Schwerpunkt

Europa League-Start, oder: Sport1 spielt auf Zeit

von

Der Europapokal-Auftakt bei Sport1 offenbarte viele gute Ansätze, zum Beispiel eine tolle Einbindung von Sport1.fm. In der aufgeblähten Programmdauer findet sich jedoch das große Manko. Ein Nachbericht.

Seite 2
Die Einbindung des Sport-Radios kennzeichnet die große Stärke der Berichterstattung. Bei Toren und ansonsten etwa alle 20 Minuten schaltete das Studio zu der von Christoph Fetzer kommentierten Sport1-Berichterstattung im Hörfunk. Weniger der grüne Rasen als Hintergrund, vor dem Fetzer das Spiel begleitete, als vielmehr sein emotionaler und mitreißender Kommentar zeigten einmal mehr die Stärken der Sport1-Plattform. Die Entscheidung auf Sport1.fm zu setzen, wenn auf Live-Bilder von den anderen Partien der deutschen Teams verzichtet werden muss, ist für den Zuschauer ein toller Kompromiss, setzt Synergien zwischen den Plattformen frei und bewirbt sie zugleich bei einem größeren Publikum. Zur Krönung des Ganzen wurden Sport1-Zuschauer gegen 20.45 Uhr live Zeuge des Last-Minute-Siegtreffers der Dortmunder Elf. Gleichzeitig stellt der schnelle Wechsel zum Radiobeitrag bei Torerfolgen die Moderatoren und Experten aufgrund der raschen Unterbrechung aber auch vor kleinere Herausforderungen und sorgt für Unterbrechungen des Redeflusses.

Mehr von den kurzweiligen Wortbeiträgen aus Sport1.fm stünden der Fernseh-Übertragung gut zu Gesicht, bewahrheitete sich doch, was die meisten bereits im Vorfeld befürchteten: Die Sendedauer von sechs Stunden ist deutlich zu lang, die Versuche diese zu füllen teilweise misslungen. So besprach das vierköpfige Studio-Team zunächst 40 Minuten lang die generelle Ausgangssituation der drei deutschen Teams, wo beispielsweise die mittlerweile vollends und ausführlich aufgearbeitete Causa Julian Draxler thematisiert wurde, ohne dass die Meinungen der Protagonisten diesem Thema einen neuen interessanten Blickwinkel verliehen. Neben gelegentlichen (Interview-)Einspielern oder einer Wiederverwertung der «Bundesliga Aktuell»-Meldungen des Tages, wurde die Sendezeit beispielsweise auch mit musikalischen Neuinterpretationen ausgewählter Vereinshymnen der deutschen Europa League-Teilnehmer seitens Zarrella und seiner Band überbrückt, über deren Mehrwert sich sicher streiten lässt.

Insgesamt bemühte sich Sport1 die modernen Medien so gut es geht in die Sendung miteinzubinden. Hier und da blendete man am rechten unteren Bildschirmrand Twitter-Meldungen von Vereinen oder Spielern ein, zuweilen meldete sich sogar die aus dem Stadion berichtende Laura Wontorra auf diese Weise mit Kurznachrichten wie: „Horst Heldt bei mir. Grüße Laura.“ Bei diesem ansprechenden und gewitzten Einsatz moderner Technik könnte der Dialog zwischen Wontorra und Redaktion künftig noch reger sein, denn tatsächlich stieg Horst Heldt erst knapp acht Minuten später vor den Sport1-Kameras aus dem Mannschaftsbus. Schade auch, dass der Tochter des Sport1-Urgesteins Jörg so wenige Aufgaben zu Teil wurden. Die im Vergleich zu ihren Sky-Kolleginnen recht leger im T-Shirt gekleidete Moderatorin, sprühte in ihren drei kurzen Beiträgen vor Spielbeginn vor Energie und erbte zweifellos den Charme ihres Vaters. In der Halbzeit kam Wontorra aufgrund der ausgedehnten Werbeblöcke schließlich gar nicht zum Einsatz. Ihr Job beschränkte sich auch nach dem Spiel weitestgehend auf Stimmenfang.

Trotz der Technik-Verliebtheit der Übertragung wurde auch auf Video-Analysen bis auf einen kurzen Beitrag weitestgehend verzichtet. Der Einsatz selbiger ist mittlerweile das Steckenpferd von Sky. Unterdessen müssen die Sport1-Experten meist versuchen, ihre Gedankenzüge zu Taktik und Spielzügen allein durch Wörter zu verbildlichen. Dabei ist der Einsatz von Videoanalysen beim Münchner Free-TV-Sender doch durch die «Telekom Spieltaganalyse» gelernt und drängt sich für künftige Übertragung als zusätzliche Visualisierungshilfe auf.

Natürlich resultiert die Entscheidung die Europa League-Berichterstattung auf sechs Stunden auszudehnen auch aus der Überlegung, durch mehr Werbeblöcke in einem so attraktiven Programmumfeld mehr Geld einzunehmen. So ließ man sich bis zum Ende der Sendung Zeit, bis man endlich die Highlights des Dortmund-Spiels zeigte, um so natürlich möglichst viele Zuschauer lange vor den Empfängern zu halten. Diese Entscheidung erzeugt sicher Unmut bei vielen Fans. Statt sich in eine zu großen Teilen wenig ergiebige Fragerunde zu stürzen, hätte man in den Vorberichten auch den anderen Europa League-Partien abseits der deutschen Mannschaften mehr Zeit einräumen oder öfter aus Zypern senden können. Über Zwischenstände aus anderen Stadien informierte bloß ein Ticker am unteren Spielfeldrand, kaum mehr als ein Dutzend Silben aus dem Mund Giovanni Zarellas entfielen vor dem Schalke-Spiel auf die Begegnungen.

Die betont ruhigere Gesprächsatmosphäre des sportlichen Quartetts, die bei einer kürzeren Sendezeit sicherlich einwandfrei funktionieren würde, kam der langgestreckten Sendung ebenfalls nicht entgegen. Während beliebten Sport1-Formaten wie dem «Bitburger Fantalk» oder dem «Mobilat Fantalk» zurecht Stammtischcharakter attestiert wird, woraus launige Diskussionen entstehen, bestritt Sport1 die Europa League-Berichterstattung seriöser. Eventuell hätte man sich auf die Qualitäten der Sport1-Leuchttürme besinnen sollen, denn auf diese Weise geht meist auch eine größere Kurzweiligkeit einher, die allein den langen Vorlauf von zwei Stunden hätte kaschieren können. Man spürte, dass der betont gut gelaunte Oliver Schwesinger versuchte, die Runde manches Mal aufzulockern, indem er den Experten scherzhaft Bälle zuspielte. In den vorwiegend auf den Sport fokussierten Kollegen fand der Moderator jedoch selten einen Abnehmer.

In der ersten Sport1-Übertragrung der neuen Europa League-Saison fanden sich viele gute Ansätze, der Sportsender fand jedoch nicht die richtige Aufteilung zwischen Gesprächsrunden, Mazzen und Schalten ins Stadion. Schon jetzt wurden in den sozialen Medien Stimmen laut, dass die sechsstündige Berichterstattung zu aufgebläht sei. Dies muss man nicht ändern, kann man aber durch einen veränderten Fokus im Zusammenspiel der Sendungselemente verändern. Weitere Europapokal-Abende werden zeigen, ob Sport1 diese televisionäre Spielverlagerung gelingt.

vorherige Seite « » nächste Seite

Kurz-URL: qmde.de/80848
Finde ich...
super
schade
78 %
22 %
Teile ich auf...
Kontakt
vorheriger ArtikelUS-Saison 15/16: Die möglichen Überraschungshits der Networksnächster ArtikelGefunden: RTL II hat neue Sendeplätze für «Fake Reaction» & «Pop Giganten»
Es gibt 0 Kommentare zum Artikel
Weitere Neuigkeiten

Optionen

Drucken Merken Leserbrief




E-Mail:

Quotenletter   Mo-Fr, 10 Uhr

Abendausgabe   Mo-Fr, 16 Uhr

Datenschutz-Info

Letzte Meldungen

Werbung

Mehr aus diesem Ressort


Jobs » Vollzeit, Teilzeit, Praktika


Surftipp


Surftipps


Werbung