu Haus zieht und jeden bestraft, der sich ihm in den Weg stellt…

Ein kleines bisschen Provokation ist die Prämisse von «Brightburn» ja schon irgendwie: Anstatt wie sonst die gerade von Superman ausgelebten traditionellen Werte Wahrheit, Gerechtigkeit und „the american Way“ zu vertreten, ist die Hauptfigur hier einfach nur ein echter Kotzbrocken. Genaugenommen wird die Beschreibung eines „bösen Superheldenfilms“ dem Film auch nur bedingt gerecht, denn obwohl sich Brandon später eine Art Alter Ego mit Maske Cape zulegt, damit er während seiner blutigen Taten nicht erkannt wird, bleibt der klassische „Superheldenpart“ von «Brightburn» unterbelichtet. Nicht einmal auf die Gründe für Brandons Entscheidung, fortan in Verkleidung herumzulaufen, wird näher eingegangen. Stattdessen muss man es eben als gegeben hinnehmen, dass ein Maskierter, der des Nachts durch die Gegend läuft und Dinge von außerweltlicher Kraft tut, irgendwie auch der Attitüde eines Superhelden sehr nahekommt – nur dass dieser hier eben alles andere als gute Taten vollbringt.

Viel näher als an Superman und Co. reicht «Brightburn» an solche Evil-Child-Schocker der Marke «Das Omen» oder, um mal in diesem Jahr zu bleiben, «The Prodigy» heran. Allerdings nimmt sich Brandon nicht bloß sein näheres Umfeld als Opfer vor, sondern irgendwann die ganze Welt. Ob man Letzteres in späteren Filmen zu sehen bekommt, ist aktuell noch nicht bestätigt. So gesehen funktioniert «Brightburn» durchaus als Origin-Story, aber auch als alleinstehender Film; und aufgrund eines Verweises in Richtung James Gunns «Super» aus dem Jahr 2010 gibt es sogar die Möglichkeit, dass wir es hier mit dem Aufbau eines unkonventionellen Antiheldenuniversums zu tun haben.

Hohes Tempo als Vorteil


Über weite Strecken folgen die Autoren hier den typischen Mustern eines Horrorfilms: Die Eltern Tory und Kyle bemerken Veränderungen an ihrem Jungen, dessen emotionale und körperliche Aussetzer von Tag zu Tag schlimmer werden. Auch dank der starken Performance einer hochengagierten Elizabeth Banks («Pitch Perfect 2») wirkt es lange Zeit weitgehend glaubhaft, wie das Paar auf die Veränderungen ihres Sohnes reagiert. Vor allem der Begriff Pubertät taucht hier mehrmals auf, woraus sich in «Brightburn» auch der schwarze Humor entwickelt, der den Film klar als Gunn-Projekt brandmarkt. Wenn Brandon seiner angehimmelten Schulfreundin die Hand bricht, weil diese es ganz schön gruselig findet, wenn ihr Klassenkamerad nachts plötzlich an ihrem Fenster steht, oder Brandon unter seiner Matratze ekelige Bilder von Gedärmen versteckt (anstatt die für dieses Alter typischen Schmuddelmagazine), dann geht bei Tory und Kyle erst viel später der Alarm los, als es eigentlich angebracht wäre – schließlich ist Brandon einfach gerade in einem schwierigen Alter.

So richtig neu ist das natürlich auch nicht, aber zumindest umgeht «Brightburn» dadurch einige Stolpersteine in Sachen Glaubwürdigkeit. Und auch als die Eltern endlich begriffen haben, mit was für einem Satansbraten sie es hier zu tun haben, überzeugt der Film mit einer bemerkenswerten Konsequenz.

Apropos: Auch die vereinzelt gestreuten Gewaltspitzen können sich – gerade wenn man «Brightburn» als Mainstream-(Horror-)Blockbuster versteht – sehen lassen; geht David Yarovesky hier doch richtig schön ins Detail, wenn er Kiefer in Nahaufnahme auseinanderreißt oder Kameramann Michael Dallatorre («Heartland») erst im Super-Close-Up zeigt, wie das Auge eines Opfers von einer Glasscherbe durchbohrt wird und er die folgenden Szenen sogar aus ihrer blutverschmierten Sicht aufnimmt, wodurch man den immer näher kommenden Brandon nur schemenhaft erkennt, bis man gemeinsam mit dem Opfer schließlich vollkommen die Orientierung verliert. Das sind übrigens nur zwei von mehreren Szenen, in denen wir den von Newcomer Jackson A. Dunn («Avengers: Endgame») diabolisch verkörperten Brandon in Aktion erleben. In den sehr kernigen 90 Minuten von «Brightburn» ist die Dichte an Szenen, in denen etwas für die Handlung Relevantes passiert, so hoch, dass nahezu keinerlei Leerlauf entsteht. Im Gegenteil: Zeitweise hat man gar den Eindruck, zugunsten eines möglichst hohen Tempos wurde an einigen Stellen gekürzt – wie etwa eine Begründung für Brandons Kostümfaible.

Aber genau hier liegt auch der Grund, weshalb «Brightburn» trotz der eigentlich altbekannten Zutaten und des leichten Etikettenschwindels in puncto „Superheldenfilm“ immer noch verdammt unterhaltsam ist: Hier kommen die Ereignisse so Schlag auf Schlag und unter Zuhilfenahme wirklich guter Trickeffekte, dass man gar nicht die Zeit hat, sich über kleinere inhaltliche oder erzählerische Ungereimtheiten Gedanken zu machen. Und da nun außerdem der Grundstein dafür gelegt ist, das Schicksal dieses Horrorkindes weiterzuerzählen, wären wir über eine Fortsetzung, die vielleicht auch Brandons Charakter noch näher beleuchtet (ein emotionaler Zwiespalt zwischen der Liebe für seine Eltern und den Drang, zu töten, wird zwar angedeutet, aber schnell fallen gelassen), nicht unglücklich.

Fazit


«Brightburn» ist zwar eher Evil-Child-Horror als „böser Superheldenfilm“, aber aufgrund des hohen Tempos, der soliden Effekte und der schön fiesen Gewaltspitzen macht David Yaroveskys außergewöhnliches Genreexperiment Laune und Lust auf mehr. Und das Interesse an einer Fortsetzung ist heutzutage ja nun echt selten.

«Brightburn» ist ab dem 20. Juni bundesweit in den deutschen Kinos zu sehen.

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