Die Kritiker

Nicht immer steht Großbritannien für Qualität

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Die Kritiker: Die BBC-Reihe «Inspector Mathias» wählt zwar in einigen Fällen interessante Perspektiven, ist zum Auftakt aber dennoch nicht gerade überragend.

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Richard Harrington als Tom Mathias, Mali Harries als Mared Rhys, Hannah Daniel als Sian Owens, Alex Harries als Lloyd Ellis, Aneirin Hughes als Brian Prosser, Sara Lloyd-Gregory als Catrin John, Paul Morgans als Hywel Maybury und andere


Hinter den Kulissen:
Regie: Marc Evans, Buch: David Joss Buckley und Ed Thomas, Musik: John E.R. Hardy, Benjamin Talbott und Victoria Ashfield, Schnitt: Mali Evans und Kevin Jones, Kamera: Hubert Taczanowski, Produktion: Fiction Factory Films

Großbritannien, Skandinavien, Deutschland: So recht wüsste der Zuschauer in den ersten Minuten der Reihe «Inspector Mathias – Mord in Wales» nicht, woher die Produktion kommt, könnte er es nicht aus dem Namen schließen. Nicht allein weil der titelgebende Inspector einen Volvo fährt, glaubt man an eine Produktion aus den nordeuropäischen Staaten, auch die düster-ruhige Stimmung stützt diesen Eindruck. Die Story hingegen lässt zunächst an einen klassischen deutschen Krimi glauben: Noch vor seinem ersten Besuch auf dem Revier muss Inspector Mathias zum Tatort eilen, wo eine ältere Dame aus ihrer ruhigen Wohngegend verschwunden ist. Die zahlreichen Blutspuren vor Ort sprechen eine eindeutige Sprache, gleiches tut aber auch die Inszenierung: Die nämlich fesselt schon zu Beginn – trotz des angedeuteten krassen Blutbades – kaum. Dazu passt, dass der Pastor in Fokus von Mathias gerät, die Dorfpolizistin sich aber nicht vorstellen kann, dass der brave Mann etwas damit zu tun hat. Man kennt sich doch.

Nicht nur beim Blick auf die walisischen Landschaften, die von der Kamera oft toll eingefangen werden, wird dann aber doch klar, dass die Reihe aus Großbritannien sein muss. Auch das Schauspiel passt in dieses Bild gut rein. Die Darsteller agieren größtenteils äußerst authentisch, gerade die Landbevölkerung überzeugt. Dieser Effekt verstärkt sich in der englischen Originalversion zusätzlich, die dem deutschen Zuschauer allerdings wie gewohnt vorenthalten bleibt. Inhaltlich ist die Kost zur gleichen Zeit jedoch mehr als gewöhnlich. Wie soll es nach genannten Vorbedingungen auch anders sein: Der versetzte Mathias ist natürlich nicht freiwillig in die ländliche Region gegangen, er musste es tun. Grund ist seine dunkle Vergangenheit, von der der Zuschauer zwar zunächst nichts weiß, die er aber zweifelsohne erahnen kann. Mit der kleinbürgerlichen und engstirnigen Landbevölkerung weiß Mathias oft wenig anzufangen. Die Menschen aber wollen ohnehin unter sich bleiben. Man kennt sich doch.

Die Sache mit den deutschen Titeln
«Hinterland» heißt BBC-Produktion im Original. Dass dieser durchaus griffige und aussagekräftige Titel für den deutschsprachigen Markt abgeändert wurde, erscheint eher als eine Verzweiflungstat für das reifere öffentlich-rechtliche Kernpublikum. Offensichtlich soll sofort erkennbar sein, dass es sich um einen Krimi handelt. Dass in Kombination mit Untertitel und Episodennamen schließlich etwas absolut umständlich verschwurbeltes wie «Inspector Mathias – Mord in Wales: Die Brücke des Teufels» herauskommt, scheint den Programmplanern recht egal gewesen zu sein, den Zuschauer dürfte es eher abschrecken.

So schlimm wie das alles nun zunächst klingen mag ist die Produktion aber nicht. Neben den tollen Bildern funktioniert vor allem auch die hervorragend eingesetzte Symbolik äußerst gut. Erzählt wird im ersten Krimi von der Brücke des Teufels, wie es der Episodentitel schon verrät. Eine mythologische Sage spinnt sich um diese Brücke, die mit Aberglauben behaftet und vom Teufel besetzt ist. Das mag zwar auf den ersten Blick eher mau klingen, allerdings entwickelt sich ein ganzes Gerüst von Handlungsaspekten rund um diese Sage, so dass im Extremfall mancher Zuschauer eventuell doch an Wahrheit zu Glauben gedenkt. Selbst aber wenn er es (und das ist wohl wahrscheinlicher) doch nicht glaubt; das Nachdenken hat er auf jeden Fall begonnen, womit die eingesetzte Symbolik bereits gewonnen hat. Wirkliche inhaltliche Spannung fabriziert dieser Aspekt jedoch leider nicht, die aber kommt ohnehin erst nach gut einer Stunde Laufzeit auf. Das Problem: Bei der getöteten Dame zu Anfang handelt es sich um die ehemalige Angestellte eines Heims, die dort jahrzehntelang von einer Grausamkeit zur nächsten gesprungen sein soll und die Heimkinder misshandelt hat. Eine wirkliche Verbindung zu ihr bekommen die Zuschauer aber nicht, vor allem weil sie eben direkt zu Beginn verstorben und ihre Leiche außerdem verschollen ist. So aber erzielen die schrecklich traumatisierten Opfer nicht ganz die Wirkung, die sie eigentlich erzielen müssten und könnten. Die tiefen Abgründe der Geschichten jedenfalls spiegeln sich nicht in der Darstellung wider.

Interessanter Randaspekt: Gedreht wurde die Reihe gleich in doppelter Ausführung. Einmal nämlich in walisisch und einmal für den breiten Markt in englischer Sprache. Das ist mit Sicherheit ein Grund, warum für die Produktion nicht die ganz bekannten Namen zur Verfügung standen. Hierzulande jedenfalls, dürften die meisten Zuschauer von den wenigsten Darstellern auch nur einmal gehört haben. Wie bereits vorher gesagt tut das der schauspielerischen Leistung aber keinen Abbruch, eher im Gegenteil. Vor allem in diesem Aspekt nämlich, weiß die Reihe zu überzeugen und gleicht damit die eine oder andere Schwäche wieder aus.

Der intensive Schock ist da – aber nicht nachhaltig


Vielleicht aber tut es dann doch zu weh, wenn die grundsätzlich vorhandene inhaltliche Brisanz durch die unpassende und nicht übermäßig mitreißende Darstellung verloren geht. Gerade für eine Auftaktepisode wird die Einführung der Figuren auch nicht wirklich gelungen durchgeführt. Der Zuschauer muss dabei natürlich nicht an der Hand genommen werden, aber er sollte am Ende in der Lage sein, zumindest im Ansatz zu wissen, mit welchen Charakteren er es zu tun hat. Selbstredend dürfen diese schließlich eine Kehrtwende machen oder doch völlig anders sein als erwartet. Bei «Inspector Mathias» aber ist das Gefühl ein anderes: Nach wenigen Minuten glaubt der Zuschauer sich im Klaren darüber zu sein, mit wem er es zu tun hat, gleichzeitig aber ist er verloren und jegliche Identifizierung mit den Figuren geht ihm ab. In den künftigen Fällen ist das ein Stück weit besser gelöst, die Charakterentwicklung nimmt hier zumindest in Ansätzen Fahrt auf. Im ersten Fall mag mitunter auch der mäßige Spannungsbogen Schuld am Fehlen dieser Entwicklung haben.

Für jenen Mangel an Spannung über eine längere Laufzeit hin gibt es wie so oft Entschädigung zum Finale. Der krassen Zuspitzung folgt ein intensiver Schockmoment, beides kann an dieser Stelle jedoch nicht näher erläutert werden, ohne Spoiler vorwegzunehmen. Dass es aber zu diesem Punkt einmal spektakulär wird und die Geschichte ein wenig am Rad dreht, darf schon vorab gesagt werden. Leider reicht dieser durchaus intensive Moment nicht, um nachhaltig zu beeindrucken.

Im Kopf bleibt zum Ende hin vor allem der Gesang eines Knabenchores, der in den letzten Minuten ertönt. Der Rest ist zum Auftakt nichts großartig Neues, nichts was der Zuschauer noch nicht gesehen hätte. Einigermaßen ordentlich umgesetzt ist die Produktion zwar, wirklich fesselnd aber nicht. Und so zeigt sich: Nicht alles, was aus Großbritannien kommt, muss automatisch großartige Unterhaltung sein. Etwas wie «Inspector Mathias» hatte auch der deutsche Fernsehzuschauer schon dutzende Male im heimischen Wohnzimmer. Man kennt es eben.

«Inspector Mathias – Mord in Wales: Die Brücke des Teufels» ist am Sonntag, 12. Juli um 21.45 Uhr im Ersten zu sehen.

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