Es gibt politische Geschichten, die werden erst zum Problem, wenn man versucht, sie nicht zu erzählen. Die Affäre um Kulturstaatsminister Wolfram Weimer gehört genau in diese Kategorie. Seit Wochen stehen Vorwürfe gegen den früheren Medienunternehmer im Raum: Der Ludwig-Erhard-Gipfel seiner Weimer Media Group soll Premiumpakete für bis zu 80.000 Euro verkauft haben – inklusive Zugang zu Politikerinnen und Politikern, darunter solche, die heute mit Weimer im Kabinett sitzen. Ein Geschäftsmodell, das, höflich formuliert, mit dem Gedanken der politischen Unabhängigkeit schwer vereinbar ist.Doch: Während die Vorwürfe auf der Sachebene immer dichter wurden, die Berichte detaillierter und die Widersprüche im Weimer-Universum größer, blieb ein Teil der politischen Öffentlichkeit merkwürdig still. Der Grund dafür ist ebenso banal wie problematisch: Die ersten Hinweise auf diese Verflechtungen kamen aus dem rechten Spektrum, aus Plattformen, die sich gerne als „Alternativmedien“ verkaufen, und später von der Alternative für Deutschland (AfD) selbst. Sobald die falschen Absender eine richtige Frage stellen, scheint die Republik ein Reflexmuster zu haben: Schweigen, relativieren, abwiegeln – bloß nicht in die Nähe geraten.
Genau davor warnt der Politikwissenschaftler Alfred von Lucke zuletzt am Donnerstag ausführlich bei „Deutschlandfunk Kultur“: Wenn die demokratische Mitte aus Angst vor Kontamination echte Probleme nicht klar benennt, überlässt sie das Feld denjenigen, die daraus politisches Kapital schlagen wollen. Im Fall Weimer sieht man diesen Mechanismus so deutlich wie selten. Umso auffälliger ist, wer bislang nicht laut geworden ist: Wo bleiben die großen investigativen Reportagen von «frontal» im ZDF oder vom NDR-Magazin «Panorama»? Wo sind die tiefen Recherchen, die sonst jede politische Unstimmigkeit mit minutiöser Akribie verfolgen? Dass ausgerechnet bei einem Medienminister die öffentlich-rechtliche Kontrollinstanz so zurückhaltend bleibt, ist mindestens ebenso bemerkenswert wie der Skandal selbst – und verstärkt genau jenen Eindruck, den von Lucke beschreibt.
Beginnen wir bei den Fakten. Die Weimer Media Group, gegründet von Wolfram Weimer und seiner Frau, präsentiert sich als mächtiges Medienimperium mit 16 Marken, Magazinen und Agenturen. Die Realität sieht deutlich schmaler aus: Viele der angeblichen Titel existieren nur als Website-Ruinen, manche werden kaum aktualisiert, andere bestehen mehr in der PR-Sphäre als im journalistischen Raum. Was tatsächlich funktioniert: Events, Dinners, Auszeichnungen, Netzwerktreffen – alles mit der klaren Botschaft, Zugang und Sichtbarkeit für jene zu schaffen, die dafür zahlen.
Der Ludwig-Erhard-Gipfel ist das Herzstück dieses Systems. Dort trifft sich, so das eigene Marketing, die politische und wirtschaftliche Elite des Landes. Wer ein Premiumpaket kauft, darf bei exklusiven Abendessen dabei sein – und erhält zusätzlich Interviews, Advertorials, Podcast-Auftritte in den WMG-Medien. Kurz: Ein Rundum-sorglos-Paket für maximale Sichtbarkeit und politische Nähe. Als Weimer in die Bundesregierung wechselte, hätte man meinen können, dass zumindest ein Teil dieses Modells stillgelegt würde. Stattdessen blieb alles bestehen, die Geschäfte liefen weiter, Weimer behielt 50 Prozent der Anteile. Erst jetzt gab er diese in eine Treuhandschaft, die er nach seiner Amtszeit problemlos wieder lösen kann.
Formell mag das alles wasserdicht sein. Politisch ist es ein Schaden. Und kommunikativ ist es ein Desaster.
Interessant ist nämlich, wer sich zuerst wehrte – und wer sich lange nicht traute. Rechte Plattformen kritisierten Weimer früh und umfassend, aber nicht aus Sorge um demokratische Transparenz, sondern weil ein konservativer Kulturpolitiker plötzlich zum Risiko wurde. Die AfD sprang auf und beantragte schließlich die Entlassung des Ministers. Ein Antrag, der erwartbar und vollkommen zurecht im Bundestag scheiterte. Doch die ablehnende Mehrheit führte zu einem Fehlschluss: Weil die AfD den Skandal politisch ausschlachtet, ist die Sache selbst kein Skandal mehr. Das ist der Moment, in dem die demokratische Debatte kippt. Nicht die Absender entscheiden über die Legitimität der Kritik, sondern die Tatsachen. Und die Tatsachen sind klar: Ein Minister kann nicht gleichzeitig politisch handeln und privat an einem Geschäftsmodell beteiligt sein, das mit Nähe zu Politikern wirbt. Punkt.
Alfred von Lucke nennt das eine gefährliche „Leerstelle der Mitte“: Wenn berechtigte Kritik nicht artikuliert wird, weil man nicht in die Nähe der AfD geraten will, stärkt man am Ende genau jene Kräfte, die man schwächen will. Es stimmt: Jedes Schweigen wirkt in solchen Fällen wie ein Verstärker für Ressentiments.
In Bayern werfen inzwischen auch CSU und Freistaat-Fraktionen kritische Fragen auf. Markus Söder ließ prüfen, ob man den Gipfel weiter mit Hunderttausenden Euro unterstützen könne – und sprach ungewöhnlich klar: „Entweder will man Geld verdienen oder man will in der Politik bleiben.“ Ein Satz, der in seiner Einfachheit alles sagt. Die Grünen und die SPD fordern nun ebenfalls Konsequenzen. Die Frage ist nur, warum es so lange dauerte. Warum musste erst die AfD auf der Bundesbühne stehen? Warum musste unter anderem die „Süddeutsche Zeitung“ seitenlange Recherchen vorlegen, bevor der Fall als ernsthaftes politisches Problem wahrgenommen wurde?
Weimer selbst argumentiert weiterhin, es habe „nie Interessenkonflikte“ gegeben. Aber selbst wenn man ihm das glaubt – der Eindruck eines Konflikts ist politisch genauso schädlich wie dessen Existenz. Ein Medienminister muss nicht nur integer sein, er muss sich jede Form der Nähe zu wirtschaftlichen Interessen ersichtlich vom Leib halten. Das Gegenteil ist hier der Fall.
Der Fall Weimer zeigt exemplarisch, wie riskant es ist, berechtigte Kritik der falschen Seite zu überlassen. Demokratie lebt nicht vom Wegschauen, sondern vom Aussprechen. Ein politisches System, das Verfehlungen nur dann skandalisiert, wenn sie aus der „richtigen“ Ecke benannt werden, sabotiert seine eigene Glaubwürdigkeit.







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