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Polit-Talks bei den Öffentlich-Rechtlichen: Was bringt die Zukunft?

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Quotenmeter.de wirft im Zuge der Verpflichtung von Günther Jauch einen Blick auf die drei großen Polit-Talks «Anne Will», «Maybrit Illner» und «Hart aber fair». Welches dieser Formate läuft am besten und wie ist der kommende Jauch-Talk zu erwarten?

Es war schon eine kleine Überraschung am 10. Juni 2010, als das Erste Deutsche Fernsehen die Neuverpflichtung von TV-Moderator Günther Jauch bekannt gab. Dieser soll ab dem Herbst 2011 den Sendeplatz am Sonntagabend nach dem «Tatort» bekommen und fortan einen eigenen Polit-Talk moderieren. Außerdem sollen dann von montags bis donnerstags auch die «Tagesthemen» einen einheitlichen Sendeplatz erhalten. Was auf den ersten Blick wie ein großer Coup aussieht, wirft bei genauer Betrachtung viele Fragen auf: Was passiert beispielsweise mit Anne Will? Verlässt Harald Schmidt den Sender, wenn er seinen Platz am Donnerstagabend verliert? Und wieso soll überhaupt ein erfolgreich laufendes «Hart aber fair» verschoben werden?

Die größte Verliererin der Jauch-Verpflichtung ist sicherlich Anne Will. Sie erhielt im September 2007 ihren jetzigen Sendeplatz und muss ihn nun schon bald wieder abgeben. Zudem erfuhren sie und ihr Team nur wenige Stunden vor der Bekanntgabe von Plänen der ARD, dies dürfte für zusätzlichen Unmut gesorgt haben. Außerdem hat sich ihr Talk in den letzten Monaten deutlich gesteigert, nach der Sommerpause im Jahr 2009 erreichte «Anne Will» im Durchschnitt 4,03 Millionen Menschen. Der Marktanteil lag im Mittel bei 14,3 Prozent. Doch warum will die ARD Anne Will am Sonntagabend ersetzen?

Die Antwort ist einfach: Es ist Günther Jauch. Wenn dieser einen Wechsel nicht gewollt hätte, dann dürfte Will vermutlich am Sonntag weiter talken. Aber mit Jauch hat die ARD das perfekte Gesicht für den Sendeplatz nach dem «Tatort» engagieren können. Er ist einer der beliebtesten TV-Gesichter und wird aller Voraussicht nach deutlich mehr Zuschauer halten können. Jauch ist einfach eine eigene Marke, die schon von den Fernsehzuschauern angenommen wurde. Nun wird diese Marke durch die ARD auf einem prominenten Sendeplatz platziert. Und es wird funktionieren – dank Günther Jauch.

Anne Will verabschiedet sich dann vermutlich auf den Donnerstagabend, denn alle anderen Wochentage sind bereits belegt. Dort wird sie dann gegen Maybrit Illner im ZDF antreten müssen. Doch hat Will gegen ein etabliertes Format überhaupt eine Chance? Diese Frage ist schwer zu beantworten, denn ihr Talk profitierte bislang ungemein von dem gezeigten «Tatort» im Vorfeld. Wills Reichweite wird drastisch sinken, daran besteht kein Zweifel. Doch wird sie sich gegen Illner behaupten können?

Illner selbst kam in der abgelaufenen Fernsehsaison auf durchschnittlich 2,30 Millionen Zuseher, der Marktanteil bei den Zuschauern ab drei Jahren lag im Mittel bei 11,2 Prozent. Das klingt erst einmal nicht überragend. Doch Illner hat einen großen Vorteil: Die Zuschauer haben ihren Sendeplatz „gelernt“. Sie wissen, was sie am Donnerstagabend um 22.15 Uhr erwartet. Und in der Uhrzeit steckt auch schon der nächste Vorteil: Anne Will talkt aufgrund der einheitlichen Sendeplätze der «Tagesthemen» zukünftig wahrscheinlich erst eine halbe Stunde später. Da wird es schwer, die Illner-Zuschauer wieder zur ARD zu locken. Für die RBB-Intendantin Dagmar Reim ist das alles kein Problem: „Stellen wir uns mal folgendes Szenario vor: sonntags Jauch, montags Beckmann, dienstags Maischberger, mittwochs Plasberg, donnerstags Will – das ginge doch. Ich könnte mir das gut vorstellen.“ Auch von einer Kampfprogrammierung der ARD gegen Maybrit Illner könne laut Reim keine Rede sein.

Der nächste Geschädigte durch den Jauch-Deal ist Frank Plasberg, der seinen Sendeplatz am Mittwoch um 21.45 Uhr räumen muss. Allerdings muss er nicht den Tag wechseln, er rutscht lediglich etwas nach hinten. Der Grund hierfür, sind ebenfalls die «Tagesthemen», die ab dem Hebst 2011 von montags bis donnerstags zu einer einheitlichen Uhrzeit laufen sollen. «Hart aber fair» erreichte in der vergangenen TV-Saison im Mittel 3,36 Millionen Menschen und einen Marktanteil von 13,9 Prozent. Das sind zwar erst einmal weniger Zuschauer als bei «Anne Will», Plasberg muss aber auch mit einem deutlich schwächeren Lead-In auskommen. Wie viel Potenzial in der Sendung steckt, zeigte die Folge am 31. März dieses Jahres. Nach dem Scientology-Film «Bis nichts mehr bleibt», der im Durchschnitt von 8,69 Millionen Zuschauern gesehen wurde, holte eine «Hart aber fair»-Ausgabe, die sich inhaltlich mit Scientology und anderen Sekten befasste, deutlich über sieben Millionen Zuschauer. Wenn der Themen-Fluss stimmt, kann auch Frank Plasberg außergewöhnlich starke Quoten erzielen.

Auch hier gilt: Die Zuschauer müssen sich erst an die Umstellung gewöhnen. Dann sollte Frank Plasberg zu späterer Stunde am Mittwochabend gute Quoten einfahren können. Konkurrenz muss er auf diesem Sendeplatz jedenfalls keine fürchten, Anne Will dagegen muss sich erst gegen Maybrit Illner behaupten. Was aus Harald Schmidt wird, ist übrigens auch eineinhalb Wochen nach dem Jauch-Deal nicht bekannt. Wenn Anne Will tatsächlich auf den Donnerstagabend rücken wird, muss auch Schmidt seinen Sendeplatz räumen. Wie sich diese Sendungs- und Personalrochade der ARD auf die Quoten auswirken wird, lässt sich ab dem Herbst 2011 beobachten. Auf einem Sendeplatz scheinen starke Quoten jedenfalls sicher zu sein: Am Sonntagabend nach dem «Tatort», wenn zukünftig Günther Jauch mit seinen Gästen talken wird.

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