Popcorn & Rollenwechsel

21st Century Cure

von
Unser Kinokolumnist sucht die nächste «Rocky Horror Picture Show». Welche Filme haben das Zeug dazu?

Einige Filme sind von einem besonderen Kult umgeben. In meiner Kolumne stellte ich vor ein paar Monaten bereits fünf Kultfilme vor, die ihr Publikum vom Hocker reißen. Doch wie ich finde, sind solche Streifen viel zu rar gesät. Es muss ja wirklich nicht immer «The Rocky Horror Picture Show» sein. Abwechslung tut auch bei Mitternachtsvorstellungen gut. Wohl wissend, dass sich durch diesen Artikel kein Kult erzwingen lässt, möchte ich der Filmwelt an dieser Stelle drei Filme vorschlagen, die das Zeug dazu haben, der neue «Rocky Horror» zu werden. Oder es zu bleiben, wie beim letzten Eintrag dieser Liste…

«Mamma Mia!» (Regie: Phylldia Lloyd, 2008)


Die Verfilmung des ABBA-Bühnenmusicals «Mamma Mia!» ist geradezu prädestiniert für gepflegten Mitmachkult in späten Sondervorstellungen wagemutiger Kinos. «Mamma Mia!» wurde in einigen Ländern bereits als Mitsing-Film wiederveröffentlicht, der Kinobesucher in bester Karaokemanier durch eingeblendete Liedzeilen davor bewahrt, peinliche Textschwächen zur Schau zu stellen. Stoff genug für weitere Interaktionen ist ebenfalls vorhanden: «Mamma Mia!» gehört zu der Art Film, deren Drehbuch einige verdrießliche Schwächen aufweisen, die vom deutlich sichtbaren Spielspaß des Ensembles getilgt werden. Drehbuchpassagen, auf die das Kinopublikum schnippisch reagieren kann, lassen sich also locker finden. Und selbstverständlich bietet «Mamma Mia!» genug Verkleidungsideen (sollen es lieber Schwimmflosse und Schnorchel, oder doch das Waterloo-Disco-Outfit sein?) sowie einen Moment, wo die für solche Filme eigentlich obligatorischen Wasserpistolen zum Einsatz kommen könnten. Doch das wichtigste: «Mamma Mia!» hat die typische Atmosphäre eines lockerspaßigen Kultfilms.

«Team America: World Police» (Regie: Trey Parker & Matt Stone, 2004)


Kolumnisten tendieren ja dazu, manchmal aus dem privaten Nähkästchen zu plaudern, und jetzt hat endlich meine Stunde geschlagen: Ich liebe «Team America: World Police», und in meinem Freundeskreis ist er kaum schlagbarer Kult geworden. Die feiste Parodie auf Jerry-Bruckheimer-Gigaproduktionen mit die US-Außenpolitik angreifendem, satirischem Einschlag hat einfach alles, was ein filmischer Dauerkult benötigt. Wie wohl jeder «South Park»-Fan bestätigen wird, verliert der Witz von Parker und Stone durch Wiederholung kaum an Reiz, wenn man ihre Filme (oder seine Lieblingsfolgen von «South Park») in einem nicht zu hohen Takt immer wieder sieht, werden sie mit mehrfachem Sehen sogar besser. «Team America: World Police» hat auch einige hervorstechende Zitate, die man herrlich mitbrüllen kann (“Matt… Damon…!”) sowie grandios-eingängige Songs. Alle paar Monate wird zum Abschluss eines DVD-Abends in großer Runde «Team America: World Police» eingelegt, und es wird jedes Mal ein die Lachmuskeln angreifendes Fest. Seit Jahren bedrängen wir Zuschauervorschläge annehmende Kinos in unserer Umgebung, einen «Team America: World Police»-Abend im Stile der «The Big Lebowski»-Aufführungen zu veranstalten, doch niemand will auf uns hören! Tzz, die Entscheidungsträger dieser Kinos scheinen genauso wertlos wie Alec Baldwin…
Bis «Team America: World Police» endlich auch in ein Kultkino in Ihrer Nähe zurückkehrt, empfehle ich die DVD, Freunde mit derbem Humor und ein bequemes Sofa. Danksagungen nehme ich in Form von Geldspenden gerne an.

«Repo! The Genetic Opera» (Regie: Darren Lynn Bousman, 2008)


Der Regisseur von «Saw II - IV», Paris Hilton und ein abstruses Produktionsdesign, irgendwo zwischen «Blade Runner», antiutopischem US-Comic und Gothic-Fiebertraum? Was für ein Müll! Obwohl, Moment: Eine passionierte Synthese aus Goth-Rock, Metal, Musical und Oper; eine gesellschaftskritische Horror-Sci-Fi-Story, mit viel lakonischem Humor und kontrolliertem Wahnsinn erzählt? «Repo!» ist womöglich doch nicht so uninteressant…
So ungefähr mein Gedankengang, als mir eine DVD-Sichtung von «Repo!» aufgedrängt wurde. Die Rockoper erzählt die Geschichte eines von seinem Vater eingesperrten Teenie-Mädels, einem Totengräber und deren Verwicklung in eine der größten Intrigen einer düsteren Zukunft, in der Auftragskiller Menschen ihre nicht abbezahlten Organtransplantate bei lebendigem Leibe rausreißen.
Man ahnt es sicher schon; «Repo!» gilt nicht nur aufgrund des Kostümdesigns als moderne «Rocky Horror Picture Show». Genauso wie der Kultfilm von 1975 wird man «Repo!» aufgrund seiner Exzentrik und seines Musikstils hassen oder lieben. Auerdem nahmen beide Filme einen Großteil ihres Geldes in Mitternachtsvorführungen ein, die von kostümierten, mitgehenden Besuchern bevölkert waren. Doch der Kult um «Repo!» scheint ein paar Jährchen nach seiner US-Kinoveröffentlichung wieder abgeschwächt. Als DVD-Geheimtipp geistert er munter durch mehrere Subkulturen, aber der Mitmachkult aus seiner Anfangszeit scheint sich nicht mehr so fieberhaft zu verbreiten. War «Repo!» doch nur ein Strohfeuer? Ich hoffe nicht, denn die Filmwelt braucht solche exzentrische Auswüchse, deren Begeisterung niemals abklingt.

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