Hingeschaut

«Take Me Out», Hear Me Out, Count Me Out?

von

«Der Bachelor», nur umgedreht. Hat die von Ralf Schmitz moderierte Sendung eine Fortsetzung verdient?

Ist er euer Mann, bleibt die Lampe an.
Drückt ihr aus, seid ihr raus.


In RTLs brandneuem Show-Balloon «Take Me Out» kommen 30 Frauen auf einen Mann – und irgendwo in Italien kann Silvio Berlusconi gerade nicht anders, als hämisch zu schnaufen. Den deutschen Normalverbraucher (wie auch Staatschef, wenn wir schon dabei sind) reizt der Aufmacher der Sendung da schon etwas mehr. Aber genau die Menge an Evas für den einen Adam, ist das nicht längst Gang und Gebe für «Ach, Elor», in Kennerkreisen auch «Der Bachelor» gennant? Ja, sicher, aber das ist der Punkt. Mit dem Format «Take Me Out», das in zahlreichen anderen Ländern schon seit Jahren erfolgreich läuft, will man eben den Spieß umdrehen. Die männlichen Kandidaten durchlaufen hierbei mehrere Runden, die ihr Profil von mal zu mal mehr schärfen, was bei den Damen dann entweder zur Unbeweglichkeit oder aber freiwilligen Ausscheidung per Buzzer führt. Letztlich entscheidet sich dann allerdings doch das jeweilige Mannsbild, welche der übrigen besseren Hälften nun die seine werden soll.

Nur ist das alles wirklich so brandneu für das deutsche Publikum? Tatsache ist, «Take Me Out» lief 2010 schon beim Bayerischen Rundfunk, moderiert von Florian Weber. Versendet hat man die Pilotfolge damals aber um 22:30 Uhr und dementsprechend zügig war die Sache dann auch wieder gegessen. Produzierendes Studio? Grundy Light Entertainment, das sich jetzt eben auch für RTLs Handstreich an der Materie verantwortlich zeichnet. Für eine Sekunde flammt die Frage auf, wo die Gesellschaft da nur hingekommen ist, dass nun schon befangenes Speed-Dating zur begehrten Show-Affäre wird. Aber weil «DSDS» im Vorfeld und «Dschungelcamp» im Nachhinein läuft, und nicht zuletzt weil das wie gesagt Köder der ganzen Sache ist, schüttelt man den Gedanken schnell wieder ab. Dennoch: was für ein Indikator ist schon der Untergang desselben Produkts in anderen Gefilden? Sagen wir es so: sowohl Steven Spielberg als auch Uwe Boll machen Filme. Und das hat gleich zweierlei Bedeutung: wenn die Ratings stimmen -und wie könnten sie es inmitten dieser Quotengaranten nicht- erübrigt sich Frage nach Qualität für die Führungsetage ohnehin. Der ewig verdrossene Kritiker muss es trotzdem wissen: hat das neue «Take Me Out» denn die Fortsetzung verdient?

Gleich vorab lässt sich sagen: zumindest in Sachen Design und Produktion bietet «Take Me Out» nichts, was man nicht schon gesehen hat. Gedreht wurde scheinbar (und vernünftigerweise) im britschen Studio der gleichnamigen Show. Der simple Bühnen-Aufbau ist genau das: simpel, und tut keinem weh. Davon abgesehen muss an dieser Stelle eine kleine Ausbesserung stattfinden. Da wären nicht nur "30 Frauen" und "ein Mann", sondern auch "ein Moderator", so die Stimme aus dem Off. Inwiefern Mann der Stunde Ralf Schmitz denn tatächlich "unvergleichlich" ist, wie man es verlauten lässt, bleibt zu klären. Fest steht: «Take Me Out»-Schmitz ist der Schmitz, den man kennt. Wo Fans also frohlocken, könnten Gegenfüßler durchaus ihre Probleme mit der Show haben. Vor allem zu Beginn der einstündigen Sendung scheint Schmitz wie auf Speed – hin und her, und dies und das, Monolog und laufen. Nicht seine Schuld. Wie eigentlich bei jeder einzelnen dieser modernen Show-Produktionen lässt man ihr, den Teilnehmern und vor allem Zuschauern viel zu wenig Zeit zum Atmen. Zwar legt sich der Stress etwas im Verlauf der Sache, aber gänzlich zur Ruhe kommt man nie. Man will, ja, muss, überzeugen, einen guten Eindruck machen. Leider verliert man dadurch an Charme und Energie. Besessene solcher Formate sehen das vielleicht anders, weil sie das Tempo inzwischen vorraussetzen. Objektiv besser macht es das aber nicht.

Zum Ablauf: Schmitz hält also einen kurzen Monolog, stellt dabei auch sofort den Unterschied zu «The Bachelor» klar, und dann laufen auch schon die Kandidatinnen im Stile einer Fashion-Show ein. Es folgt kurzes Geplänkel mit der ein oder anderen Dame seiner Wahl hinter ihrem (mit Namensschild versehenem) Pult, bevor das Quitscheentchen schließlich "zu Wasser gelassen" wird, wie Schmitz es audrückt. Der macht, wie gesagt, bis dahin ohnehin einen etwas hyperaktiven Eindruck – "Ja? Ja? Nä? Ja", sowieso. Prüfling Nummer eins ist der adrette Kölner Chris, 28 Jahre jung. Der erste Eindruck zählt, schon nehmen sich einige Ladies aus dem Spiel. Nach jedem Film, jedem kollektivem Abbuzzern, flattert Schmitz dann von Pult zu Pult und hakt genauer nach, will wissen warum denn nun "doch doch doch" oder "nein nein nein". Teilweise geschieht das immer noch viel zu schnell und macht die Angelegenheit etwas ungemütlich. Mit der Zeit aber wird alles lockerer, als Zuschauer wählt man sich seine Favoritin unter den 30 Damen und beginnt, Spaß an der Geschichte zu haben. Neben One-Linern des gut gelaunten Schmitz, verleiten vor allem die Antworten und Reaktionen des Frauenvolkes zum Lachen. Da gäbe es die gute Anita, scheinbar viel zu betrunken, um zu verstehen, dass sie buzzern muss, um den Kerl vor ihren Augen loszuwerden. Oder Jasmin, deren Lache künstlicher ist als so manches Kniegelenk. Nachdem Chris einen Breakdance hingelegt hat, entscheidet sich zum Beispiel Rebekah gegen ihn und meint, der Tanzstil sei ihr "unangenehm". Jihn, die Männer auch gern "Opfer" nennt, geht gar soweit, Chris als "spastischen Körperklaus" zu bezeichnen. Ehrlichkeit ist hier Trumpf.

Nach der jeweils letzten Runde, die entweder einen weiteren eingespielten Film über den Bewerber oder aber eine "Überraschung" bietet (in Folge eins beide Male Tanz), bleibt schließlich eine (meist) geringe Anzahl williger Frauen übrig. Die wird von den Chris', Andrés oder Jochens des Abends dann auf zwei Glückliche reduziert und eine finale Frage wie "Wenn ihr ein Tier wäret, welches wäre es?" bzw. deren Antwort gibt den Aussschlag. Daraufhin verschwindet der jeweilige Kandidat mit seiner Auserwählten hinter die Bühne und diese wird augenblicklich durch eine neue Single-Dame ersetzt. Im ersten Fall war das Leonie, die später für den Höhepunkt der Pilotfolge sorgte, indem sie Moderator Schmitz dazu brachte, den Disco Fox mit Jochen in ihren High Heels zu tanzen. "Ich hab' mich noch nie so sicher gefühlt", meinte Schmitz in seiner Rolle als Tanzpartner, "und die Füße taten mir noch nie so weh". Genau solche spontanen Momente helfen einer Show wie «Take Me Out» zu Schwung, Eigendynamik und Nachhaltigkeit.

Was sonst hat funktioniert, und was eher weniger? Gut machen sich die Einspieler, die in ihrer Informationsbreite über die Männer tatsächlich einmal Grund haben, provokativ und etwas willkürlich zu sein. So entstehen nämlich Argumente fürs Rausbuzzern. Da stellt sich die Frage, ob die Möglichkeit des Wieder-rein-buzzerns die Show interessanter oder ohne weiteres Regelwerk zu ziellos gestalten würde. Bei dem vorgelegten Zeitdruck fiel es Schmitz außerdem schwer, auf alle der 30 Damen einzugehen. Einige kamen nur einmal, oder überhaupt nicht zu Wort, wohingegen andere viel prominenter dargestellt wurden. Mehr sehen möchte man von der vermeintlichen Verbundenheit der Damen, die teils unter "Oooh"- und "Nein"-Schreien versuchten, die Buzzer anderer Mitspielerinnen vor der Hand des Bewerbers abzuschirmen. Wird die Show fortgesetzt, sollte definitiv, wie es auch bei vielen der internationalen Ablegern der Fall ist (das Original ist übrigens australisch), in jeder Folgepisode gezeigt werden, was denn nun aus den Paarungen der Vorwoche geworden ist. Damit generiert man auch automatisch einen Anreiz zum Wiedereinschalten. Möglichkeiten wie ein Celebrity Special & Co. bietet das Formt ohnehin. Fazit: Potential ist also reichlich gegeben. Mit der richtigen Justierung könnte «Take Me Out» schnell zum Hit werden. Eine Chance hat es verdient.

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