Vermischtes

ARD etikettiert Schleichwerbung einfach um

von  |  Quelle: stefan-niggemeier.de, DWDL
Die Pharma-Schleichwerbung in der Serie «In aller Freundschaft» geht munter in Wiederholung. Produktnamen wurden ausgetauscht, das Loblied auf die Konzerne bleibt aber in den gekauften Storys.

Im Juni 2005 platze eine Bombe, die die ARD Sender bis heute belastet. Der Branchendienst epd Medien enthüllte mindestens neun Fälle, in denen die ARD Produktionsfirma Saxonia Pharmawerbung in den Folgen der Serie «In aller Freundschaft» unterbringen ließ. Bis zu 30.000 Euro zahlten die Firmen dafür, dass ihre Medikamente in den Folgen nicht nur im Bild zu sehen waren, sondern auch ganze Geschichten um sie herum gestrickt wurden; Produkt- oder immerhin Wirkstoffnamen mussten in den Dialogen immer wieder fallen und die Darstellung des Behandlungserfolges sollte ausnehmend positiv sein.

Nach dem großen Skandal 2005 gelobten alle Seiten eifrig Besserung und beteuerten mit verständnislosen Betroffenheitsmienen harte Konsequenzen. Der Deutsche Rat für Public Relations hat vor zwei Wochen nun sieben namenhafte Pharmahersteller für ihre Verstrickung in den Vorfällen gerügt. Das schien das zunächst letzte Kapitel im Schleichwerbeskandal zu sein. Doch statt die werbeverseuchten Folgen der Serie in den Giftschrank zu packen und das peinliche Kapitel damit endgültig abzuschließen wiederholen die öffentlich-rechtlichen Sender munter Folgen aus allen Staffeln.

Medienjournalist und Blogger Stefan Niggemeier hat in seinem ausführlichen Artikel gezählt, dass derzeit 29 Folgen pro Woche über alle Sender der ARD Gruppe ausgestrahlt werden. Außerhalb der EM-Zeit wären es sogar noch mehr. Das fiel auch dem renomierten Pharma Blog „Stationäre Aufnahme“ auf, wo das Verhalten der Sender mit Fassungslosigkeit aufgenommen wurde. Statt auf Wiederholungen der Folgen zu verzichten wurden sie einfach in die Nachbearbeitung gegeben. Ein paar Schnitte und einige holprig neu synchronisierte Dialogzeilen später, ist aus dem früher beworbenen COX-2-Blocker einfach RAG-2 geworden, das zugehörige Arthrose-Medikament Vioxx bekam einen Phantasienamen verpasst.

Die ARD sieht das Thema damit erledigt und seine Pflicht erfüllt. Was bleibt ist jedoch ein haarsträubender Handlungsstrang, der noch immer keinen Zweifel daran lässt, dass hier eindeutige Werbung am Platz war, die inzwischen nur dünn übertüncht wurde. In einem Video stellte Stefan Niggemeier die betreffenden Szenen zusammen: Es geht um einen Arthrose-Patienten, der von einer Medikamentenstudie an der Klinik gehört hat. Der neue RAG-2-Blocker könne seinen Zustand deutlich verbessern ohne die schlimmen Nebenwirkungen, an denen der Mann bei seinem bisherigen Präparat leidet. Er versucht alle Hebel in Bewegung zu setzen, um an das neue Wundermedikament zu kommen.




Die Ärzte der Studie schwärmen derweil unentwegt über die Erfolge. „Wenn sie mich fragen, steht das neue Medikament kurz vor der Zulassung“, berichtet da eine junge Ärztin. Der Chefarzt fragt erstaunt nach: „Immer noch keinerlei Nebenwirkungen?“ „Nein bei keinem einzigen Probanden“, erzählt sie, bevor der Tonfall ihrer Stimme plötzlich anders klingt: „Es wird Zeit dass wir RAG-2 endlich allen Patienten verabreichen.“ Hier wurde hörbar nachsynchronisiert. Die Werbebotschaft bleibt eindeutig. Nur die Produktzuordnung wurde verfremdet.

Das reiche nicht aus, schrieb der PR-Rat an den ARD-Vorsitzenden Fritz Raff, nachdem die überarbeiteten Fassungen gesichtet wurden. Überblendungen und Umbenennungen genügten nicht, „da der intendierte Schleichwerbe-Effekt auch so erreicht“ werde. „Der interessierte Zuschauer kann den konkreten Produktbezug im Anschluss an die thematische Rezeption unschwer selbst herstellen. [...] Dies ist in vielen Fällen sogar eine wirkungsvollere Methode als eine leichter zu durchschauende genaue Produktnennung“, kritisiert der PR-Rat die Verschlimmbesserungen und fordert die ARD auf die entsprechenden Passagen vollständig zu überblenden, zu schneiden, die Stellen als Werbebotschaften kenntlich zu machen oder die betroffenen Episoden schlicht nicht mehr auszustrahlen.

Ein Herausschneiden erscheint angesichts der tiefen Einbindung der Produkte in die Handlungen und Dialoge kaum realisierbar ohne die Folgen völlig sinnentstellend auseinander zu fleddern wie das Vioxx Beispiel zeigt. Am Ende dieses Handlungsstranges trifft noch ein Fax vom Pharmakonzern ein: „Ich freue mich Ihnen mitteilen zu können, dass die Studie vorzeitig beendet wurde. Die Erfahrungen mit dem Medikament waren so eindeutig positiv, dass das Bundesinstitut für Arzneimittel auf weitere Tests verzichtet“, liest der Chefarzt vor. Die junge Ärztin ist überglücklich, dass das Medikament nun allen Patienten helfen darf. „Darf ich sie mal drücken?“, strahlt sie und fällt ihm in die Arme. Happy End.

2004 wurde das Medikament Vioxx mit seinem COX-2-Blocker wegen dramatischer Nebenwirkungen vom Markt genommen. Die MDR Redaktion erklärte auf Anfrage von DWDL, dass es in den bearbeiteten Fassungen keinerlei Beanstandungen mehr gäbe, so dass „nichts gegen eine Wiederholungsausstrahlung einzuwenden war.“

Kurz-URL: qmde.de/28031
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