Die Kritiker

«Tatort: Zwischen zwei Welten»

von  |  Quelle: Inhalt: ARD

Weg vom Schmuddelimage. Das Luzerner Team ist so tatortig geworden, dass es einen umhaut. Eine Rezension von Julian Miller.

Hinter den Kulissen

  • Produktion: Zodiac Pictures Ltd.
  • Drehbuch: Evelyne Stähelin und Josy Meier
  • Regie: Michael Schaerer
  • Kamera: Stéphane Kuthy
Inhalt
Donna Müller wird von einer Brücke gestoßen und ist sofort tot. Der Fall führt die Luzerner Tatort-Ermittler rund um Reto Flückiger und Liz Ritschard zu drei Kindern, die von drei verschiedenen Vätern stammen. Das städtische „Care-Team" wird gerufen, und die Kinder der Verstorbenen werden zur Beobachtung ins Kinderspital gebracht.

Weder die Kinder noch Donnas engste Freundin Biljana Lukovic wissen, was Donna am Abend ihres Todes vorhatte und wer ein Interesse an ihrem Tod haben könnte. Einzig Daniele Rossi, der Vater der Ältesten, Emma, macht sich durch seine hasserfüllten Aussagen über Donna und seine Mitgliedschaft in einer radikalen Männerrechtlergruppe verdächtig. André Barmettler, der Vater der Jüngsten, Alisha, wohnt zwar in Luzern, hat aber weder zu seiner Tochter noch zu Donna Kontakt. Er ist verheiratet, und das Mädchen war das Ergebnis eines Seitensprungs. Auch Ravi sieht seinen Vater Alain Schaller, der in Indien in einem Ashram weilt, kaum.

Donna hat eine Ausbildung zur „Spirituellen Heilerin" gemacht, und ihr Lehrer Pablo Guggisberg, dem die übersinnliche Fähigkeit zugeschrieben wird, mit Toten kommunizieren zu können, bietet der Polizei seine Hilfe an. Liz Ritschard kann über einen solchen Blödsinn nur lachen, denn für sie ist klar, dass Daniele Rossi, der im Dauerstreit mit seiner Exfrau lag, für deren Tod verantwortlich ist. Flückiger hingegen glaubt nicht an Rossis Schuld. Weil der Fall stagniert, nimmt er das Angebot des spirituellen Heilers an. Aber die Sitzung führt zu nichts. Das Medium erklärt, der Kontakt zur toten Donna sei plötzlich abgebrochen. Kann Pablo Guggisberg tatsächlich mit Toten reden und Donna will ihren Mörder nicht preisgeben? Oder weiß Pablo Guggisberg mehr, als er zugibt?

Darsteller


Stefan Gubser («Sabine!!») als Reto Flückiger
Delia Mayer («Die Cleveren») als Liz Ritschard
Sabine Schneebeli («Bon appétit») als Yvonne Veitli
Suly Röthlisberger («Der Bestatter») als Elsa Giger
Jean-Pierre Cornu («Tatortreiniger») als Eugen Mattmann
Hans-Caspar Gattiker als Daniele Rossi
Stojcetovic Danijela Milijic als Biljana Lukovic

Kritik


Man ist vom Schmuddelimage weggekommen und gilt nicht mehr als der Bodensatz des «Tatort»-Franchises. Zumindest, seit die Kollegen in Saarbrücken ihre Arbeit aufgenommen haben. So desaströs wie es vor drei Jahren in der Schweiz anfing, konnte es allerdings auch nur bergauf gehen.

Die ARD gibt dem Luzerner Team durch die Programmierung der neuen Folge am Ostermontag einen Vertrauensbeweis. Obwohl: Das lässt sich auch anders verstehen. Am nächsten Weihnachtsfest liefern nämlich die vielgescholtenen Kollegen aus dem Saarland den Event-«Tatort». Die Ausstrahlung am Feiertag sollte man also vielleicht weniger als Zuckerbrot, sondern eher als Peitsche verstehen. Jetzt muss mal was kommen, ihr Sorgenkinder.

Jedenfalls hat man dazugelernt in der Schweiz. Man sieht auch schnell, wo man sich so inspirieren hat lassen. In Dortmund jedenfalls nicht. Dafür ist der neue Stoff aus der Eidgenossenschaft zu behäbig, zu banalisiert umgesetzt, zu anbiedernd, schmierig, vereinfachend. Luzern sieht eher nach Köln und München aus. Da, wo man Checklisten vermuten könnte, mithilfe derer man sich jeden beliebigen Stoff fröhlich auf DinA-«Tatort» hobelt.

Und so gilt auch in Luzern: Bloß nicht zu intellektuell. Gesellschaftlich relevant, ja, aber nicht zu fordernd. Am Schluss sieht das ziemlich seltsam bis befremdlich aus, wenn es aus Mangel an intellektueller Radikalität doch wieder der breite Konsens lösen soll: Eine Männerrechtlergruppe um paranoide Väter, die hinter jeder Ecke feministische Intrigen vermuten und es ihren Ex-Frauen mit allen Mitteln heimzahlen wollen, wird kontrastiert zu einer alleinerziehenden Mutter, die drei Kinder von drei verschiedenen Vätern hat. „Kinder brauchen Väter“, schmettert die Bassline, und auch wenn es sicherlich zu weit geht, der prozessierenden Ex-Frau nachzustellen, irgendwo soll man die degenerierten Herren vom Stammtisch dann doch wieder verstehen. Kinder brauchen schließlich Väter, ne? Und drei Kinder von drei Vätern, das darf man ja alles, jeder wie er möchte, wir sind schließlich eine offene Gesellschaft, gerade in der Schweiz, aber ein bisschen suspekt ist es ja schon, oder?

Auch an anderen Stellen lässt sich schnell erkennen, wie groß die Bemühungen sind, sich in den Mainstream des «Tatort»-Sonntags einzugliedern: Beim kurzen Abhaken des Privatlebens der Hauptfigur – „Mich beschäftigt manchmal, dass ich allein bin, wenn ich mal ins Gras beiße“, darf Gubser zwischendurch betont ins Nichts starrend sagen, zu seiner Kollegin bei einem Bierli. Beim Versuch, einerseits Authentizität anzustreben, andererseits aber permanent zu überzeichnen, bei all den wohldosierten Ausrastern, die MacGuffin-haft immer dann platziert werden, wenn's gerade besonders dünn wird. Und natürlich, wenn man ein paar Referenzen einbaut, die nur die Kenner entdecken werden. «Strangers on a Train», anyone?

„Mit diesem «Tatort» sehen wir schlecht aus“, hieß es vor drei Jahren vor der Premiere des Luzerner Teams, die nach massiver interner Kritik nochmal durch den Schneideraum musste. In diesen drei Jahren ist einiges passiert: Die Schweizer sind im sonntagabendlichen ARD-Mainstream angekommen. Im Guten wie im Schlechten.

Das Erste zeigt «Tatort – Zwischen zwei Welten» am Ostermontag, den 21. April um 20.15 Uhr.

Kurz-URL: qmde.de/70211
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