Die Kino-Kritiker

«Die Pinguine aus Madagascar»

von

Die wahren Helden aus den «Madagascar»-Filmen bekommen endlich ihr eigenes Leinwandabenteuer.

Hinter den Kulissen

  • Regie: Simon J. Smith und Eric Darnell
  • Produktion: Mark Swift, Lara Breay und Tripp Hudson
  • Drehbuch: John Aboud, Michael Colton und Brandon Sawyer
  • Musik: Lorne Balfe
  • Schnitt: Nick Kenway
Die «Madagascar»-Trilogie gehört zu den ganz großen Rennern in der Welt des Animationsfilms. Weltweit spülte das Franchise aus dem Hause DreamWorks Animation über 1,88 Milliarden Dollar in die Kinokassen und allein in Deutschland verkaufte das tierische Quartett Marty, Alex, Melman und Gloria mehr als 16,75 Millionen Eintrittskarten. Mit ihrem immensen Publikumserfolg geben die launischen Zootiere so manchem Trickfilmliebhaber jedoch auch Rätsel auf. So auch dem Verfasser dieser Zeilen. Denn die chaotischen Komödien rund um die aus dem New Yorker Zoo ausgebüxten Cartoonhelden haben weder die Spitzfindigkeit der ersten «Shrek»-Teile, noch sind die Hauptfiguren solch interessante Persönlichkeiten wie die zentralen Helden in «Drachenzähmen leicht gemacht».

Dass die «Madagascar»-Streifen zu solchen Selbstläufern wurden, ist wohl zu nicht unerheblichem Teil vier schwarz-weißen Nebenfiguren zu verdanken: Den unberechenbaren, leicht durchgeknallten Pinguinen. Schon in Teil eins wurden sie zu wahren Publikumslieblingen, in Part zwei überflügelte ihr spritziger Subplot mühelos die eigentliche Story und auch in Teil drei sorgten sie für herzliche Lacher. Kein Wunder, dass das eingespielte Team bestehend aus Skipper, Rico, Kowalski und Private bereits seit 2008 in seiner eigenen Fernsehserie zu sehen ist. Da das quirlige, mit ungeheuerlich hohem Tempo vorgehende Format «Die Pinguine aus Madagascar» bewies, dass die watschelnden Vögel auf eigenen Füßen stehen können, fiel 2011 der Startschuss für die Produktion eines Pinguin-Kinofilms. Dieser orientiert sich trotz mancher Anspielungen auf die «Madagascar»-Filme näher am Tonfall der Nickelodeon-Fernsehserie, was einige Pluspunkte mit sich bringt – aber auch den einen oder anderen, kleineren Wermutstropfen.

Bevor die eigentliche, während «Madagascar 3: Flucht durch Europa» spielende, Handlung einsetzt, blicken die Regisseure Simon J. Smith («Bee Movie») und Eric Darnell («Madagascar 1 – 3») einige Jahre zurück und erzählen vom ersten Abenteuer der Seevögel: Die drei Pinguin-Kinder Rico, Skipper und Kowalski hinterfragen als einzige in ihrem Umfeld das eintönige Dasein, das ihre Artgenossen in der Antarktis führen. Als ein Ei dem nahezu sicheren Verderben entgegen kullert, bricht das starrköpfige Trio aus der Monotonie aus und setzt alles dran, es zu retten. Nach allerlei turbulentem Slapstick und bissigen Begegnungen mit einem sensationsgierigem Dokumentarfilm-Team ist das Ei in Sicherheit: Rico schlüpft und komplettiert als süßer Knirps das dem Kinogänger bereits bestens bekannte Pinguin-Team.

Zehn Jahre später machen Truppenführer Skipper (Stimme: Tom McGrath/Michi Beck), das vermeintliche Genie Kowalski (Chris Miller/Thomas D) und der wortkarge, verfressene Rico (Conrad Vernon/And.Ypsilon) ihrem Freund Private (Stimme: Christopher Knights/Smudo) ein ungewöhnliches Geburtstagsgeschenk: Einen (mit perfekt sitzenden Filmreferenzen gespickten) Einbruch in das US-Goldlager Fort Knox. Währenddessen kommt es jedoch zu Komplikationen, die Private wiederum vor Augen führen, dass er von seinen Weggefährten nicht als gleichwertiges, unverzichtbares Mitglied dieser Teilzeit-Geheimagenteneinheit betrachtet wird.

Eine Gelegenheit, seine Sorgen anzusprechen, hat Private nicht, denn in Fort Knox gerät das Quartett in die Fänge des manischen Oktopus Dave (John Malkovich/Ilja Richter). Dieser hat über Jahre hinweg einen Hass auf Pinguine entwickelt, weil diese mit ihrem knuffigen Auftreten weniger süßen Tieren jegliche Aufmerksamkeit stehlen. Nun aber hat er eine Geheimwaffe entwickelt, die es ihm ermöglicht, liebliche Tierchen in abscheuliche Kreaturen zu verwandeln. Aufgrund dieser Erfindung ist der Geheimdienst Nordwind hinter dem wahnsinnigen Schurken her. Und so kommt es zwischen den Pinguinen und Nordwind zum stetigen Zank um die Zuständigkeit in diesem Fall …

Der «Die Pinguine aus Madagascar»-Kinofilm hat paradoxerweise sowohl sehr viel Plot als auch sehr wenig Handlung: Zwar werden sehr viele Geschichten angeschnitten, die allesamt Auslöser für ihre ganz eigenen Gags sind, doch keiner dieser Plots wird sonderlich tief ausgelotet. Am ehesten schröpfen die Autoren John Aboud, Michael Colton und Brandon Sawyer Privates Wunsch nach Anerkennung, aber selbst dieser Handlungsfaden wird durch bewusst dick aufgetragene Zeilen von ihnen auch gelegentlich auf den Arm genommen.

Was der storytechnisch keine Überraschungen wagenden 132-Millionen-Dollar-Produktion an emotionaler Tiefe mangelt, macht sie durch ihr rasantes, an klassische «Looney Tunes»-Verrücktheiten erinnerndes Gagfeuerwerk wett. Ob origineller Wortwitz, denkwürdig alberne Dialoge (etwa die wiederholten Diskussionen der Pinguine über die Aussprache oder Bedeutung diverser Begriffe), gekonnte Popkulturreferenzen oder herrlicher Cartoon-Slapstick: In den rund 90 Filmminuten bleibt kaum ein Auge trocken, da nahezu jede Humorfarbe bedient wird.

Durch die zahlreichen, nicht sonderlich ausgeloteten Handlungsfäden will zwar nur selten echtes Kinofeeling aufkommen, wenn das von den Pinguinen ausgelöste Chaos aber leinwandfüllende Ausmaße annimmt, dann so richtig. Ob eine halsbrecherische, urkomische Verfolgungsjagd durch Venedig, der bereits in Teilen im Trailer gezeigte Sprung der Pinguine aus einem Flugzeug oder das ungezügelte Finale: «Die Pinguine aus Madagascar» will gar nicht erst am technischen Kräftemessen zwischen Disney/Pixar und DreamWorks Animation teilhaben, sondern mit seiner Farbenfreudigkeit, Energie und Lockerheit bestechen. Was nicht heißen soll, dass die Animation in dieser Produktion völlig ambitionslos ist: Der glitschige, wendige und andauernd theatralische Posen einnehmende Superschurke Dave sollte für jeden Animationsliebhaber eine wahre Freude sein. Dass er obendrein dank einer fantastischen Sprechperformance (egal ob im Original durch einen amüsierten John Malkovich oder im Deutschen durch den begnadeten Synchronsprecher Ilja Richter) die wohl lustigste Figur im Film ist, ist bei der vitalen Animation fast schon zweitrangig.

Die Geheimorganisation Nordwind derweil bleibt fast durchgehend blass: Der Eisbär Corporal (Peter Stormare/Dennis Schmidt-Foß) und die Robbe Kurze Lunte (Ken Jeong/Michael Pan) sind eher Ballast, auch Schneeeule Eva (Anna Mahendru/Conchita Wurst) bleibt kaum in Erinnerung. Allein der Nordwind anführende Wolf (Benedict Cumberbatch/Heino Ferch) verleiht dem Film mit seiner Selbstverliebtheit und Technikbesessenheit zusätzlichen Witz und eine gewisse Würze. Somit gilt bei «Die Pinguine aus Madagascar» dennoch das Gegenteil, was bei der «Madagascar»-Trilogie festzuhalten war: Hier sorgt der Großteil der Figuren ununterbrochen für Lacher, während nur einzelne Randcharaktere den Spaß ausbremsen.

Fazit: Mit seiner Unverblümtheit und hohen Gagfrequenz hat es «Die Pinguine aus Madagascar» ganz versiert auf die Lachmuskeln seiner Zuschauer abgesehen. Alles andere, etwa Plot, Logik und Charakterentwicklung, ist nur Geheimsache, äh, Nebensache.

«Die Pinguine aus Madagascar» ist ab dem 27. November 2014 in vielen deutschen Kinos zu sehen – in 2D und 3D.

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