Die Kino-Kritiker

«Halloween» - Michael Myers, damals wie heute

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Auf dieses Remake haben viele Horrorfans gewartet: David Gordon Green lässt in «Halloween» den ikonischen Killer Michael Myers wiederauferstehen und macht dabei viel mehr richtig, als die Macher der unzähligen Sequels zuvor.

Filmfacts: «Halloween»

  • Start: 25. Oktober 2018
  • Genre: Horror
  • Laufzeit: 116 Min.
  • FSK: 16
  • Kamera: Michael Simmonds
  • Musik: Cody Carpenter, John Carpenter, Daniel A. Davies
  • Buch: David Gordon Green , Danny McBride, Jeff Fradley
  • Regie: David Gordon Green
  • Darsteller: Jamie Lee Curtis, Judy Greer, Andi Matichak, Nick Castle, Will Patton, Haluk Bilginer
  • OT: Halloween (USA 2018)
«Halloween – Die Nacht des Grauens» gehört zu den Wegbereitern dessen, was Ende der Siebziger- und Anfang der Achtzigerjahre unter dem Begriff «Slasher» das Horrorkino prägte. Obwohl die Ursprünge des bisweilen aus subjektiver Sicht eines bewaffneten Killers erzählten Subgenres im morbiden Film bereits in den Dreißigern liegen («Thirteen Women») und später mit «Peeping Tom» und «Psycho» erstmals eine breite Masse an Zuschauern erreichten, versteht man unter John Carpenters Meilenstein bis heute so etwas wie die Geburtsstunde des modernen Schlitzerkinos. Die Bausteine: ein (ikonentauglicher) Killer, eine Stichwaffe und ein Haufen Opfer im Teenageralter, dessen Zusammensetzung aus verschiedenen Figurentypen sich mit der Zeit immer mehr ähnelten. Einige der daraus entstandenen Franchises wie «Nightmare On Elm Street» und «Freitag, der 13.» brachten es zu beachtlichen Ausmaßen, Bösewichter wie Freddy Krueger oder Jason Vorhees zum Kultstatus. Auch «Halloween» blieb nicht lange ein alleinstehender Film, sondern brachte es auf sieben Fortsetzungen, ein Reboot und ein Sequel zu ebenjenem Reboot. Heute, im Jahr 2018, kommt ein weiterer Film hinzu, der sich erzählerisch als Fortführung der Ereignisse aus dem ersten Teil versteht und alles von «Halloween II – Das Grauen kehrt zurück» über «Halloween H2O» bis zu «Resurrection» unberücksichtigt lässt und darin getätigte Aussagen sogar bisweilen als „Legende“ abtut.

Der Michael Myers aus dem Jahr 2018 ist also der Michael Myers aus dem Jahr 1978, nur dass er seitdem 40 Jahre in einer Psychiatrie verweilte, anstatt wie wild weitergemordet zu haben. Dieser Ansatz ist stimmig und hat einen plausiblen Ursprung: Regisseur und Co-Autor David Gordon Green («Stronger») nimmt den Zuschauer aus der Pflicht, die Teile zwei bis acht sehen zu müssen, um die Vorgänge im neuen «Halloween» verstehen zu können. Obendrein muss er sich lediglich auf den Ursprung der Reihe – den Kampf zwischen Michael Myers und Scream Queen Laurie (die, so fällt es im Film, nicht seine Schwester ist) – konzentrieren. Das funktioniert alles sehr gut, wirkt im Vergleich zum auf Jumpscares und Effekthascherei fast ein wenig aus der Zeit gefallen. Dafür wirken der Look und die dem Zeitgeist angepassten Gewaltspitzen wie ein Zugeständnis an das moderne Horrorfilmpublikum. Und in dieser Mischung aus inszenatorischer (und laut ausgesprochener) Hommage an das Original und konsequente Weiterentwicklung funktioniert «Halloween 2018» am besten

Er ist wieder da


Seit er vor vierzig Jahren mit einer brutalen Mordserie die amerikanische Kleinstadt Haddonfield terrorisierte, sitzt Michael Myers (Nick Castle), abgeschottet von der Außenwelt, in einer psychiatrischen Anstalt in Haft. Als er zusammen mit anderen hochgefährlichen Insassen verlegt werden soll, passiert die Katastrophe: Der Gefangenentransport verunglückt nachts auf offener Straße und er kann fliehen. Angetrieben von seinem bestialischen Drang zu morden, macht sich Myers auf nach Haddonfield, und der entsetzliche Albtraum beginnt für die Bewohner aufs Neue. Nur Laurie (Jamie Lee Curtis), die dem maskierten Killer seinerzeit nur knapp entkommen konnte, ist vorbereitet, sich dem personifizierten Bösen entgegenzustellen…

Im Trailer wirkt die jetzt schon ikonische Szene, in der zwei Podcaster Michael Myers auf einem schachbrettbemusterten Gefängnisinnenhof mit seiner Maske konfrontieren (worüber man allein unter logischen Gesichtspunkten einfach nicht länger nachdenken sollte) wie ein Highlight. Im Film dagegen fängt das Grauen allerdings erst danach so richtig an. Schließlich muss der zu Beginn noch gar nicht maskierte Hüne erst einmal aus der Haftanstalt ausbrechen, eh er überhaupt dazu kommt, seine Heimatstadt passend zu Halloween ein zweites Mal heimzusuchen. Der Ablauf zwischen Michaels Aufenthalt in der Psychiatrie und seinem einmal mehr sehr gediegen vonstattengehenden Amoklauf in Haddonfield erweist sich überraschend als die stärkste Passage im Film. Zum einen weiß man zu diesem Zeitpunkt noch nicht, inwiefern sich die Macher an die Zeichnung des schleichenden, stummen Nihilisten halten werden (es wäre ja durchaus möglich, dass der Michael Myers aus dem Jahr 2018 viel schneller oder redseliger unterwegs ist). Zum anderen ist allein schon die Inszenierung spannend, denn wie geschickt Kameramann Michael Simmonds («Nerve») die Frontalansicht der Horrorikone umgeht, sodass man trotz Demaskierung nie in der Lage ist, Michael einmal in voller Pracht zu sehen (diesen zum Original vollkommen gegensätzlichen Ansatz wählte einst Rob Zombie für seinen umstrittenen «Halloween II» aus dem Jahr 2009).

Gleichzeitig nimmt es Michael allein durch die Erkenntnis, dass diese Figur sehr wohl ohne Maske existieren kann, gerade genug seines Boogeyman-Status, um ihn letztlich noch furchteinflößender zu machen. Dieser Killer ist keine übernatürliche Killergestalt, sondern ein ganz normaler Mensch, auf den seine Maske – so deutet es besagte Szene auf den Gefängnishof an – eine ganz besondere Wirkung hat. Und wenn er schon ohne Maske brutalste Dinge mit seinen Opfern anstellt, wie soll es sich dann erst verhalten, wenn er mit Maske unterwegs ist?

Mehr Blut, mehr Laurie, dasselbe Tempo


Was jetzt so klingt, als würden die Macher einen übermäßig psychologisierten Ansatz wählen, macht allerdings nur einen Teil der Faszination für den 2018er-«Halloween» aus. Und das ist schade, denn auch, wenn Puristen des Franchises den neuen Teil wohl vor allem deshalb lieben werden, weil sich die Macher in den wichtigsten Punkten an dem sehr minimalistischen Original orientieren (inklusive des passenden Vorspannes, für den nicht bloß auf die Originalmusik, sondern auch auf die Schriftart des 1978er-Originals und ein nahezu identischer Aufbau angewendet wurden), mangelt es dem Film dadurch hier und da an Dynamik und – ganz simpel – Spannung. Zwar kommt der neue «Halloween»-Teil angenehmerweise mit nur wenigen Jumpscares aus und verlässt sich ganz auf Michaels damals wie heute furchteinflößende Ausstrahlung – in einer der besten Szenen sieht man ihn einfach nur minutenlang durch die auf den Straßen Haddonfields stattfindenden Halloween-Feierlichkeiten gehen, in fremde Zimmer spähen und sich für die kommenden Bluttaten bewaffnen. Doch all das hat man eben schon gesehen. Und wenn das Skript, für das nicht bloß David Gordon Green, sondern auch Danny McBride («Your Highness») und Jeff Fradley («Vice Principals») verantwortlich zeichneten, einmal eigene Wege geht, dann sind diese mitunter ziemlich hanebüchen (Stichwort: Psychologe).

Wesentlich besser gelungen ist da schon die Charakterisierung Lauries und das um sie herum aufgebaute Familienkonstrukt. Die Ereignisse in «Halloween – Die Nacht des Grauens» haben nämlich nicht bloß bei Laurie ordentliche Spuren hinterlassen, sondern daraufhin auch bei ihrer Familie. Dieser Umgang mit den psychischen Folgen einer solchen Tat wird in vielen anderen Horrorfranchises nämlich nur zu gern beiseitegelassen; Gordon Green und seine Crew begehen diesen Fehler nicht.

Jamie Lee Curtis stiehlt allen die Show


Rückkehrerin Jamie Lee Curtis («Scream Queens») verkörpert die gleichermaßen gebrochene wie resolut auf ihre Rache wartende Laurie so, als hätte sie in den vergangenen Jahren tatsächlich die ganze Zeit auf ihre Gelegenheit zum Rückschlag gewartet. Curtis ist äußerlich zwar sichtbar gealtert, doch in kleinen Details macht sie deutlich, dass wir es bei der Laurie von heute immer noch mit der Laurie von damals zu tun haben; nur mit einer, die das Verhalten eines Michael Meyers mittlerweile studiert hat und sich somit als ebenbürtige Gegnerin erweist. Dass ihr emotionaler Ausnahmezustand aus Angst und Wut auch Auswirkungen auf ihre Tochter (Judy Greer) hatte, greift das Skript ebenfalls glaubhaft auf und wird von der ewigen Nebendarstellerin («Ant-Man and the Wasp») ebenfalls authentisch verkörpert. Dass aus der finalen Jagd auf Michael so etwas wie ein Generationenkampf wird, wirkt zwar ein wenig aufgesetzt, im Kontext des Filmuniversums hat Laurie diese symbolische Genugtuung aber auch irgendwie verdient.

Verdient haben in Michael Myers‘ Augen auch viele unschuldige Menschen den Tod – und diese Morde fallen im neuen «Halloween» entsprechend blutig aus; deutlich expliziter noch, als im sich vorwiegend auf die Andeutung konzentrierenden Original, das in erster Linie an die Fantasie des Zuschauers appellierte. Da werden Gesichter zertrümmert, Kehlen durchgeschnitten und Messer in Leiber gerammt. Ein wenig Blut sollte man daher schon vertragen, um an «Halloween» Gefallen zu finden. Wer das tut, bekommt allerdings nicht bloß einen mehr als soliden Horrorfilm präsentiert, sondern vor allem eine ambitionierte Hommage an die Vorlage, denn vor allem die vielen Querverweise in diese Richtung (diesmal ist es beispielsweise Laurie, die plötzlich irgendwo auftaucht und wieder verschwindet – ganz so, wie das damals noch Michael tat) sorgen hin und wieder sogar für einen Hauch leisen Humor. Und das verhilft dem «Halloween» aus diesem Jahr dann erst recht zu einer eigenen Note.

Fazit


Der neue «Halloween» ist in erster Linie eine Hommage an den Originalfilm von John Carpenter, der vor allem die Liebhaber des Siebzigerjahre-Klassikers zufriedenstellen dürfte. Das ganz große Horrorfilm-Highlight ist er nicht, doch gerade als Genrebeitrag für’s Halloween-Wochenende ist er als ruhiger Nostalgiehorror mit modernen Elementen einen Blick wert.

«Halloween» ist ab dem 25. Oktober bundesweit in den deutschen Kinos zu sehen.

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