Die Kritiker

«Ein todsicherer Plan»

von  |  Quelle: Inhalt: ARD

Der Versuch, billige Menscheleien in einem kammerspielartig umgesetzten Geiselnehmer-Stoff unterzubringen, musste missglücken. Trotz Anklängen an «Dog Day Afternoon».

Hinter den Kulissen

  • Produktion: SWR
  • Drehbuch: Holger Karsten Schmidt
  • Regie: Roland Suso Richter
  • Kamera: Jürgen Carle und Christoph Schmitz
Inhalt
Klaus Roth droht nach der Schließung seines Schreinerbetriebs auch die private Insolvenz. Er sieht nur eine einzige Chance, es von der örtlichen Bank zu bekommen: ein Überfall auf den Geldtransporter. Doch die bewaffnete Aktion gemeinsam mit dem ehemaligen Afghanistansoldaten Achim Buchert geht schief. Mit fünf Bankmitarbeitern als Geiseln verschanzen sie sich in der Filiale, während draußen die Polizei Aufstellung nimmt. Kurzfristig sieht es so aus, als könnte der örtliche Polizeihauptmeister die Situation friedlich beenden. Klaus Roth spielt bereits mit dem Gedanken aufzugeben, doch die LKA-Einsatzleiterin Beck ist zur Härte entschlossen. Buchert ist kaltblütiger als der verheiratete Roth, Vater einer Tochter, der nicht ernsthaft mit einer Eskalation gerechnet hat. Zumal Roth nicht nur für das Geld, sondern auch um seine Würde kämpft: Nie wäre sein Betrieb in die Insolvenz gerutscht, hätte ihm die Bank nicht grundlos den Kredit gekündigt. Während in der Bank die Verteidigung organisiert und unter den Bankangestellten der Kreditfall Roth diskutiert wird, bereitet draußen das LKA den Zugriff vor.

Darsteller


Richy Müller («Tatort – Stuttgart») als Klaus Roth
Martin Butzke («Alpha 0.7 – Der Feind in dir») als Achim Buchert
Julia Brendler («Dolphins») als Alexandra Beck
Christian Beermann («Mord in den Dünen») als Martin Huttenlocher
Claudia Eisinger («Nacht über Berlin») als Miriam Nohe
Michaela Caspar («Stromberg») als Gisela Rilling
Frederick Lau («Die Welle») als Sascha Schmidt

Kritik


Von der ARD ist kein «Dog Day Afternoon» zu erwarten. Die Gründe, warum man das schon von vornherein sagen kann, sind zahlreich. Doch «Ein todsicherer Plan» kommt an diesem Vergleich kaum vorbei. Die dramaturgische Grundsituation ist nahezu die selbe, die Anleihen sind zahlreich – vor allem aber kann «Dog Day Afternoon» nahezu als Lehrstück herhalten, wie man ein spannungsgeladenes Kammerspiel schreiben, drehen und spielen muss, wie man konsequent die Spannung hochhält, wie man deutlich, aber unprätentiös die Sympathien auch auf die Täter lenken kann, ohne ins Exkulpieren zu kommen, wie man thematisch vielschichtig, aber doch hoch plotgetrieben erzählt.

Im Vergleich mit diesem grandiosen Film ist «Ein todsicherer Plan» freilich ein Witz. Doch das scheint weniger daran gelegen zu haben, dass Richy Müller eben kein Al Pacino ist, sondern vielmehr am Hintergrundrauschen des öffentlich-rechtlichen Fernsehfilmbetriebs, der künstlerische Radikalität, wie man sie für einen Stoff über ein Geiseldrama braucht, nicht zulässt.

Dabei beginnt dieser Film hervorragend. Obwohl das Tempo von Anfang an hoch ist, bildet sich rasch eine starke psychologische Ebene heraus, die grundsätzliche Fragen über Täter-Opfer-Beziehungen, Schuld und Sühne stellt, entstehen interessante und toll inszenierte Szenen um die Bankräuber Roth und Buchert, denen ihr Unterfangen bald völlig aus der Hand gleitet.

Aber dann schlägt er zu, der öffentlich-rechtliche Duktus, mit Pathos und einem völligen Widerwillen zu jeglicher Komplexität in Moral- und Ethikfragen. „Zuerst hat die Bank mich überfallen“, schreit der bankrotte Roth der draußen versammelten Menschenmenge zu, die ihm daraufhin, wie die Menge in «Dog Day Afternoon» auf Sonnys „Attica“-Rufe, kräftig zujubelt. Als das Höchste der intellektuellen Gefühle muss es gelten, wenn man ein bisschen Brecht paraphrasiert – und statt subtil Sympathien zu lenken, indem man starke Figuren sich im eigenen Duktus erklären lässt, wird die Mär' vom Opfer der Bankenzockerei in den Stoff geflochten, um sich aktuell zu fühlen.

Wäre das ein kleiner Lapsus gewesen; man hätte ihn angesichts des bis dahin weitgehend intelligenten Drehbuchs verziehen. Doch es zieht sich weiter: Die vertrackten Strukturen der Geldanlagen von Banken werden mühsam dialogisiert, eher um aufzuklären, anstatt um zu wirken, während am Schluss die Botschaft noch einmal ganz klar werden muss: „Es kann nicht sein, dass die mit uns handeln“, muss die Bankräubergattin mit großen, bedrückten Augen sagen, damit die filmische Wirkung endgültig dem Brecht'schen Lehrstück weichen kann, dem das Potential eines vereinnahmenden, dynamischen Kammerspiels, das sich im ersten Drittel erahnen lässt, schonungslos geopfert wird.

Hinzu kommt, dass die Konflikte unter den Geiseln ziemlich billig geschrieben sind, wahrscheinlich mit dem Versuch, schnell noch ein paar Identifikationspunkte mitzunehmen: Das Büromäuschen erwartet ein Kind vom Dienstvorgesetzten, bandelt aber in der Extremsituation mit dem Schisser an – all das unter den Augen des zur alten Jungfer stilisierten Bürodrachens. Man hat schon intelligentere, vielschichtigere Figurenorchestrierungen gesehen.

All die guten Ansätze, die eines feingeistigen Kammerspiels, die clevere dramaturgische Struktur, das mitreißende Spiel von Richy Müller und Martin Butzke sowie der Geiseldarsteller, die intelligenten Anklänge an die Rolle der Presse im Gladbecker Geiseldrama, all das verhallt in zwei qualitätswidrigen Eigenschaften, die ARD und ZDF so vielen ihrer Fernsehfilme oktroyieren wollen wie möglich: billiger Menschelei (oft fehlinterpretiert als Identifikationspotential) und banalisierter Realitätsbezug.

Das Erste zeigt «Ein todsicherer Plan» am Mittwoch, den 14. Mai um 20.15 Uhr.

Kurz-URL: qmde.de/70679
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