Popcorn & Rollenwechsel

Wie man einen miesen Film überlebt

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Litten Sie schon öfters in der Sneak Preview? Hier sind vier wertvolle Tipps für den nächsten misslungenen Kinobesuch.

Fünfzehn Minuten lang hat es gedauert, aber endlich habe ich im winzigen Parkhaus des Multiplexes einen Parkplatz gefunden. 12,50 Euro habe ich der studentischen Teilzeitjobberin mit überdimensionalem Zungenpiercing in die Hand gedrückt, um meine Eintrittskarte zu erwerben. Bevor es in den „Tsaal Pzwöhlf“ geht, lasse ich mir an der Snacktheke eine kleine Cola (sind bloß eineinhalb Liter) und Nachos mit „Käse“ aushändigen. Endlich sitze im Saal, und während ich darauf warte, dass das Licht ausgeht, zähle ich gelangweilt die Popcorn-Körner, die sich an meine Schuhsohlen geheftet haben. Vor den Trailern beschallt mich der Super-Mega-Hitmix aus den nervigsten Liedern, die Ke$ha, Lady Gaga, Bruno Mars und Michael Wendler zu bieten haben. Die Trailer-Rolle biedert mir hirnrissige Komödien, strunzdämliche Kinderfilme und einen portugiesischen Kunstporno über übergewichtige Ladyboys mit haarigen Zungen an. Oh, und es lief ein Werbespot für die örtliche Carglass-Filiale. Der Nachokäse hat sich ohne mein Zutun dazu entschlossen, meiner neuen Jeans ein alternatives Muster zu verpassen und die Kohlensäure meiner kleinen Cola hat sich längst verflüchtigt.

Komme, was wolle. Und wenn mich in dieser verdammten, verfluchten und dreimal verteufelten Super-Sommer-Spezial-Sneak-Peak jetzt ein Triple-Feature aus «A Serbian Film», «The Human Centipede: Full Sequence» und «Cars 2» erwartet: Ich habe jetzt so viel durchlitten, ich werde den Kinosaal erst dann verlassen, wenn mich das Kinopersonal bittet, meine sieben Sachen zu packen. Nach Hause gehen ist für Versager.

Ich stelle jedoch fest: Sich selbst etwas zu schwören, kann fatal sein. Einen erträglichen Film zu machen, das ist wiederum ein wahres Kunststück. Wenn man erst einmal in einem richtig, richtig miesen Film sitzt, dann möchte man selbst den Machern solch absolut durchschnittlicher Filme wie «Sucker Punch» die Füße küssen. Trotzdem, so katastrophal ein Film auch sein mag: Während ich vor dem Fernseher weiterzappe, bleibe ich im Kino stur sitzen. Ich Volltrottel habe für diesen Schrottfilm gezahlt, also will ich auch was für mein Geld bekommen. Und sei es Folter anstelle von Vergnügen.

Vielleicht bin ich Teil einer Minderheit. Viele flüchten lieber vor schlechten Kinofilmen, als sie sich bis zum Schluss anzusehen. Doch wenn sich irgendein armer Leser dieser Kolumne in Zukunft einem schlechten Kinofilm ausgesetzt sieht, und auch er lieber die cineastischen Katastrophe über sich ergehen lässt, als seinen Hintern aus dem Sessel zu heben und außerhalb des Kinos irgendwie einem Leben nachzugehen… Tja, dann möchte ich ihm hiermit den inoffiziellen Leitfaden an die Hand geben, wie man einen schlechten Kinofilm überlebt. Zum Beispiel für den Fall, dass wieder ein Haufen Schrott die Sneak Peak unterwandert hat…

Schritt 1: Man konzentriere sich auf die wenigen guten Dinge


So, die Story ist also absoluter Humbug, die Hauptdarstellerin taugt bestenfalls etwas als Schaufensterpuppe und die Spezialeffekte sind lächerlich? Bevor man sich davon in den Wahnsinn treiben lässt, einfach auf die guten Dinge konzentrieren. In miesen Filmen gibt es üblicherweise mindestens einen Darsteller, der weiß, wie scheiße das ganze Unternehmen eigentlich ist, und sich durch eine absolut übertriebene Darbietung die Zeit vertreibt. Etwa Jeremy Irons in «Dungeons & Dragons», der war zwar nicht ernst zu nehmen, macht aber wenigstens Spaß. Vielleicht war wenigstens die Kostümschneiderin kompetent? Haut zumindest der Soundtrack rein? Irgendwas muss es doch geben, das zu unterhalten weiß.

Schritt 2: Man bereite sich darauf vor, seinen Hass zu verbreiten


Wieso gehen viele Leute ungern alleine ins Kino? Während des Films spricht man ja eh nicht miteinander. Hoffentlich, zumindest. Die Antwort liegt auf der Hand: Man erlebt etwas gemeinsam und kann sich danach darüber unterhalten. Schlechte Filme sind perfekt. Und auch, wenn man so dumm war, allein in den Film zu gehen, vor dem einen sämtliche Kritiker warnten: Irgendwann wird man ja wohl dazu kommen, mit jemanden darüber zu sprechen. Und das muss man ausnutzen: Während auf der Kinoleinwand der reinste Schrott abläuft, kann man in Gedanken schon mit seinem besten Freund / seiner besten Freundin darüber sprechen, wie mies das alles war. Es ist unglaublich, wie viele fantasievolle, Hass erfüllte Formulierungen man in sich entdecken kann, wenn man in einem miesen Kinofilm festsitzt. Eigentlich sollte jeder so etwas wenigstens einmal durchmachen. Es erweitert das Vokabular.

Schritt 3: Man fahre das Gehirn runter


Viele schlechte Filme sind deshalb so penetrant, weil sie den Intellekt ihres Publikums beleidigen. Und ich rede hier nicht von reinen Unterhaltungsfilmen, die schlicht keinerlei höhere Bildung voraussetzen. Ich spreche von Filmen, bei denen sich eine Dummheit an die nächste reiht und die den Zuschauer behandeln, als hätten sie die Aufmerksamkeitsspanne einer Eintagsfliege. Filme, in denen alles doppelt und dreifach erklärt wird, und dann am besten auch noch falsch. Es geht also weniger um (gelungenen) Eskapismus wie «Hangover 2», sondern mehr um «Date Movie» und Co. Wenn ein Film einen für dumm verkauft… hilft es also manchmal schon, sich dumm zu stellen. Wenn man jeglichen Widerstand aufgibt, lässt vielleicht auch der Schmerz nach. Nur, bitte, sobald der Abspann beginnt, sollte man sein Hirn wieder einschalten. Sonst wird‘s problematisch im Alltag.

Schritt 4: Mystery Science Theater – Do It Yourself!


Eigentlich ist dies nur die konsequente Weiterführung des zweiten Schritts. Statt sich darin hineinzusteigern, wie steif die Inszenierung, wie albern die Dialogzeilen und wie unüberzeugend die Darsteller sind, kann man im schlimmsten aller Fälle einen auf große Comedy-Stunde machen. Wer die Serie «Mystery Science Theater» kennt, weiß genau, was zu tun ist: Den Figuren dämliche Antworten geben, (un)passende Zitate aus anderen, besseren Filmen einfügen, rhetorische Fragen stellen oder auch mal den Film so ernst nehmen, dass es wieder lächerlich wird. Ja, man wird nicht zum MSTler geboren. Aber wenn ein Film richtig, richtig schlecht ist, dann spürt man das auch der Stimmung im Kinosaal an. Und, so sehr ich Störenfriede im Kino auch hasse: Wenn ein absoluter Tiefpunkt erreicht ist, ist vielleicht auch einmal ein lauter Kommentar erlaubt. Natürlich was kreatives, und nicht ein dämliches „Langweilig!“ Und wenn dann das Eis gebrochen ist, kommt der Rest von alleine.

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