Die Kritiker

«Der Verlust»

von

Heino Ferch kann kaum noch sprechen und Ina Weisse erfährt daher endlich die Wahrheit über ihn: «Der Verlust» erinnert daran, dass Melodramen gut sein können.

Cast und Crew

  • Regie: Thomas Berger
  • Darsteller: Ina Weisse, Heino Ferch, Fritzi Haberlandt, Margarita Broich, Hans-Jochen Wagner, Meret Becker, Peter Jordan, Tedros Teclebrhan, Peter Kremer
  • Drehbuch: Thomas Berger; nach dem gleichnamigen Roman von Siegfried Lenz
  • Kamera: Wedigo von Schultzendorff
  • Szenenbild: Thorsten Lau
  • Kostüm: Natascha Curtius-Noss
  • Musik: Florian Tessloff
  • Schnitt: Jan Henrik Pusch
Uli (Heino Ferch) und Nora (Ina Weisse) kennen sich seit rund einem Jahr, und es scheint die ganz große, innige Liebe zu sein. Selbst wenn sich der Hamburger Fremdenführer Uli jedes Mal ziert, wenn es darum geht, sich zu dieser Beziehung zu bekennen. Dennoch muss sich Nora über ihren Freund wundern: Eines Nachts werden sie Zeugen eines tödlich endenden Autounfalls. Beinahe wäre Uli mit dem Fahrrad selbst Opfer des Auffahrunfalls geworden, weil er trotz Noras Vorwarnung partout nicht bremsen wollte. Am Morgen danach erleidet er während einer Hafenrundfahrt auf der Elbe zudem einen Hirnschlag. Mit seiner letzten Kraft schleppt er sich bis zum Lesesaal der Bibliothek vor, in der Nora arbeitet. Aber ehe er ihr etwas sagen kann, bricht er zusammen und wird vom Notarztwagen ins Krankenhaus gebracht. Die mitgenommene Nora erfährt kurz darauf per Zufall, dass der über sein früheres Leben selten ein Wort verlierende Uli ihr einiges verschwiegen hat, das von Bedeutung ist. Etwa den engen Kontakt zu einer gewissen Karin. Führt der nunmehr kaum noch des Sprechens fähige Uli etwa ein Doppelleben ..?

Die plötzliche Wortlosigkeit Ulis ist nicht nur Schicksalsschlag, sondern dient auch einer nicht all zu stark verschlüsselten Metaphorik: Wer redet, kann lügen. Und Uli baute sich in seinen Monaten mit Nora ein gewaltiges Lügengebilde zusammen. Wie sehr es der Fremdenführer versteht, mit seinen Worten die Zuhörer um den Finger zu wickeln, wird in den wenigen Minuten deutlich, die er zu Beginn des Melodrams verlieren darf. Er übt während einer Radtour mit Nora seinen Monolog, den er für die Hamburger Schifffahrtstouristen vorbereitet hat: Eine einfallsreiche, aber polemische Plattitüde darüber, dass Fleischesser emotional, aber dumm sind, während Fischesser kalkulieren, abwägen und tolerant sind. Hamburg, als Fischstadt, sei daher auch eine tolle Stadt. Während Nora nachts diesen Beinahe-Stand-up kritisch beäugt, sind Uli am Morgen darauf alle Touristen verfallen – er hat es einfach drauf. Die kritische Nora indes muss aufgrund der weiteren Verwicklungen dieses Films ihren Freund noch stärker auf Wahres abklopfen als noch bei der läppischen Fleisch-und-Fischesser-Parabel. Nur dass Uli dieses Mal keine Widerworte und Beschwichtigungen von sich geben kann. Das Schweigen als Schlüssel zur Wahrheit.

Dass die Wahrheit wiederum unbequem sein kann, ist altbekannt – auch wenn Ina Weisse den inneren Kampf Noras darum, ob sie Uli angesichts der neuen Erkenntnisse weiterhin lieben kann oder will, feinfühlig und nachvollziehbar darstellt. Dass der nach einem Roman des 2014 verstorbenen Autors Siegfried Lenz nicht ins übertrieben Kitschige kippt, liegt aber auch an der bodenständigen Inszenierung Thomas Bergers, der darauf verzichtet, unentwegt leidende Gesichter in Großaufnahme zu zeigen und so beim Publikum mit aller Macht Mitleid zu forcieren. Stattdessen vermittelt er das Wechselspiel zwischen Distanz und Nähe weniger aufdringlich durch die Wahl der Einstellungsgrößen und effizienten Schnitt. Ebenso stimmt die Hintergrundmusik bevorzugt geheimnisvolle Klänge an, die unterstreichen, wie sehr Uli und Nora jeweils grübeln – darüber, wie sie die Misere vermeiden respektive aufnehmen sollten. Die schmachtenden Montags-Herzkinomelodien bleiben dagegen aus.

Hinzu kommen vergnügliche Nebenfiguren wie Tedros Teclebrhans redseliger Taxifahrer und der immer grinsende Kommissar, den Peter Jordan gibt, und schon ist der vergleichsweise ruhig erzählte Film eine angenehme, kleine Abwechslung vom TV-Melodram-Alltag. Der Selbstreflexion provozierende Schluss und ein gut besetzter Heino Ferch, dessen Mimik trotz Zurückhaltung von Minute zu Minute immer größere Bände spricht, geben dem Ganzen dann noch den letzten Schliff.

«Der Verlust» ist am 5. Oktober 2015 ab 20.15 Uhr im ZDF zu sehen.

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