Die Kritiker

«Stille Nächte»

von

Katharina Schüttler, Matthias Koeberlin, Katharina Thalbach und Hanns Zischler bestechen in einer ruhigen, authentischen Tragikomödie über weihnachtlich-familiäre Flunkereien.

Cast und Crew

  • Regie: Horst Sczerba
  • Drehbuch: Horst Sczerba
  • Darsteller: Katharina Schüttler (als Rita), Matthias Koeberlin (als Georg), Katharina Thalbach (als Clara) und Hanns Zischler (als Paul)
  • Kamera: Hagen Bogdanski
  • Szenenbild: Isolde Rüter
  • Kostümbild: Tina Klietz
  • Schnitt: Tina Freitag
  • Musik: Oliver Heuss
  • Produktionsfirma: Studio Hamburg
Weihnachten, Fest der Liebe. Der Geschenke. Des Schlemmens. Der Familientreffen. Und vor allem: Fest der Flunkereien. „Ach, Schatz, was für ein schönes Geschenk!“, „Oh, keine Sorge, Kind, die Soße ist kalorienarm!“, „Wir würden ja gerne zu Besuch kommen, bloß liegt bei uns meterhoher Schnee ...“ Regisseur und Autor Horst Sczerba nimmt sich diesem im jährlichen Blizzard an Weihnachtsfilmen so gern übersehenen Aspekt der winterlichen Feierlichkeiten an – und spinnt daraus eine bittersüße, charmante Erzählung. In deren Mittelpunkt: Eine beispiellos verlogene, liebevolle vierköpfige Familie, bei der sich Jahr für Jahr dasselbe Spiel abspielt …

Der Krankenpfleger Georg (Matthias Koeberlin) ist eigentlich glücklich in seinem Beruf. Es sei denn, die Weihnachtstage nähern sich. Dann führt er sich wieder vor Augen, wie sehr sich seine Eltern abrackerten, um ihm eine möglichst strahlende Zukunft zu ermöglichen. Irgendwann erzählte er ihnen daher, dass er als Arzt arbeitet. Nun, Jahre später, steckt er zu tief im Lügensumpf, als dass er es übers Herz brächte, ihnen reinen Wein einzuschenken. Zumal er ihnen auch eine andere, enttäuschende Wahrheit verschweigt: Er lebt seit einiger Zeit von seiner Jugendliebe Rita (Katharina Schüttler) getrennt. Da Papa Paul (Hanns Zischler) und Mama Clara (Katharina Thalbach) seit jeher einen Narren an ihrer Schwiegertochter gefressen haben, spielen sie beim Weihnachtsessen das glückliche Ehepaar. Rita bittet ihren Ex-Gatten zwar, den Mummenschanz zu beenden, aber im Jahr darauf geht alles wieder von vorne los. Diese, sagen wir, freigeistige Einstellung gegenüber Wahrheiten liegt aber eh in der Familie: Auch Georgs Eltern haben so ihre Geheimnisse, genauso wie Rita, die sich gegenüber ihrem einstigen Lebenspartner als erfolgreiche Leiterin eines Friseursalons ausgibt. Tatsächlich kämpft ihr Geschäft allerdings ums Überleben …

Während sich andere Filme bevorzugt dem Konsumaspekt, der religiös begründeten Besinnlichkeit oder den familiär-nostalgischen Reizen des Weihnachtsfests widmen, nutzt «Stille Nächte» den Feiertag streng genommen nur als Aufhänger, um die vier zentralen Figuren zusammenzuführen. Der Anlass könnte auch ein völlig anderer sein, thematisch hätte es keinen großen Einfluss. Die Stärke dieses feinen Fernsehfilms ist, dass paradoxerweise gerade durch diese Unaufdringlichkeit der wahre Kern des Weihnachtsfests getroffen wird. Ohne mit einem in Lametta gehüllten Holzhammer auf den Zuschauer einzuschlagen, beäugt Sczerba, was Fürsorge, Barmherzigkeit und auch der Wille, Dinge zu verzeihen, in einer mehr oder minder zeitgemäßen Familie bedeuten.

Ganz untypisch fürs gern moralisierende öffentlich-rechtliche Fernsehen verurteilt «Stille Nächte» seine flunkernden Figuren nicht. Stattdessen zeigt Sczerba in seiner stillen, einfühlsamen Tragikomödie Nachsicht für die sich anhäufenden Notlügen und Ausflüchte der vier fein skizzierten Figuren. Diese wirken mit ihren komplexen emotionalen Regungen authentisch – und dennoch sorgen sie mit einer leichten Überzeichnung durch ihre engagierten Darsteller für den nötigen, filmischen Esprit. Den machen die Schauspieler und Sczerbas eingangs minimal temporeicherer Erzählfluss vor allem im ersten Akt bemerkbar, was die grundlegende Idee des Films plausibel erscheinen lässt. Denn sind wir ehrlich: So große Weihnachtslügen werden in dieser Schlagzahl nur in den wenigsten Familien aufgetischt. Aber so verzweifelt und ideenreich, wie Georg und Rita in den ersten Filmminuten auftreten, kauft man es ihnen dann doch ab.

Noch während des ersten der in «Stille Nächte» gezeigten Familientreffen lässt das Tempo allerdings nach. Die Szenen gewinnen dafür an Genauigkeit, sind aber durch präzisen Schnitt und eine ungekünstelte, die ganze mimische Stärke der Hauptdarsteller ins Zentrum stellende Bildsprache niemals schleppend. Und da nur die Weihnachtstage gezeigt werden, kommt ein reizvolles Spiel mit der Verknappung hinzu, dass diese humorige und auch traurige Story enorm bereichert. Und das Publikum emotional involviert: Durch bewusst gewählte Variationen und Wiederholungen lässt «Stille Nächte» den Zuschauer die erzählte Geschichte in der Vorstellung vervollständigen, wodurch sie enorm an Intensität gewinnt. Sowohl in den lustigen Momenten als auch in den dramatischen.

Fazit: Vier starke Darsteller und ein raffiniertes, nie zu kitschiges, Skript. In «Stille Nächte» treffen ungezwungene Weihnachtsstimmung auf Witz und dramatische Authentizität. Einfach schön.

«Stille Nächte» ist am 5. Dezember 2014 um 20.15 Uhr im Ersten zu sehen.

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