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Das Ende von «Homeland»: Nach Brody war die Luft raus

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Es gibt Serien, die man voller Begeisterung beginnt, deren letzte Kapitel man aber nur als besonders treuer Zuschauer erlebt. «Homeland» gehört genau in diese Kategorie. Der Politthriller, der einst als Prestigeprojekt startete und für seine ersten Staffeln mit Emmys überhäuft wurde, verlor im Laufe der Jahre viele seiner einst Millionen Fans – zu komplex, zu politisch, zu weit weg vom anfänglichen emotionalen Kern, so das Urteil vieler.

«Homeland» gehörte in den frühen 2010er-Jahren zu den wichtigsten politischen Thrillern des amerikanischen Fernsehens. Mit dem Emmy-Gewinnerduo Claire Danes und Damian Lewis gelang Showtime eine Serie, die Terrorangst, Geheimdienstmythen und moralische Grauzonen des „War on Terror“ in einer seltenen Intensität erzählte. Viele begannen «Homeland» als Pflichtserie – doch nur ein Teil der Zuschauer blieb bis zur achten Staffel. Zu komplex, zu wechselhaft, zu viel Reboot auf Reboot, so lautete die Kritik. Dabei lohnt sich ein Blick auf die späteren Jahre, denn gerade die letzten Staffeln zeigen eine Serie, die sich neu erfand, alte Stärken wiederfand und mit einem ungewöhnlich würdevollen Ende abschloss.

Die ersten vier Staffeln galten als kreativer Kern: Carrie Mathisons psychische Instabilität, Nicholas Brodys moralischer Absturz, die Auflösung der Verschwörung um Vizepräsident Walden und die emotional verwüstete dritte Staffel – all das ist weithin bekannt. Doch was geschah danach? Was passierte in den Staffeln, die viele Zuschauer nicht mehr verfolgt haben? Und wie kam die Serie schließlich zu einem Ende, das ihre Protagonistin noch einmal auf den Prüfstand stellte?

Staffel 5: Berlin, Snowden-Vibes und ein Neubeginn


Die fünfte Staffel markierte einen wichtigen Wendepunkt – inhaltlich wie visuell. Die Produktion zog nach Berlin, um eine Geschichte über Datenlecks, Nachrichtendienste und Medien zu erzählen. Carrie lebt nicht mehr bei der CIA, sondern arbeitet als Sicherheitsberaterin für eine Stiftung. Was auf dem Papier nach einem spannenden Reboot klang, spaltete die Zuschauer: Die Snowden-Anspielungen wirkten für manche zu offensichtlich, die neue Ausrichtung weniger emotional. Gleichzeitig wurde deutlich, dass «Homeland» ohne Brody eine gewisse narrative Lücke nicht vollständig füllen konnte. Die Serie suchte nach einer neuen Identität – und Berlin wurde dafür zum Testlabor. Trotzdem: Die Staffel war ambitioniert. Terrorzellen, russische Geheimdienste, Whistleblower, Medienmanipulation – selten war «Homeland» so europäisch geprägt. Claire Danes spielte erneut stark, aber die persönliche Fallhöhe war geringer. Die Zuschauerquote sank, international verlor die Serie an Popkulturpräsenz. Und doch war Staffel 5 ein notwendiger Schritt, um sich von den „Brody-Jahren“ zu lösen.

Staffel 6: Amerika nach der Wahl – eine Vision, die der Realität vorausgriff


In der sechsten Staffel kehrte die Serie zurück in die USA und tauchte in eine politisch aufgeladene Atmosphäre ein. Eine neugewählte Präsidentin, Geheimdienstintrigen und eine Kampagne gegen Fake News bestimmten die Handlung. Auffällig: Viele Elemente der Staffel erschienen wie Vorwegnahmen der Trump-Jahre, obwohl die Produktion vor seiner Wahl entstand. Damit lieferte «Homeland» plötzlich wieder gesellschaftliche Relevanz – genauso wie in den frühen Jahren.

Carrie arbeitet für eine Bürgerrechtsorganisation in New York, während Saul und Quinn stärker in den Fokus rücken. Besonders Quinns Charakterbogen spaltete die Fanbase. Seine schwere Verletzung aus Staffel 5 und die drastischen Folgen machten ihn zu einer tragischen Figur, die nicht immer logisch geschrieben wirkte. Gleichzeitig gewann die Serie an politischer Tiefe, verlor aber emotional – eine Kombination, die manche Zuschauer faszinierte und andere ermüdete.

Kritiker lobten den Mut, sich auf innenpolitische Themen einzulassen, doch erzählerisch ging die Staffel zu breit vor. Zu viele Agenda-Plotlines, zu wenig Fokus auf Carrie Mathisons innere Konflikte. Dennoch markierte Saison 6 den Versuch, Homeland wieder als Spiegel des Zeitgeschehens zu etablieren.

Staffel 7: Fake News, Verschwörungen und der Weg ins Chaos


Mit der siebten Staffel wurde die politische Ballung noch dichter. Carrie lebt mittlerweile bei ihrer Schwester, schwer gezeichnet von Medikamentenentzug und psychischer Instabilität. Die USA kämpfen mit einem Präsidenten, der dem Geheimdienst misstraut und eine Atmosphäre des Ausnahmezustands schafft. Die Staffel wurde oft kritisiert, weil sie zu sehr nach politischer Überhitzung klang. Zwischen Verschwörungstheorien, paramilitärischen Bürgerwehren und einer zunehmenden Paranoia wirkte «Homeland» manchmal wie ein Thriller, der der Realität zu nahe kommt – nur ohne die emotionale Erdung der frühen Jahre. Carrie selbst war wieder stärker im Zentrum, aber ihr Leiden wurde von vielen als narrativ repetitiv wahrgenommen.

Gleichzeitig schafften es einige Folgen, die fragile Grenze zwischen Geheimdienstarbeit und politischer Manipulation eindrucksvoll auszuleuchten. Besonders Sauls Rolle als Diplomat und Vermittler brachte wieder die alte «Homeland»-Tiefe zurück: moralische Dilemmata und keine einfachen Antworten.

Staffel 8: Das Finale – Afghanistan, ein Kreis schließt sich


Die finale Staffel führte die Figuren dorthin zurück, wo die Serie einst thematisch begann: nach Afghanistan. Carrie, noch immer geschwächt nach ihrer Gefangenschaft in Russland, soll Saul helfen, ein Friedensabkommen mit den Taliban auszuhandeln. Doch ihre Loyalität steht infrage, ihre Erinnerungen sind bruchstückhaft und die CIA zweifelt an ihr.

Die Serie gewann erstmals seit Jahren wieder universales Lob. Die letzten zwölf Folgen verbinden Politthriller, Charakterdrama und geopolitische Komplexität auf Augenhöhe. Der Konflikt mit Pakistan, die fragile Machtbalance in Kabul, die Misstrauensspirale innerhalb der CIA – all das wirft Carrie in eine Situation, in der sie weder neutral noch berechenbar ist.

Entscheidend für das Ende ist Carries Beziehung zu Saul. Er ist ihr Mentor, ihr moralischer Kompass, oft ihr einziger Halt. Als eine Aufnahme auftaucht, die Sauls Kontaktmann enttarnen und damit eine internationale Krise auslösen könnte, steht Carrie vor einem brutalen Dilemma: Behält sie Sauls Geheimnis – oder verrät sie ihn, um einen Krieg zu verhindern?

Die letzte Folge wirkt wie eine Rückkehr zur Essenz von «Homeland»: moralische Kälte, politische Notwendigkeiten und persönliche Opfer. Carrie entscheidet sich gegen Saul, weil sie überzeugt ist, dadurch ein Blutvergießen zu verhindern. Sie verrät ihn, zerstört ihr altes Leben – und beginnt ein neues. Im Epilog sieht man sie in Moskau, nahe an der russischen Machtelite, eine Art inoffizielle Doppelagentin. Saul erhält von ihr ein Buch mit versteckten Codes: Carrie lebt zwar im Exil, aber sie arbeitet weiter – wie einst Brody. Ein Kreis, der sich nicht sentimental schließt, sondern nüchtern und analytisch.

Warum viele Zuschauer schon früher ausgestiegen sind


«Homeland» blieb nie stehen. Doch dieser Mut hatte einen Preis. Die Serie wechselte mehrfach Genre und Tonfall – von der nervlich angespannten Brody-Psychostudie über geopolitische Plotmaschinen bis hin zu einem Politthriller mit globalem Radius. Jede Neuausrichtung kostete Zuschauer. Ein zweites Problem: Carries instabile Psyche wurde zwar brillant gespielt, aber nicht immer variabel erzählt. Manchmal wirkte die Produktion selbst erschöpft davon, Carrie erneut in den Abgrund zu stoßen.

Staffel 5 bis 7 waren zudem weniger ikonisch als die frühen Jahre. Statt großen emotionalen Bögen gab es viel politische Theorie. Homeland war oft intelligent, aber nicht immer mitreißend. Viele Zuschauer sehnten sich nach dem intimen Kammerspiel der ersten Episoden – dem Katz-und-Maus-Spiel zwischen Carrie und Brody.

Staffel 8 wurde von vielen Kritikern als „spätes Meisterwerk“ bezeichnet. Endlich bekam die Serie wieder eine klare Richtung, eine konkrete Mission, reales politisches Gewicht und eine starke emotionale Basis. Carrie Mathisons finale Entscheidung wirkt bitter, aber konsequent. Das Ende bricht nicht mit dem, was «Homeland» war, sondern führt es zu seinem logischen Ende: Loyalität ist relativ, Moral ein Werkzeug, und Wahrheit ein geopolitisches Konstrukt. Carrie ist am Schluss keine Heldin und keine Verräterin. Sie ist das, was «Homeland» auszeichnet: eine Figur, die bereit ist, alles zu opfern – ihre Freiheit, ihre Moral und sogar ihren engsten Verbündeten –, um ein politisches Gleichgewicht zu sichern. Dass die Serie so endet, ohne Pathos, ohne Heldenmythos, sondern mit einer kalten Schachbrettlogik, ist fast schon mutig.

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