Richterspruch

«Der Richterspruch»: Tote Hose im Puff und alte Frauen in HD

von
Wer wird Liebling des Monats und wer bekommt den „Haufen des Monats“ verliehen? Christian Richters Rückblick auf den Februar 2010.

Das Thema des Monats

Zwischen dem 12. und 28. Februar waren die Augen der Sportwelt auf das kanadische Vancouver gerichtet. Die Übertragung der «Olympischen Winterspiele 2010» bescherte den öffentlich-rechtlichen Sendern nicht nur hervorragende Reichweiten, sondern endlich wieder flächendeckend gute Marktanteile auch bei den jungen Zuschauern. Gleichzeitig diente das Großereignis als Startzeitpunkt für den Regelbetrieb der HD-Kanäle von ARD und ZDF. Auch wenn noch lang nicht das komplette Programm der beiden Sender hochauflösend präsentiert wird, konnte man während der Spiele die Möglichkeiten der neuen Technik eindrucksvoll erleben. Bis zur hintersten Reihe waren die Gesichter der Zuschauer klar zu erkennen. Doch schnell zeigte sich auch die Schattenseite des Verfahrens. Ungeschminkte Menschen mit unreiner Haut mag wirklich niemand hochauflösend sehen. Dabei strahlen Das Erste HD und ZDF HD ihr Programm noch nicht einmal in der bestmöglichen Auflösung aus. Wie unangenehm Fernsehen in HD sein kann, bewies am 27. Februar auch das verbrauchte Dekolleté der betagten Sophia Loren bei «Wetten das...?». Vielleicht lag es an dessen abschreckender Wirkung, dass die Show die schlechteste Sehbeteiligung ihrer Geschichte einfuhr.

Die Zahl des Monats

Der Vorstandsvorsitzende der ProSiebenSat.1 Media AG Thomas Ebeling bekräftigte im Rahmen einer Podiumsdiskussion am 22. Februar sein Vorhaben die Ausgaben für Nachrichten in der Sendergruppe auf ein Drittel absenken zu wollen. Bei gleichbleibender Sendedauer soll jedoch die Qualität der Informationssendungen nicht wesentlich sinken. Dieses Kunststück soll unter anderem dadurch erreicht werden, dass in Zeiten von HD-TV, Split-Screens und virtuellen Studios vermehrt Standbilder anstelle von laufenden Filmen eingesetzt werden. Wie absurd es ist, Fernsehnachrichten nur mit Fotos zu bestücken, bewiesen die Nachrichten von ProSieben, Sat.1 und Kabel eins zuletzt bei ihren Berichten von den Olympischen Spielen. Der Sturz von Anni Friesinger kurz vor dem Ziel wirkte beispielsweise auf den drei gezeigten Fotos nicht ansatzweise so dramatisch. Wie kann man nur auf die Idee kommen, dem Fernsehen seine stärkste Waffe zu nehmen? Oder wie es eine Mitarbeiterin von N24 auf dem Symposium ausdrückte: Das wäre, als würde man beim Chemiekonzern Bayer das Medikament Aspirin aus dem Sortiment nehmen und stattdessen Smarties verkaufen.

Die Lieblinge des Monats

Eine Praxis, ein Stuhl, ein Sofa und zwei bis drei Menschen. Minimalistischer als «In Treatment» kann eine Serie kaum sein, aber auch nicht intensiver. Der Zuschauer ist bei den ungekürzten Sitzungen des Psychotherapeuten Dr. Paul Weston (Gabriel Byrne) dabei und erlebt hautnah das Auf und Ab der Patienten. Durch die Reduktion auf vier wiederkehrende Charaktere gelingt es den Autoren einen tiefgreifenden Einblick in deren Gefühlswelt zu offenbaren, der gänzlich ohne Klischees auskommt. Dass der Therapeut selbst in Behandlung ist und mit seiner Beraterin die Fälle der Woche bespricht, verleiht der HBO-Produktion eine zusätzliche, spannende, zweite Ebene. Auch wer die ersten 20 Ausgaben in den vergangenen zwei Wochen verpasst hat, sollte trotzdem unbedingt einsteigen. Ab März ändert 3sat den Ausstrahlungsrhythmus und zeigt künftig mittwochs um 22.25 Uhr zwei der halbstündigen Folgen.

Nicht erst seit seinem oscar-nominierten Werk «Das weiße Band» gilt Michael Haneke als visionärer Filmemacher. Seinen Durchbruch erlangte der Österreicher mit dem Film «Caché» im Jahr 2005, der von Experten der „London Times“ zum besten Film der letzten zehn Jahre gewählt wurde. Das Erste zeigte das Meisterwerk am 10. Februar in seinem Programm leider erst weit nach Mitternacht. Wer dieses verpasst hat, kriegt anlässlich der diesjährigen Oscarverleihung am 06. März um 22.35 im BR eine zweite Chance, die man sich auf keinen Fall entgehen lassen sollte.

Schon vor dem Start der Serie «Practice – Die Anwälte» am Freitag, den 05. März 2010, soll der Sender kabel eins für deren geplante Ausstrahlung gelobt werden - als Ansporn an diesen Plänen auch tatsächlich festzuhalten. Schließlich gab es um die Anwaltsserie von David E. Kelley seit Monaten Turbulenzen. Ursprünglich kündigte der Sender das Format für die Saison 2008/2009 an, nahm es allerdings nie ins Programm. Mitte August 2009 gab der Sender mit dem 25. September 2009 sogar schon einen konkreten Sendetermin bekannt. Doch dann folgte kurzerhand der Rückzieher. Hoffentlich bekommt kabel eins nicht wieder kalte Füße. Gezeigt wird übrigens ausschließlich die achte und letzte Staffel, die die Grundlage für das Spin-Off «Boston Legal» ist. Laut kabel eins wären für die bisher noch nicht in Deutschland gezeigten Staffeln fünf bis sieben keine Lizenzen verfügbar. Also, liebe Programmplaner, haltet an der Serie fest. Die Fans werden es Euch danken.

Der Aufreger des Monats

Bereits seit April 2007 strahlt der Sender VOX die Dokureihe «Auf und davon» mehr oder weniger regelmäßig in seinem Programm aus. Anfangs zeigte die Sendung die spannenden Erlebnisse von Austauschschülern und Au-Pair-Studenten im Ausland. Später kamen Work-And-Travel-Touristen oder Pilgerer hinzu. Doch im Laufe der vergangenen Monate entwickelte sich das Format immer mehr zu einer Bühne für drittklassige Promiente. Nicht nur, dass die Abenteuer von Daniela Katzenberger dort regelmäßig recycelt werden, zuletzt durfte dort Nico Schwanz seine Freundin suchen und jüngst Partymusiker Markus Becker seine neue Assistentin testen. Schade, damit ist eine weitere sehenswerte Sendung in den Untiefen der Banalität verschwunden.

Der „Haufen des Monats“

Der Preis für den größten Dünnpfiff des Monats erhält im Februar die Reihe «Exclusiv – Die Reportage» für ihre Ausgabe vom 11. Februar. Darin wurde einmal mehr das Konzept der Unternehmensretter aufgegriffen. Nach Restaurants, Hotels und Friseuren widmeten sich jedoch Michael Beretin und Ulla Oberender ernsthaft der Rettung eines Bordells – samt Renovierung der Bums-Höhlen, Hygiene-Check und Probe-Beischlaf. Das Niveau von «Rotlichtexperten im Einsatz – Deutsche Bordelle in Not» hatte man eigentlich gehofft, nicht mehr bei RTL II sehen zu müssen.

Und sonst noch...

...wurde bekannt, dass beim Bau der Kölner U-Bahn wichtige Stahlträger nicht installiert und stattdessen das Material verkauft wurde. Irgendwie erinnert dieses Theater sehr an die Episode „Die beiden hinterhältigen Brüder“ der «Simpsons». Dort ließ Tingeltangel-Bobs Bruder Cecil einen Staudamm im Auftrag von Springfield errichten, bei dem er große Teile des veranschlagten Betons nicht verbaute und das gesparte Geld unterschlug. Offenbar hatten die Macher von «South Park» doch recht: „Das gab's doch schon bei den Simpsons!“ (Episode sieben der sechsten Staffel)

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