Die Kritiker

«The Arctic Circle»

von

In den Leichen von russischen Prostituierten wird ein seltsames Virus gefunden, und draußen is' kalt. So lässt sich ZDFneos neue Serienkoproduktion weitgehend vollständig zusammenfassen.

Cast & Crew

Vor der Kamera:
lina Kuustonen als Nina Kautsalo
Maximilian Brückner als Thomas Lorenz
Pihla Viitala als Marita Kautsalo
Janne Kataja als Niilo Aikio
Susanna Haavisto als Elina Kautsalo
Taneli Mäkelä als Raino Ylikorpi
Jari Virman als Raunola

Hinter der Kamera:
Produktion: Yellow Film & TV production, Bavaria Film und Elisa Viihde
Schöpfer: Olli Haikka, Petja Peltomaa und Joona Tena
Autoren: Joona Tena, Jón Atli Jónasson und Petja Peltomaa
Regie: Hannu Salonen
Produzenten: Olli Haikka und Jarkko Hentula
Executive Producer: Milla Bruneau und Moritz Polter
Will man „Winter-Krimi“ als eigenes Genre auffassen, wäre seine Mutter wohl «Fargo» – in der Film- wie in der Serienfassung, wo Alltagsmenschen im heimelig-kalten North Dakota zwischen monatelang herumstehenden meterhohen Schneebergen Mord und Totschlag verfallen, und irgendwann von den ebenso alltäglichen Polizisten zur Strecke gebracht werden, die sich mit einer Mischung aus unerschütterlichem Berufsethos, erstklassiger Menschenkenntnis und unprätentiöser Ermittlungsarbeit an den Fall machen. Angenehm subtil, aber reich an Ideen und menschlicher Einsicht wurden dabei noch das amerikanische Kleinstadtleben seziert und die klischeehaften Vorstellungen des Heimeligen und Betulichen systematisch dekonstruiert.

Was den Amerikanern North Dakota ist, ist uns Europäern wohl Lappland: dünn besiedelt, eiskalt und weit weg vom Schuss. Doch auch unweit des Polarkreises haben es die Gangster faustdick hinter den Ohren: In «The Arctic Circle» sind dafür in erster Linie irgendwelche Russen zuständig, die in sogenannten Hurenbussen Zwangsprostituierte über die Grenze und durch halb Finnland karren. Als aus dem vereisten Permafrostboden plötzlich ein paar Frauenleichen ausgebuddelt werden, die sich schnell dieser Gruppe zuordnen lassen, ruft das Kleinstadtpolizistin Nina Kautsalo (Iina Kuustonen) auf den Plan – und alsbald auch den KRP, die „höchste finnische Polizeibehörde“, wie die Serie überbetont, um damit klar zu machen, dass nun das Stereotyp auftritt, dessen Rolle in amerikanischen Produktionen dem FBI zufällt: alle Kompetenzen an sich reißen, den Hinterwäldlern zeigen, wo’s langgeht, und dabei aufgrund von mangelnder Menschenkenntnis und widerlichster Überheblichkeit auf die Fresse fallen.

Weil bei den toten Huren noch ein seltsames Virus gefunden wird, darf bald der dreitagebärtige Epidemiologe Thomas Lorenz (Maximilian Brückner) aus Helsinki einfliegen, um zum Einen als Quotendeutscher zu verdeutlichen, dass «The Arctic Circle» als internationale Koproduktion auch von ZDFneo als „Neo Original“ verantwortet wurde, und zum Anderen Ninas deprimierendem Privatleben einen neuen Impuls zu geben. Zuerst versetzt er aber die ganze Bande in höchste Alarmbereitschaft, weil das ominöse Virus aufgrund einigem Technobabble wohl brandgefährlich ist und binnen Monaten die ganze Menschheit auslöschen könnte, wenn man es in Nordfinnland nicht zügig eindämmt.

Doch ebenso wenig, wie sich die allzu beliebig gezeichneten Lappländer zu einem europäischen «Fargo» aufsummieren, wird aus dem Pandemie-Plot ein beinharter Wettlauf-gegen-die-Zeit-Thriller à la Soderberghs «Contagion». Denn in erster Linie sieht sich dieses Format wohl als Wohlfühlkrimi, der dank seines Spielorts noch eine gewisse deutsche Wintersehnsucht bedienen darf, die ob des diesjährigen Wetters in der Heimat keine Erfüllung finden kann.

So unterkomplex wie in «The Arctic Circle» das Thema gerät, so unnötig verworren werden derweil die konfusen Allianzen und Motive der sonderbaren Hintermänner vorgestellt. Spätestens hier rächt sich die betont einfach gehaltene Figurenzeichnung, die nur in den unwahrscheinlicheren Momenten an psychologischer Vielschichtigkeit gewinnt: etwa als sich Polizistin Nina und Virenforscher Thomas, zwischen denen es natürlich schon beim ersten Aufeinandertreffen vor kuscheligen Schneebergen ordentlich knisterte, beim schnapsseeligen Karaoke-Abend über die ständige Bedrohung von Psychopathen und Pathogenen unterhalten, bevor eine gar nicht so schlecht nachgesungene Variante von When Heaven gets dirty den gemütlicheren Teil des Abends einläutet.

Doch in Erinnerung bleibt vornehmlich eine Mischung aus plakativen Dialogfetzen („Du bist doch wieder nur am Rumhuren!“), fahrigen Figurenzeichnungen (besonders unangenehm: ein dicklicher russischer Grenzbeamter als Comic Relief Character), beliebigen Plotabläufen („Wer hatte Sex mit wem?“) und jeder Menge Schnee. Denn spätestens, wenn letzterer Aspekt zum USP geworden ist, hat man es sich als Serienschöpfer zu einfach gemacht.

ZDFneo zeigt fünf Folgen von «The Arctic Circle» sonntags ab dem 16. Februar, jeweils ab 22.15 Uhr.

Kurz-URL: qmde.de/115915
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