Hingeschaut

«TVLab»: Auf Skandal getrimmter Sex-Talk präsentiert sich bieder

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Die experimentelle Sex-Talkshow «Heiß und fettig» versprach verruchte Erwachsenenunterhaltung mit Niveau. Daraus wurde eine gewöhnungsbedürftige Mischung aus kindischem Gekicher und gewollt mutigen Reportagen. Mehrwert gleich Null.

Nach dem wenig gelungenen Auftakt des «TVLab 2012» präsentierte sich am späten Sonntag-Abend der zweite Kandidat dem Publikum. Die sich vorab als „gewagt“ vorstellende Sex-Talkshow «Heiß und fettig» versprach, Dinge anzusprechen, bei denen es deutlich unter die Gürtellinie gehen sollte, wollte dabei allerdings ein öffentlich-rechtliches Niveau halten. Doch wie das im deutschen Fernsehen so ist: das Thema Sex allein reicht für viele bereits zum Tabubruch – und scheint damit potentieller Anwärter auf einen Skandal. Doch die Strategie „Sex Sells“ ist alt, zieht dementsprechend kaum noch. Um sich die Aufmerksamkeit der Zuschauer zu sichern, müssen sich Verantwortliche einer Show, die auch weiterhin mit dieser Prämisse punkten möchte, schon etwas Besonderes einfallen lassen, damit aus „gewagt“ nicht „peinlich“ wird. Doch genau dies mochte «Heiß und fettig» nicht gelingen.

An der Kulisse liegt es nicht. Im Umfeld einer versifften Burger-Bude bitten die beiden Moderatoren Ulrike Schreiber, Bandmanagerin, und Jan Köppen, VIVA-Moderator, ihren Gast, den ehemaligen «The Voice of Germany»-Kandidaten Percival Duke zum frivolen Gespräch. Die Szenerie des Ladens beweist sich schnell als charakteristisch für die Themen, die in der kommenden halben Stunde angesprochen werden sollen. Ein Hochglanz-Sexmagazin will «Heiß und fettig» nämlich nicht sein. Lieber ein wenig schmuddelig, verrucht. So beginnt man mit einem plumpen Gesprächseinstieg, indem die Moderatoren ihren Gast nach dem „ersten Mal“ ausquetschen. Es folgt ein oberflächlicher Einspieler über die als „Trend“ dargestellte Tatsache, dass sich immer mehr Männer eine ältere Partnerin suchen (MILF – „Mum I’d like to f**k“) und anschließend ein als Straßenumfrage getarnter Besuch einer Pornoproduktion, um der Frage auf den Grund zu gehen, ob die Annahme „Dumm fi**t gut!“ tatsächlich der Wahrheit entspricht. Als abschließendes Highlight präsentiert «Heiß und fettig» einen im «Galileo»-Stil angelegten Test. Doch anstatt so langweilige Produkte wie Sonnencremes, Grill-Gadgets oder Tablet-PCs zu testen, fiel die Wahl in dieser Show auf nichts Geringeres als auf Masturbationshilfen für Männer. Und als wäre das nicht genug, ist die Kamera sogar beim Testen hautnah dabei. So sieht Unterhaltung im 21. Jahrhundert aus.

All diese Thematiken wären in ihrer Auswahl absolut dem entsprechend, was «Heiß und fettig» gern wäre – ein tabuloses Sexmagazin, das das zeigt, was sich andere Sendungen nicht mehr trauen würden. Doch leider hat der Talk zu viele Schwachpunkte, als dass die halbwegs mutigen Aspekte das Format noch auf den Durchschnitt hieven könnten. Die Auswahl der Themen zeigt sich wahllos: einen roten Faden sucht man vergebens. Lediglich die Tatsache, dass all die Themen im weitesten Sinne mit Sex zu tun haben, scheint ihr Dasein in «Heiß und fettig» zu rechtfertigen. Während der natürlich keineswegs ernst zu nehmende Test zum Ende der Sendung eher in die Kategorie „Comedy“ gehört, greift man in der Kurz-Doku über den „Trend zu älteren Partnerinnen“ sogar auf einen Sexualtherapeuten zurück. Damit sind die Einspieler zu unterschiedlich aufgezogen, als dass man der Sendung nun entweder eine besonders obszöne oder eher ernst zu nehmende Ausrichtung zugestehen könnte.

Bei der Wahl der Moderatoren haben die Köpfe hinter der Sendung ebenfalls kein allzu glückliches Händchen bewiesen. Allzu oft ertappt man Schreiber und Köppen dabei, wie sie auf Kommentare ihres Gasts oder des jeweils anderen lediglich mit einem kindischen Gekicher reagieren. Dabei möchte man meinen, dass gerade die Moderatoren eines solch frivolen Formats in der Lage sein müssten, die Sendung dabei zu unterstützen, ernst genommen zu werden. Das ähnlich ausgerichtete Format «Im Bett mit Paula», das seit einer Weile bei ZDFkultur zu sehen ist und von der Journalistin Paula Lambert moderiert wird, zeigt sich in seiner Aufmachung zwar zugeknöpfter als «Heiß und fettig», nimmt sich jedoch zu weiten Teilen ernster und präsentiert sich damit wesentlich authentischer. Mit der Art, auf in der Thematik durchaus ernste Kommentare seitens ihres Gastes lediglich mit einem Grinsen oder blöden Kommentar zu reagieren, nehmen die beiden Moderatoren viel Authentizität aus ihrer eigenen Sendung und geben sie somit teilweise sogar der Lächerlichkeit preis.

Das schafft auch die Reporterin, die für das Magazin auf der Straße unterwegs ist und zu der These „Dumm fi**kt gut!“ zunächst Passanten und anschließend Pornodarsteller befragt. Denn auch sie quittiert abgegebene Kommentare entweder mit einem blöden Spruch oder Dauergrinsen. Doch es bestünde gerade darin die Kunst, auch bei noch so anrüchigen Themen die Ernsthaftigkeit zu wahren. Damit würde man sich zwar nicht automatisch einen Skandal basteln, jedoch weitaus anrüchiger erscheinen, als die Konkurrenz.

Auch bei der Gestaltung der Beiträge möchte das Feeling, man befände sich in einem mutigen Sex-Magazin, nicht aufkommen. Nackte Haut sieht man nicht. Mithilfe von bemüht lustiger Zensur, etwa einem Balken in Penis-Form über dem zu zensierenden Geschlechtsteil, wäre «Heiß und fettig» gerne lustig – gibt sich damit aber nur noch biederer als es eigentlich ist. Nun möchte der Zuschauer zur besten Sendezeit keine Pornographie im öffentlich rechtlichen Fernsehen sehen. Doch ein Sex-Magazin ohne nackte Haut verfehlt schlicht seine Wirkung. Und auf das schlüpfrige Potential zurückzugreifen, das ein einfaches Gespräch über das Thema Sex bietet, verzichtet das Format dann komplett. Die Talk-Anteile sind derart gering, dass es dem Gast gar nicht erst möglich ist, wirklich aus dem Nähkästchen zu plaudern.

«Heiß und fettig» ist damit nicht nur komplett skandalfrei, sondern in seiner Ausführung fast bieder. Damit ist es eine spannende Angelegenheit zu beobachten, wie das Format bei den Zuschauern ankommt. Immerhin legt „Skandal“ jeder anders aus – und für manch einen ist der Ausruf des Wortes „ficken“ schon pornografisch.

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