Die Kino-Kritiker

«Brick Mansions»

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Der letzte Film, den Paul Walker vor seinem Ableben komplett abdrehen konnte, ist das Remake eines Action-Geheimtipps aus Frankreich. Lohnt sich ein Kinobesuch oder sollte man sich lieber das Original auf DVD kaufen?

Hinter den Kulissen

  • Regie: Camille Delamarre
  • Produktion: Luc Besson, Ryan Kavanaugh, Tucker Tooley und Christophe Lambert
  • Drehbuch Luc Besson und Robert Mark Kamen
  • Musik: Trevor Morris
  • Kamera: Christophe Collette
  • Schnitt Carlo Rizzo und Arthur Tarnowski
2004 nahm sich der französische Actionfilm «Banlieue 13» auf exzentrische, unterhaltsame Weise dem sozialen Gefälle zwischen dem Zentrum von Paris und den direkten Vororten an. Der mit rasanten Parcours-Szenen gespickte, mit Gewalt und dunklem Humor nicht geizende Streifen erhielt fünf Jahre später eine an den heimischen Kinokassen noch erfolgreichere Fortsetzung. Beide Teile kamen auch international bei Genrefans, die den Blick über den Hollywood-Tellerrand hinaus wagen, sehr gut an. Dem Ko-Autoren und Produzenten Luc Besson war dies jedoch nicht genug, weshalb er mit «Brick Mansions» den Stoff für ein internationales Massenpublikum neu auflegt. Die Handlung wurde dafür in eine nahe Zukunft gelegt, außerdem spielt die Story nun in der wirtschaftlich geplagten US-Stadt Detroit. Mit «Fast & Furious»-Star Paul Walker und Rapper RZA angelte sich Besson zudem zwei weltweit bekannte Aushängeschilder für das Remake, das um einige der rauen Ecken und Kanten der Originalfilme erleichtert wurde.

Aber der Reihe nach: Die Regierung will sich nicht länger mit der wachsenden Kriminalitätsrate der finstersten Ecken Detroits auseinandersetzen und beschließt kurzerhand, eine gewaltige Mauer rund um die Problemviertel zu errichten. Die Ein- und Ausreise wird an der Grenze zur „Brick Mansions“ getauften Ganovenenklave streng kontrolliert. Während sich die Wirtschaft außerhalb des Armenviertels erholt, nehmen innerhalb der Mauern Gewalt, Erpressung und Drogenhandel nie erahnte Ausmaße an. Zu den wenigen Menschen, die noch daran glauben, dass Brick Mansions nicht völlig verloren ist, zählt der exzellente Undercover-Cop Damien Collier (Paul Walker), der einen Drogenboss nach dem anderen stellt. Sein lang ersehntes Ziel ist Tremaine Alexander (RZA), der ruchlose Machthaber in Brick Mansions. Gegen diesen führt der Idealist Lino (David Belle) einen erbitterten Kleinkrieg, weshalb Damiens Vorgesetzte eine Kooperation zwischen dem Cop und dem sportlichen Kriminellen vorschlagen. Doch so sehr Linos Feldzug gegen Tremaines Drogenimperium von einem Ordnungsdrang getrieben sein mag: Einst ermordete Lino einen Polizisten und auch heute sind seine Methoden fragwürdig. Kann Damien ihm also wirklich vertrauen?

«Brick Mansions» ist, wie in der Presse intensiv besprochen, der letzte Film, den Paul Walker vor seinem tödlichen Unfall komplett abdrehen konnte. Aufgrund einiger Mängel, die Inszenierung und Drehbuch des Films aufweisen, stellt dieses Projekt zwar keinen denkwürdigen Abschied dar, Walkers Performance aber lässt keine Wünsche offen. Er fühlt sich in seiner Rolle als energisch arbeitender, menschlich zurückhaltender Undercover-Polizist sichtbar wohl und füllt sie mit sympathischer Bodenständigkeit aus. Walkers Jedermann bleibt im direkten Vergleich zu seinem Mitstreiter Lino dennoch relativ profilarm. David Belle, der diese Rolle bereits im französischen Original spielte, bekommt als flinker, wendiger Kleinkrimineller mit komplexen Moralvorstellungen schlicht die interessantere Figur zugeteilt, obendrein ist er Dreh- und Angelpunkt der visuell aufregendsten Actionmomente des Films. Belle ist Miterfinder der Sportart Parcours und noch heute einer der Besten seiner Zunft, was seine erstaunlichen Sprungstunts in «Brick Mansions» mehrmals unter Beweis stellen.

Wenn Belle nicht gerade über Dächer, durch Fenster hindurch oder an Wänden entlang springt oder er und Walker wild zankend eine chaotische Autoverfolgungsjagd bestreiten, verliert dieser Streifen allerdings an Faszination. Regisseur Camille Delamarre (Cutter von «Transporter 3») spult ein Gros der Actionszenen zu schnell herunter, setzt zu oft die Schere an und lässt die Kamera zu sehr wackeln, weshalb nicht einmal jede der Parcours-Einlagen richtig sitzen will. Die restlichen Actionmomente sind weitestgehend spannungsarm und ohne Biss inszeniert.

Ähnlich stark runtergebrochen wirkt die Erzählweise: Nach einem packenden Intro verliert «Brick Mansions» für eine längere Strecke an Stimmung und Rasanz, nur um dafür gegen Ende mit eiligen Entwicklungen und plötzlichen Twists zum Finale zu hechten. Der authentisch wirkende, zynische Realitätssubtext der «Banlieue 13»-Filme (hierzulande unter dem Gewöhnungsbedürftigen Titel «Ghettogangz» erschienen) macht Platz für klischeehafte, dick aufgetragene Figurenzeichnungen, die sich mit dem urban-realistischen Look des Schauplatzes beißen. Mit einem Minimum an pointierten Wortgefechten und sonstigen Schnörkeln verspricht dieses Remake, ein geradliniger Actionstreifen zu werden – dann jedoch tauchen Figuren wie die von Ayisha Issa verkörperte SM-Kampflesbe Rayzah auf, die viel mehr in ein überdreht-augenzwinkerndes Genrekonzentrat wie «Crank 2: High Voltage» gehören als in die sonst so stringente Produktion «Brick Mansions».

Solch unpassender Farbkleckse zum Trotz ist Camille Delamarres Actionstück austauschbarer geraten als die «Ghettogangz»-Originale, die mit kompromissloseren Gewaltspitzen, einem höheren Maß an furios choreographierten Parcours-Sequenzen und rauerem Humor aus der Masse herausstechen. Was «Brick Mansions» dafür sehr wohl mit dem ersten «Ghettogangz» gemein hat: Die finale Storyentwicklung rund um eine zu entschärfende Bombe im Armenviertel erscheint in beiden Filmen tonal unpassend. Während das französische Original diesen Twist jedoch dank seines satirischen, auf die Banlieuekämpfe reagierenden Subtextes als Wunschdenken abtun kann, geht dem Remake diese Ausrede abhanden. Dass «Brick Mansions» daraufhin sogar vielen seiner Figuren frei nach dem Motto „Nun, da ich weiß, dass es größere Übel als dich gibt, habe ich dich plötzlich lieb“ ein Gute-Laune-Ende beschert, lässt den Schluss gar ins Lächerliche abdriften.

In Nordamerika nahm die französisch-kanadische Gemeinschaftsproduktion trotz einer sehr hohen Kopienzahl von mehr als 2.600 Kinos zum Start nur maue 9,5 Millionen Dollar ein, insgesamt standen enttäuschende 20 Millionen Dollar zu Buche. Und dies trotz des vermeintlichen Neugierde-Bonus, wie sich Paul Walker in seiner letzten, komplett gefilmten Rolle schlägt. Auch in Deutschland steht kein alles überragender Kassenerfolg zu erwarten, was angesichts der gebotenen Qualität auch keinen Beinbruch darstellt. Mit «Fast & Furious 7» werden Walker-Fans kommendes Jahr einen wesentlich spektakuläreren Abschied vom zu früh verstorbenen Darsteller nehmen können als nun mit «Brick Mansions». Und Kinogänger, die das Konzept dieser 28-Millionen-Dollar-Produktion interessant finden, können das feschere, kurzweilige Original «Ghettogangz» mittlerweile zum Preis einer «Brick Mansions»-Kinokarte auf DVD oder Blu-ray erstehen.

«Brick Mansions» ist ab dem 5. Juni 2014 in vielen deutschen Kinos zu sehen.

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