Die Kritiker

«Tatort - Die chinesische Prinzessin»

von

Boerne und Thiel sind zurück: Autor Orkun Ertener erzählt den Fall diesmal allerdings ganz anders und ziemlich ungewohnt. Nicht all seine Pläne gehen zudem auf. Unsere große Kritik.

Inhalt:


«Tatort: Die chinesische Prinzessin» - Hinter den Kulissen

  • Produktion: Müller & Seelig Filmproduktion GmbH
  • Produzentin: Jutta Müller
  • Buch: Orkun Ertener
  • Regie: Lars Jessen
  • Musik: Stefan Wulff
  • Kamera: Jana Marsik
Auf einer Kunstausstellung lernt Boerne die chinesische Prinzessin und Künstlerin Songma kennen. Die beiden verstehen sich auf Anhieb und Songma zeigt Interesse an Boernes Arbeit. Also entschließt er sich die Prinzessin mit in die Pathologie zu nehmen. Doch die Prinzessin hat mehr im Sinn als einfach nur ein paar Tote zu sehen. Langsam beginnt sie Boerne zu verführen. Als am nächsten Morgen Thiel in die Pathologie gerufen wird, findet er ein schreckliches Szenario vor. Auf dem Obduktionstisch liegt die Prinzessin mit aufgeschlitzter Kehle und Boerne wird mit einer enorm hohen Konzentration Koks im Blut gefunden. Er steht unter Mordverdacht und kann sich an nichts mehr erinnern. Thiel will seinem Kollegen unbedingt helfen, doch der Fall wird immer undurchsichtiger. Erst wird ein chinesischer Diplomat dabei erwischt wie er Beweise vernichten will, dann taucht auch noch ein Mitglied der chinesischen Mafia „Triaden“ auf.

Besetzung:


Axel Prahl («Das Millionen Rennen») als Frank Thiel
Jan-Josef Liefers («Der Baader Meinhof Komplex») als Dr. Karl-Friedrich Boerne
Mechthild Großmann («Zwerg Nase») als Staatanwältin
Friederike Kempter («Mann tut was Mann kann») als Nadeshda Krusenstern
Maverick Quek («Die Fallers») als chinesischer Diplomat

Kritik:


Es ist fast ein bisschen überflüssig, dass die Namen von Jan-Josef Liefers und Axel Prahl zu Beginn des neuen Münsteraner Tatorts «Die chinesische Prinzessin» über den Bildschirm flackern, denn mittlerweile hat sich das Duo zum bekanntesten und beliebtesten «Tatort»-Team entwickelt. Das lag zu einem Großteil am Witz, den die beiden versprühten, wenn sie sich in ihren Wortgefechten an die Gurgel gingen. Doch in diesem «Tatort» ist alles anders. Boerne steht unter Mordverdacht und landet in U-Haft. Sein vorlautes, arrogantes Mundwerk bekommt der Zuschauer kein einziges Mal zu hören. Und Thiel, er ist halt Thiel: Immer noch schnell zu reizen mit einem Hauch von hanseatischer Lässigkeit, nur diesmal in großer Sorge um seinen Kollegen.

Drehbuchautor Orkun Ertener («KDD», «Die Chefin») versucht im neuen «Tatort» die Beziehung der beiden in neue Bahnen zu lenken, scheitert aber am eigentlichen Konzept des Münsteraner Krimis. Der Versuch die Beziehung auf eine neue Ebene zu bringen ist dabei durchaus mutig und richtig. Eine Charakterentwicklung in einem mittlerweile schon elf Jahre alten Krimiformat kann ja durchaus interessant sein und neue Ideen bringen. Im Fall von Boerne ist diese Entwicklung auch wirklich glaubwürdig. Jan-Josef Liefers dabei zuzuschauen wie er an sich selbst verzweifelt, passt hervorragend zur Rolle. Es kommt eine unbekannte Seite von Boerne zum Vorschein, mit der man so nicht gerechnet hat. Dem Zuschauer ist es dabei selbst überlassen, ob er nun Mitleid oder leichte Schadenfreude für den sonst so unausstehlichen Boerne empfinden soll. Bei Thiel ist eine Veränderung weniger erkennbar.

Dass er sich wirklich Sorgen um seinen Kollegen macht, merkt man nur daran, dass er noch schneller von Zeugen, der Staatsanwältin und anderen gereizt ist als sonst. Mehr oder weniger Veränderung hin oder her, ein Problem des neuen «Tatort» ist, dass diese beiden Entwicklungen nicht wirklich ineinandergreifen. Dazu haben sie auch keine Gelegenheit, denn Boerne sitzt in U-Haft und wenn er mal draußen ist, darf er nichts zu den Ermittlungen beitragen.

Natürlich lässt sich Boernes Mundwerk nicht ganz verschließen, denn zu sagen hat er trotz Trauma immer etwas. Allerdings fehlt hier jegliche Bissigkeit und Überheblichkeit, die die Rolle sonst auszeichnet. Der fehlende Humor wird durchaus zum Problem für die Krimiproduktion. Auch wenn der Witz wohl das Kernelement im Münsteraner «Tatort» ist, hätte er auch ohne funktionieren können, doch schafft es der eigentliche Kriminalfall nicht diese Lücke zu schließen. Erwecken der Mord an Songma, die Festnahme des chinesischen Diplomaten und der sehr sonderbare Museumsdirektor am Anfang noch Spannung und das Verlangen nach einem großen Fall, verliert sich das ganze Konstrukt nach einer halben Stunde. Für Thiel und den Zuschauer sind die Unterdrückung türkischsprachiger Uiguren durch die chinesische Regierung und die Machenschaften der Triaden einfach viel zu weit weg, um sie wirklich vernünftig nachvollziehen zu können. So wird der Fall schnell uninteressant und es geht nur noch darum, Boernes Unschuld zu beweisen. Selbstverständlich weiß man aber, dass Thiel das sowieso schaffen wird.

So wird versucht, den Witz an anderen Stellen wieder ins Boot zu holen. Zum Beispiel als Thiel nach einer durchzechten Geburtstagsparty am nächsten Morgen mit Filmriss aufwacht und sich nicht ganz sicher ist, ob er mit seiner Kollegin Nadeshda geschlafen hat. Das funktioniert aber nur in Ansätzen und kitzelt höchstens ein leichtes Grinsen hervor. Andere Running-Gags werden zudem nicht fortgeführt. Die sonst immer für einen herrlichen Lacher zu habende Frau Staatsanwältin spielt das Spiel der besorgten Kollegin mit, was die Geschichte zwar glaubhaft macht, aber nicht zu ihrem Gelingen beiträgt und Thiels Taxi fahrender Vater kommt fast gar nicht zum Zug.

Hinzu kommt, dass der Kriminalfall nicht konsequent zu Ende gedacht wird. Zwar gibt es bis zu einer der letzten Szenen noch mehrere Täter, die infrage kommen, die Auflösung interessiert aber nicht mehr. Dementsprechend bleibt diese dann auch so nüchtern wie unspektakulär. Des Weiteren wird der chinesische Diplomat, der schnell zum kleinen Hassobjekt für den Zuschauer wird, lediglich des Landes verwiesen. Realistisch? Ja, aber überaus unbefriedigend. Wenn man dann noch bedenkt, dass die Geschichte um den Ermittler (in diesem Fall Gerichtsmediziner), der selbst verdächtigt wird, nicht gerade die neueste ist, ist es schade, dass aus ihr nicht mehr heraus geholt wurde.

Der neue Münsteraner Tatort «Die chinesische Prinzessin» ist nicht wirklich schlecht. Dafür muss man dem Autor den Mut zu etwas Neuem einfach zu hoch anrechnen. Leider geht sein Konzept nicht ganz auf. Vielleicht hat sich Orkun Ertener mit einer so großen Charakterentwicklung und dem Versuch eine Art Politthriller zu inszenieren auch zu viel vorgenommen. Lediglich die Schauspieler um Prahl und Liefers sind wie immer sehr gut. Trotzdem ist zu hoffen, dass diese Art der Charakterentwicklung nach diesem Fall nicht gänzlich verworfen wird. Denn: Wer Fan von Thiel und Boerne ist, sollte auch hier wieder einschalten, aber eben nicht zu viel erwarten.

Der neue «Tatort» aus Münster «Die chinesische Prinzessin» läuft am Sonntag, den 20. Oktober 2013 um 20.15 Uhr im Ersten.

Kurz-URL: qmde.de/66749
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