Rob Vegas

Das Männerparadies

von
Internet-Star Rob Vegas war im Männerparadies und fühlte sich wie auf einem Friedhof für Medien.

Letzte Woche war ich mal wieder im Männerparadies. In einem der zahlreichen Elektrofachmärkte um genauer zu sein. Und ehrlich gesagt kam ich mir dabei vor wie in einem Museum für Medien.

Schon in meiner Jugend kaufte ich Maxi-CDs im Laden, erhielt die Scheibe in der brüchigen Plastikhülle und nahm sie mit nach Hause. Nur wie wirkt das heute? Da geht man im Saturn oder MediaMarkt durch die Gänge und sieht Stapel von Hüllen mit Datenträgern darin. Im Discounter erhält man sogar erst an der Kasse die Disc und sucht sich im Laden selbst nur die leere Hülle mit Filmcover aus.

Im Zeitalter von Dateien, dem Internet und YouTube fühle ich mich dabei wie ein Opa, welcher seine Briefe noch per Hand und Füllfederhalter zu Papier bringt. Streaming lautet das Motto von heute. Medien sind überall via Wlan aus allen Epochen der Unterhaltungsindustrie verfügbar, oder werden in braunen Päckchen durch den Briefschlitz geworfen. Stattdessen musste ich mit meinen drei DVDs an der Kasse warten und bekam nicht einmal einen Dank für meinen Einkauf als Email zugesandt. Die Märkte sind riesig und dennoch werden ausgefallene Wünsche meist nicht erfüllt. Den alten Klassiker von 1963 mit Steve McQueen findet man bei Google mit zwei Klicks. Im Elektrofachmarkt kann man sich dagegen bestenfalls auf die medialen Inhalte der MediaControl-Charts verlassen. Nur welcher Kerl will schon nachts «Sex and the City 2» sehen?

Der MediaMarkt ist mittlerweile ein analoges Antiquariat für Medien geworden. Eine digitale und endlos kopierbare Datei ist auf einmal nur noch für sieben Hüllen im Regal verfügbar. Vielleicht ist sie sogar ausverkauft und man kann gleich wieder den überfüllten Kundenparkplatz aufsuchen. Für Kühlschränke und Fernseher haben diese Baumärkte des digitalen Mannes seine Berechtigung. Nur Medien sind heute überall verfügbar. Niemand will mehr für einen Film einen Fuß vor die Tür setzen, im Regen zur Videothek laufen, oder gar einen halben Nachmittag für dessen Erwerb in der Innenstadt von Bielefeld opfern.

Die Gegenwart sieht anders aus. Für Rechteinhaber sogar rosiger denn je. Filmstudios können ihren enormen Fundus an Filmen, Musik und Spielen online jederzeit zum sofortigen Abruf anbieten. Die Piraterie ist hier bislang das größte Problem. Nur sind es oft die kleinen Meldungen, welche die Zukunft ein wenig vom Nebel befreien. Eine amerikanische Firma will nun jedes Medium mit einem speziellen Code versehen. Eine eindeutige Identifikationsnummer für jedes Medium. So werden wir uns auf Dauer das Billy-Regal für die Filme sparen können und stattdessen selber zu kleinen Lizenznehmern. Wir werden über die einzelnen Plattformen hinweg ein gewünschtes Medium mit eindeutiger Kennung in gewünschter Abrufoption kaufen können und mit unseren Endgeräten fortan Zugriff darauf von überall auf der Welt haben. Man erwirbt die Nummer, schaut sich den Anfang auf dem Flachbildfernseher an, ein weiteres Stück bei der Arbeit am Rechner und den Rest auf dem Smartphone in der Bahn.

Schreitet die Übertragungsgeschwindigkeit im Netz voran, so bedarf es auch gar nicht mehr den Download einer Datei. Vielmehr werden wir das Recht zum Abruf dieses Mediums erwerben. Die TV-Show von 1973 mit Johnny Carson, das Album von Genesis und jedem Kunden seine persönliche Filmdatenbank sind nun nur noch Nummern und Zugriffsrechte für uns. Google, Apple und Verleiher sind hier nur noch Erfüllungsgehilfen. Die Rechteinhaber dagegen werden ihren hart erarbeiteten Schatz 24 Stunden an den Mann bringen können. Die Archive werden wieder einmal veredelt und Presswerke nach und nach Insolvenz anmelden müssen. Das analoge Medium stirbt.

Rudi Carrell wusste schon vor seinem Tode, dass er im Fernsehen noch lange als Wiederholung weiterleben wird. Durch das Internet werden die großen Stars des letzten Jahrhunderts wohl von nun an ewig leben.


Ihr

Rob Vegas



Mehr Informationen zu Rob Vegas finden Sie auf seiner Webseite .

Kurz-URL: qmde.de/45815
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