Die Kino-Kritiker

«Steve Jobs»

von

Die Geschichte eines Genies, das aneckt. Erzählt in drei Akten. Mit unbändiger kinematografischer Kraft und starken Schauspielleistungen.

Filmfacts «Steve Jobs»

  • Regie: Danny Boyle
  • Produktion: Danny Boyle, Guymon Casady, Christian Colson, Mark Gordon, Scott Rudin
  • Drehbuch: Aaron Sorkin, basierend auf "Steve Jobs" von Walter Isaacson
  • Darsteller: Michael Fassbender, Kate Winslet, Seth Rogen, Jeff Daniels, Katherine Waterston, Michael Stuhlbarg, Sara Snook
  • Musik: Daniel Pemberton
  • Kamera: Alwin H. Küchler
  • Schnitt: Elliot Graham
  • Laufzeit: 122 Minuten
  • FSK: ab 6 Jahren
Für die zahllosen Apple-Fans weltweit ist es eine Selbstverständlichkeit. Und auch sämtliche Apple-Verweigerer müssen es sich wohl zähneknirschend eingestehen: Steve Jobs war ein Genie. Der Unternehmer trieb die Entwicklung von Heimcomputern voran und machte nach der Jahrtausendwende mit iTunes und dem iPod legale Musikdownloads sowie MP3-Player zu gigantischen Marktzweigen. In Jobs' späteren Jahren folgten schlussendlich seine womöglich größten Erfolge: Die iPhones, dank derer das Smartphone für weit mehr als eine Milliarde Menschen zu einem unverzichtbaren Alltagsgegenstand wurde.

Obwohl dank zahlreicher Zeitungsartikel sowie Biografien das Wesen des Mannes hinter diesen Erfolgen wohl publiziert ist, haben unzählige Apple-Jünger ein ganz eigenes Bild von Steve Jobs. Während ein Gros von Jobs' Angestellten und Weggefährten den Rollkragenpulloverträger als Egomanen zeichnet (und sogar eine Webseite mit entsprechenden Anekdoten existiert), schwärmen Millionen von treuen Nutzern in hohen Tönen von Jobs. Schließlich kennen sie ihn primär durch seine Auftritte bei Apple-Produktpräsentationen, beziehungsweise von den „Keynotes“, wie sie letztlich getauft wurden. Und da präsentierte sich Jobs dank Showmanship und Selbstvermarktungstalent so, wie er sich selber sah: Als Maestro der Digitaltechnologie und des Designs. Wenn nicht gar als personifizierter Wegweiser der Menschheit in eine neue Zeitrechnung.

Deswegen ist es Geniestreich und äußerst kniffliges Unterfangen zugleich, dass «Steve Jobs» all diese bedeutenden Eckpunkte rund um seine 2011 verstorbene Titelperson konsequent vereint: Der langjährige Apple-CEO wird von Drehbuchautor Aaron Sorkin («The West Wing», «The Social Network») und Regisseur Danny Boyle («Slumdog Millionär», «127 Hours») als Despot und Held dargestellt, darf sich als Vordenker feiern und Dickschädel beschimpfen lassen. Und all dies in drei stilistisch strikt getrennten Akten, die allesamt die letzten Minuten vor einer aufwändig gestalteten Produkteinführung repräsentieren. Mit dieser Vorgehensweise erfasst die in den USA gefloppte 30-Millionen-Dollar-Produktion die Essenz seiner hier porträtierten Hauptfigur. Es geht nicht um historische Genauigkeit – es werden unternehmerische und charakterliche Entwicklungen zusammengerafft, Aussagen zugespitzt und Running Gags erschaffen. Aber durch die narrative wie inszenatorische Stilisierung erweckt «Steve Jobs», anders als viele andere Biopics, auch gar nicht erst den Anschein, schlicht eine Faktensammlung zu sein.

Sorkin und Boyle streben nach einer packenden, geistreichen und kurzweiligen Interpretation Jobs'. Ein so ambitioniertes Ziel könnte anhand diverser Kleinigkeiten scheitern – sei es ein zu sklavisches Orientieren an Jobs' echten Gestus, wodurch der Hauptdarsteller in seiner Performance behindert wird. Oder ein zu theatrales Herunterbrechen der realen Eckdaten und Manierismen auf die Bedürfnisse des Films, so dass die Figuren nicht mehr glaubwürdig wirken. Oder alternativ ein Übermaß an Informationshalden, die den Plot ausbremsen, um selbstgefällig den Kinobesuchern vorzuführen, wie viel Recherche die Filmemacher betrieben haben.

All diese Stolpersteine vermeidet dieses Ausnahme-Biopic jedoch mit konsequenter Leichtfüßigkeit. Überhaupt erstaunt es, wie behände und mit welch mitreißendem Tempo Boyle das vielschichtige, eloquente Skript auf die Leinwand bringt. Der Oscar-Preisträger nutzt sein Händchen für entfesselte, kinematografische Energie, indem er Informationen und Stimmungen audiovisuell so unterbringt respektive kreiert, dass sie dem von Wortwitz, Metaphern und tiefgehenden Monologen gespickten Drehbuch nicht im Weg stehen.

Der erste Akt, der 1984 kurz vor der Präsentation des Macintosh spielt, ist etwa in grobkörniger 16mm-Qualität gefilmt. Mit dem harschen Kontrast und dem altmodisch-grieseligen Look dieses Akts wird nicht nur markiert, in welcher Zeit er spielt – diese Ästhetik verleiht den ersten «Steve Jobs»-Minuten auch einen jugendlichen Leichtsinn. Die Optik steht stellvertretend für die Mischung aus Unerfahrenheit und großem Willen, der an den technischen Möglichkeiten scheitert, die Jobs in diesem Akt ausmacht.

Der zweite Akt ist im traditionellen 35mm-Format gedreht, und kommt entsprechend graziös und cineastisch daher – gepaart mit dem Filminhalt (Jobs stellt 1989 die Demo seines Soloprojekts NeXT vor, das er nach seinem Apple-Rausschmiss anpackte) und den stilvoll-aggressiven Rottönen des Schauplatzes wird die Stimmung einer überlebensgroßen Rachestory geschaffen. Der letzte Akt ist dagegen mit einer Alexa-Digitalkamera gedreht, hievt «Steve Jobs» also ins Heute. Klare, gedämpfte Farben und facettenreiche Weiß-, Grau- sowie Blautöne unterstreichen, dass die Welt, wie Jobs sie sich vorgestellt hat, hereinbricht – und weil der heutige Kinogänger bestens an die Digitalästhetik gewöhnt ist, wird er auch nicht weiter unterschwellig vom Leinwandgeschehen distanziert. Da sich Jobs, dargeboten von einem atemberaubenden, mannigfaltigen Michael Fassbender, allmählich seiner Medienpersona annähert, wirkt der Wegfall dieser subtilen Hürde zwischen stilisierter Filmwelt und dem Publikum sogar doppelt intensiv.

Nicht nur Fassbender brilliert vor der ausdrucksstarken Kamera Alwin H. Küchlers: Das gesamte Ensemble ist perfekt besetzt und darf seine Stärken ausspielen, ohne dabei in gewohnte Schemata zu verfallen. Comedy-Star Seth Rogen begeistert als Computeringenieur Steve Wozniak, den eine Hassliebe zu Jobs verbindet und der in jedem Akt ein freundschaftlich gemeintes, doch stets ausartendes Streitgespräch mit dem Apple-Mitgründer sucht. Kate Winslet darf als Jobs' rechte Hand Joanna Hoffman würdevoll ihren trockenen Humor ausleben, Jeff Daniels und Michael Stuhlbarg geraten unterdessen auf gänzlich unterschiedliche Weise in schweißtreibende Machtkämpfe mit Jobs. Und Katherine Waterston als Chrisann Brennan meistert die schwere Aufgabe, eine von Sorkin geschriebene, instabile Ex-Frau zu spielen, ohne dabei ein Abziehbild abzugeben. Auch das Trio an Darstellerinnen der lang verleugneten Jobs-Tochter Lisa (Makenzie Moss, Ripley Sobo, Perla Haney-Jardine) manövriert sich löblich durch die gestochen scharfen Wortgefechte.

Untermalt wird all dies von einem wandlungsfähigen, ins Ohr gehenden Score von Daniel Pemberton («The Counselor»), der stets genau den Tonfall der jeweiligen Szenen trifft, dezent überhöht, aber nie ins lachhaft Übertriebene zieht. Von simplen, kühlen Retro-Elektronikklängen zu energischen Opernarien hin zu kraftvollen, elektronisch unterstützen Symphoniesounds wie sie aus 80er-Filmen bekannt sind: Pemberton treibt dieses eh schon zügig erzählte Biopic mächtig an.

Erst in den finalen Minuten geraten Sorkins Drehbuch und Boyles Regieführung doch noch ins Stolpern. Einerseits, da der emotionale rote Faden in Form der komplizierten Beziehung zwischen Jobs und seiner Tochter auf den letzten Metern zum alles überschattenden Thema wird. Die Wandlung vom beiläufig behandelten Konflikts hin zum explizit verbalisierten Vater-Tochter-Anbandeln wirkt in der gebotenen Offensichtlichkeit zu konstruiert und obendrein zu platt für diesen flinkzüngigen Film. Die emotional aufgeladene Inszenierung unterstreicht diesen Bruch leider zusätzlich. Da zudem die Zielgerade von «Steve Jobs» mit erzwungenen Vordeutungen um sich schmeißt, welche Produkte Jobs nach dem iMac noch präsentieren wird, verliert das Finale – gemessen am zuvor gebotenen, immensen Niveau – an Brillanz und Eleganz.

Denn Jobs' Werdegang zum Erfolgsunternehmer ist in diesem Akt abgeschlossen, nach der Filmhandlung geht es nur noch bergauf, und auch seine vertrackte private Seite ist – zumindest auf der Leinwand – bereits stabilisiert. Der Mann wird im Film also schon zur (streitbaren) Legende – die Anspielungen auf den iPod, das iPhone und das iPad sind vor diesem Hintergrund nur banale, überoffensichtliche Anbiederungen ans Publikum, statt inhaltliche Bereicherungen. So, als wolle Sorkin dem Zuschauer in die Seite boxen: „Na, na, du weißt, worum es nun geht, richtig? Toll, oder?!“

Diese künstlerischen Patzer sind jedoch gerade einmal Schönheitsfehler in einem sonst rundum beeindruckenden Film. Denn «Steve Jobs» ist herausragend konstruiert und faszinierend gestaltet – also genau das, was auch der echte Steve Jobs von seinen Produkten verlangt hat. Womit Sorkin und Boyle dem Mann, den sie in ihrer rund zweistündigen Kinoarbeit in solch einem unvorteilhaften Licht darstellen, letztlich doch einen ehrfürchtigen Tribut zollen.

Fazit: Mit gewitzten und geistreichen Dialogen und einer starken audiovisuellen Präsentation sowie preisverdächtigen Performances ist «Steve Jobs» energiereich, smart und obendrein beseelter als jedes Apple-Produkt.

«Steve Jobs» ist ab dem 12. November 2015 in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.


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Wer ist in «Steve Jobs» für die berauschende Musik zuständig?

Tipp: Der Titel findet sich auch in der obigen Filmkritik.
Teilnahmeschluss ist am 22. November 2015 um 23:59 Uhr. Viel Glück!

Weitere Informationen zu den Teilnahmebedingungen findet ihr unter http://tinyurl.com/QuotenmeterGewinn.

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