Die Kritiker

Die „neue Heimatfarbe“ bietet wenig Neues

von

Die Kritiker: Eine moderne Variante der Heimatreihen sollte «Lena Lorenz» sein. Wirkliche Neuheiten lassen sich aber nicht erkennen.

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Patricia Aulitzky («Falco – Verdammt, wir leben noch») als Lena Lorenz, Eva Mattes («Tatort – Blum und Perlmann») als Eva Lorenz, Fred Stillkrauth als Leopold Lorenz, Raban Bieling («Buddenbrooks») als Bastian, Liane Forestieri als Julia Obermeier, Marc Ben Puch («Block B») als Alexander Meissner, Bülent Sharif («GSG 9») als Ersun Hunal, Pablo Sprungala («SOKO Leipzig») als Franz, Sebastian Edtbauer («Wege zum Glück») als Schorschi, Thomas Limpinsel («Schulmädchen») als Dr. Keller, Michael Roll («Der König») als Egon Huber und Birte Glang («Agent Ranjid rettet die Welt») als Susanne


Hinter den Kulissen: Regie: Michael Kreindl, Buch: Mathias Klaschka und Astrid Ströher, Musik: Titus Vollmer, Kamera: Stefan Spreer, Schnitt: Haike Brauer (Teil 1), Philipp Schmitt (Teil 2), Produktion: Zieglerfilm München

Eine „neue Heimatfarbe“, so preist das ZDF seine jüngste Heimatreihe an. Auf den Titel «Lena Lorenz» hört diese und nicht nur der Beruf der Protagonistin mutet direkt einmal alles andere als modern an: Hebamme ist die junge Dame, die überraschenderweise auf den Namen Lena Lorenz hört. Sie wohnt – wie es sich für eine echte Heimatreihe gehört – in Berlin. Dieser Fakt stiftet allerdings nur im ersten Moment Verwirrung, Aufklärung folgt nämlich auf dem Fuße. Aus dem tiefsten Bayern stammt die Dame (gespielt von Patricia Aulitzky) eigentlich. Und nicht nur in der Beziehung mit ihrem Verlobten Alexander (Marc Ben Puch) läuft nicht alles rund, auch bei der Arbeit gibt es jede Menge Stress. Grund genug kurzerhand in die Heimat abzuhauen. Zufällig sieht die Protagonistin dann auch noch eine Werbeanzeige des Freistaats Bayern, die sie auffordert, doch dorthin zu kommen. Die Investitionen des FilmFernsehFonds Bayern scheinen sich also gelohnt zu haben, sollte man meinen. Stimmt aber nicht: Für die Produktion gab es keinerlei Filmförderung, die Werbung war also sogar umsonst. Et voilà: Wir sind auf dem Land angekommen – wenn der Zuschauer nach dieser dümmlichen Einführung nicht längst fluchtartig nach der Fernbedienung gegriffen hat.

Jeder der diesen begrüßenswerten Schritt nicht gegangen ist, muss im Folgenden die Familiengeschichte von Lena mit ansehen. Wirklich viel Überraschendes bietet diese jedoch nicht. Spätestens als die mürrische Mutti zur Begrüßung ihrer seit längerer Zeit ungesehen Tochter „Was machst Du denn da?“ blökt, ist klar: Die Familien-Fronten sind verhärtet. Lena stand ohnehin immer auf Seite der Männer des Hauses. Nach dem Tod ihres Vaters blieb allerdings nur ihr Großvater, der mittlerweile nicht nur krank ist, sondern sich noch immer nicht besonders gut mit Lenas Mutter versteht. Dass Mutti es der Tochter übel genommen hat, dass sie „einfach so“ nach Berlin abgehauen ist, muss wohl nicht erwähnt werden, ebenso wenig wie die wirtschaftlichen Probleme, die der kleine Hof hat. Auch bei der Inspektion des Inhalts fragt sich der Zuschauer also in jeder Sekunde, wo denn die Innovation oder auch nur die Moderne sein soll? Doch keine Sorge: Immerhin diese Suche beschäftigt über die volle Laufzeit, wenn es schon die Produktion selber nicht schafft.


Und auch für Feministinnen und Feministen gibt es etwas zu tun: Lenas Verlobter Alex, seines Zeichens Anwalt, hat immer einen dummen Spruch parat. Ob er seiner Lena erklärt, dass er ja eigentlich genug für zwei verdiene und ihre Arbeit ohnehin unnötig sei oder, ob er als eine Art Entschuldigung meint: „Reibung erzeugt nun mal Wärme…und heißen Sex“ – man fragt sich schon, wer denn ein solches Drehbuch verfasst hat. Die Hoffnung auf Besserung, sie wird immer schwächer. Gleiches gilt für den Willen vor dem Fernseher sitzen zu bleiben, denn die Story hüpft von Peinlichkeit zu Peinlichkeit. Da wäre zum Beispiel eine besoffene Lena (obschon sie eigentlich als unfassbar trinkfest charakterisiert wird), die auf das Fahrrad aufsteigt und ihrer ehemaligen besten Freundin (die natürlich sauer ist, weil Lena „einfach so“ das Dorf verlassen hat) einen Stein durchs Fenster wirft, um Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Dass Lena natürlich nicht „einfach so“ gegangen ist, spielt weder für die Freundin noch für Lenas Mutter irgendeine Rolle. Da wäre außerdem eine Szene, in der Lena (in diesem Fall wirklich „einfach so“) in das verwaiste Zimmer einer jungen Dame eindringt, die gerade ein Kind geboren und anschließend die Flucht ergriffen hat. Offensichtlich scheinen die Verantwortlichen einen eher schwach ausgeprägten Sinn dafür zu haben, was als absurd empfunden werden könnte. Solche Momente werden jedenfalls definitiv so wahrgenommen.

In der Regel ist es ja dann zumindest die Moral, die eine Heimatreihe auszeichnet. In diesem Fall scheint man aber auch diese Frage nicht allzu ernst zu nehmen: Die in ihrer Beziehung nicht ganz glückliche Lena lernt in ihrer Heimat zufällig den Lehrer Ersun Hunal (Bülent Sharif) kennen (ein Türke als Lehrer auf dem Land – vielleicht soll dies ein moderner Aspekt sein). Den findet sie offenkundig ganz süß. Als die beiden, unterwegs zu einem gemeinsamen Kneipenbesuch (hochromantisch), noch kurz bei ihrem Elternhaus stoppen wollen, ist dann aber plötzlich Alexander da. Doch Lena bewahrt einen kühlen Kopf, schlingt sich um ihren Verlobten und tut so, als hätte es (den noch immer anwesenden) Ersun nie gegeben. Das muss echte Liebe sein.

Abseits von kotz-harmonischer Feelgood-Musik wurden dem Score noch einige Heimatsounds beigemischt, gelegentlich wird es auch chartig, bleibt aber so oder so durchweg penetrant und mies. Dass die Darsteller zumeist mittelmäßig agieren, ist bei alldem schon fast positiv zu vermerken. Nicht mehr erwähnt werden muss hingegen die Harmonie zum Ende des ersten Teils, wobei natürlich genug Konfliktlinien offen bleiben, um auch den zweiten Part damit zu füllen. Für diese ersten beiden Parts mag es dann auch noch einigermaßen glaubwürdig zu vermitteln sein, warum Lena noch immer nicht in die Stadt zurückgekehrt ist, auch hier wirkt es aber schon ein Stück weit an den Haaren herbeigezogen. Spätestens aber, wenn die Reihe noch über mehrere Episoden hinausgehen sollte (was angesichts der Qualität kaum zu empfehlen wäre), müssten sich die Autoren sehr gut überlegen, wie man das anständig vermitteln will.

Die Hoffnung aber, sie stirbt bekanntlich zuletzt. In diesem Falle ist es nur zweitrangig die Hoffnung, dass die Qualität einen steilen Weg bergauf nehmen könnte. Viel mehr zittert man als Zuschauer, dass die Reihe keine Fortsetzungen mehr bekommt und, dass man ebenso nicht zum Einschalten gezwungen wird. Ein Rätsel jedenfalls bleibt, wo «Lena Lorenz» die versprochene „neue Heimatfarbe“ sein soll. Vielleicht, weil man gelegentlich auf schnelle Schnitte gesetzt hat, deren Wirkung sich aber nie wirklich breit machte? Eventuell. Vielleicht auch, weil man einigermaßen lieblos die (modernen?) Themen Altersdemenz und Homosexualität gestreift hat? Eher nicht. Aber was denn? Bitte, liebe Verantwortlichen, erklärt es. Oder nein, erklärt es nicht. Aber dann lasst das mit der neuen Reihe auch gleich ganz bleiben. Damit wäre viel mehr getan. Danke.

«Lena Lorenz» ist am Donnerstag, 9. April um 20.15 Uhr im ZDF zu sehen. Den zweiten Teil gibt es eine Woche später auf dem gleichen Sendeplatz.

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