Cast & Crew
Vor der Kamera:Richy Müller als Thorsten Lannert
Felix Klare als Sebastian Bootz
Manuel Rubey als Jakob Gregorowicz
Britta Hammelstein als Katharina Gregorowicz
Hans Löw als Moritz Ullmann
Carolina Vera als Emilia Alvarez
Mimi Fiedler als Nika Banovic
Hinter der Kamera:
Produktion: Südwestrundfunk
Drehbuch: Martin Eigler (auch Regie) und Sönke Lars Neuwöhner
Kamera: Andreas Schäfauer
Der Titel dieser neuen «Tatort»-Folge weist uns bereits darauf hin: Natürlich stimmt das alles nicht. Gregorowicz hat Berger allein im letzten Jahr wohl ein halbes Dutzend Mal getroffen. Außerdem hat er bei Geschäften mit dem stinkreichen Finanzmanager sechsstellige Beträge verloren – eine Bedrohung für die wirtschaftliche Existenz der Familie, wie er seiner schockierten Frau Katharina (Britta Hammelstein) eröffnet.
Gregorowicz‘ Lügengebilde werden immer ausladender und schwerer zu kontrollieren. Ruhig, bedacht, professionell und in realitätsnahen Szenen eröffnen Bootz und Lannert ihm immer wieder neue Möglichkeiten, mit der Wahrheit rauszurücken, das Verfahren abzukürzen, mit der Sache ins Reine zu kommen. Doch auch seinem Anwalt schenkt er nie reinen Wein ein. Gregorowicz verheimlicht etwas, aber das macht ihn noch lange nicht zum Schuldigen. Seine Motive bleiben schwammig, undurchschaubar, mitunter abstrus – damit gelingt es diesem Film nicht nur, konsequent die Spannung hoch zu halten, sondern auch einen psychologischen Zugang zu seiner Hauptfigur zu finden, wie es nicht viele deutsche Fernsehkrimis vermögen.
Der Schlüssel liegt in der Perspektive, im Fokus auf den ominösen und gleichzeitig normalen „Mann, der lügt“. Lannert und Bootz sind in diesem «Tatort» eindeutig die Nebenfiguren. Wenn man vornehmlich in Erwartungshaltungen und Sendeplatzformeln denkt, mag man das experimentell nennen. Konzentriert man sich stattdessen auf das Wesentliche – eine gute, spannende, einnehmende, interessante Geschichte – ist dieser Umstand besser als konsequent und folgerichtig beschrieben.
Es ist erstaunlich, wie leise dieser Film bleibt, wie wenig er – im Vergleich zu anderen Sonntagabendkrimis – die tatsächliche Polizeiarbeit verfremden und aus ihr eine realitätsferne Karikatur machen muss: vielleicht mitunter deshalb, weil nicht ständig neue Ermittlungserkenntnisse die nächste Wendung einleiten müssen. Stattdessen folgt die Dramaturgie dem Mann, dessen Leben durch die zunehmenden Verdachtsmomente der Polizei aus den Fugen gerät. Angenehm subtil und unaufdringlich vermittelt dieser «Tatort» dabei eine Haltung, die für die meisten deutschen Krimis schon zu intellektuell und rechtsstaatlich ist: Nur, weil jemand die Polizei anlügt und etwas zu verbergen hat, heißt das noch lange nicht, dass er ein Verbrecher, geschweige denn ein Mörder ist.
Doch „Der Mann, der lügt“ funktioniert auch jenseits seiner über den Inhalt hinausgehenden Ambition – nämlich als einnehmende Erzählung über eine unerhörte Begebenheit, als spannendes Traktat über einen Mann, der immer alles kontrollieren konnte, bis die Polizei in Gestalt von Lannert und Bootz in sein Leben trat: Männer, die wir als sonntagabendliche ARD-Zuschauer kennen, die uns sympathisch und vertraut sind. Aber das muss nicht für alle gelten – etwa für den Mann, der lügt. Das Spiel mit den Perspektiven, das dieser Film treibt, nimmt seine Zuschauer nicht aus – und macht dadurch seine Dramaturgie perfekt.
Das Erste zeigt «Tatort – Der Mann, der lügt» am Sonntag, den 4. November um 20.15 Uhr.
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