Popcorn & Rollenwechsel

Nicht zu hart für Disney+

von   |  1 Kommentar

Der Katalog von Disney+ könnte eigentlich viel größer sein, würde man sich in Sachen Familienfreundlichkeit nicht so sehr auf die US-Mentalität konzentrieren ...

«Noises Off!»
Ein Regisseur (Michael Caine) hat es mit einer sehr verpeilten Theatergruppe zu tun – und selbst in der Nacht vor der Premiere verhaut sie die Proben. Doch das ist ein Witz dagegen, wie sehr diese Chaoten und Riesenegos das Theaterstück verhunzen, sobald es auf Tour geht.
Ein Theaterstück, drei verschiedene Aufführungen, unzählige Lacher!

"Schlimmster" Moment: Für unsereins vielleicht die eine oder andere Doppeldeutigkeit – aber nichts, was die FSK-ab-6-Freigabe des Films gefährden würde – oder zwischen manch frecheren Komödien auf Disney+ unangebracht wäre. In den USA wird auf PG-13-Niveau geflucht. Sollte man ja wohl überstehen …

Disney+-Wahrscheinlichkeitslevel: Sollte möglich sein!

«Vater der Braut» und «Ein Geschenk des Himmels – Vater der Braut 2»
Die «Vater der Braut»-Filme mit Steve Martin in der Titelrolle sind warmherzige, im besten Sinne harmlose Unterhaltung mit Slapstick, Situationskomik und Dialogwitz. In beiden Teilen geht es um den durchaus gut betuchten, nicht aber stinkreichen George Banks (nicht zu verwechseln mit dem George Banks aus «Mary Poppins»), der seine Tochter über alles liebt – und daher große Probleme hat, sich damit zu arrangieren, dass sie erwachsen geworden ist und flügge wird.

Die Filme sind Unterhaltung für Groß und Klein – Ältere können sich in Georges Sorgen hineinfühlen, Jüngere haben genug überspitzte Anblicke und schräge Nebenfiguren, um Grund zu haben, am Ball zu bleiben. Nicht ohne Grund liefen diese Filme in der «Disney-Filmparade»! Mit einer FSK-Freigabe ab sechs (Teil eins) und ab Null (Teil zwei) gibt es keinen Grund, sie nicht auf Disney+ zu veröffentlichen – zumal sie auch in den USA ein mildes PG-Rating haben.

"Schlimmster" Moment: Im ersten Teil nimmt George Banks das Wort "Kondome" in den Mund. Die Gesamtheit von «10 Dinge, die ich an dir hasse» ist deutlich drastischer – und der Film ist auf Disney+.

Disney+-Wahrscheinlichkeitslevel: "Warum verflixt sind diese Filme noch nicht drauf?"

«Quiz Show»
Robert Redfords vierfach Oscar-nominiertes Drama über den großen Quizshow-Betrug der späten 1950er-Jahre ist eine ruhig erzählte, medienethisch komplexe Auseinandersetzung damit, wer verwerflicher handelt: Die Verführenden oder die Verführten. Mit raffinierten Wortwechseln bestückt und von John Turturro, Rob Morrow und Ralph Fiennes super gespielt, verdeutlicht «Quiz Show», wie das Fernsehen seine Unschuld verlor und in Hinterzimmern ausgetüftelte Dramaturgie über Authentizität stellte. In Deutschland ist der Film ab sechs Jahren freigegeben – es passiert wirklich gar nichts, was Kinder beunruhigen könnte, aber die moralischen Fragen, die der Film aufwirft, dürften frühestens Jugendliche interessieren.

"Schlimmster" Moment: Öhm … eine Oscar-Quizfrage wird falsch beantwortet? Nein, ganz im Ernst: Nach deutschen Maßstäben ist der Film völlig harmlos. Nach US-Maßstäben stößt der Gebrauch des Wortes "Fuck" sauer auf – aber der Film hat trotzdem ein PG-13. Ist ein böses Wort wirklich schlimmer als sämtliche Gewalt in Marvel-Filmen? (*Hier Kommentar darüber einsetzen, dass die Amis spinnen*)

Disney+-Wahrscheinlichkeitslevel: Könnte auf manchen Märkten passieren – wenn sich bei Disney mal wer daran erinnert, dass man diesen Film im Katalog hat.

«Armageddon»
Diese Michael-Bay-Regiearbeit und Jerry-Bruckheimer-Produktion war eine Zeit lang (mit ABSTAND) der finanziell erfolgreichste Realfilm des Disney-Konzerns (ignoriert man die Inflation). Allein schon aus Disney-historisches Gründen hätte es «Armageddon» verdient gehabt, noch vor solchen Filmen wie den frisch eingekauften Fox-Titeln «Nachts im Museum», «X-Men: Apocalypse» oder «Percy Jackson: Diebe im Olymp» auf Disney+ zu landen! Und mit einer FSK ab zwölf in Deutschland sowie einem PG-13-Rating in den USA gibt es auch keine Ausrede, der Film sei zu hart. Ey, der hatte lange, lange, lange Zeit eine Attraktion in einem Disney-Park!

"Schlimmster" Moment: Stripperinnen für die prüden Amis. Der streng erzogene Deutsche regt sich derweil darüber auf, dass Ben Affleck mit seinem Essen spielt! HAT DEM SEINE MAMA NICHTS BEIGEBRACHT?

Disney+-Wahrscheinlichkeitslevel: "Ich verstehe nicht, wieso man sich so anstellt – der müsste schon längst drauf sein!"

«Der Staatsfeind Nr.1»
Dynamisch und stets vorwärtstreibend inszeniert von «Top Gun»-Regisseur Tony Scott, erzählt dieser Actionthriller aus dem Jahr 1998 davon, welche Möglichkeiten der Staat hat, um seine Bürger abzuhorchen und gegebenenfalls zu verfolgen. Was Ende der 1990er-Jahre für Teile des Kinopublikums noch haarsträubend-spekulativ erschien, wurde längst von der Realität überholt. Aber als kerniger, zügiger Paranoia-Film mit schneidigem, teils elektrischem Score und einer FSK-Freigabe ab zwölf Jahren könnte er sich mühelos zwischen den zweiten und dritten Teil der «Captain America»-Trilogie stellen und wohl niemanden würde es stören. Jedenfalls in Deutschland.

"Schlimmster" Moment: Der Film hat in den USA ein R-Rating, weil viel zu viel geflucht wird. Oh, und am Ende wird’s was blutig.

Disney+-Wahrscheinlichkeitslevel: Wegen der hohen US-Freigabe keine Chance – dafür denkt Disney abseits Indiens mit diesem Dienst nicht lokal genug. Dabei gibt es keinen vernünftigen Grund, den Film nicht in den Ländern verfügbar zu machen, in denen er kulturell als genauso hart betrachtet wird wie das Marvel Cinematic Universe.

«Dangerous Minds»
Bleiben wir bei Jerry Bruckheimer – der Mann war schließlich jahrzehntelang ein wichtiger und einflussreicher Bestandteil der Disney-Maschinerie. Gemeinhin ist er für seine Actionware bekannt, die auch lange Zeit ein hartes Niveau hielt, das schwer mit den Disney+-Standards zu vereinbaren ist. Filme wie «The Rock» oder «Con Air» kann selbst ich mir nicht auf Disney+ vorstellen – die sind was für's Blu-ray-Regal und vielleicht eines Tages für das europäische Hulu. Aber Bruckheimer hat ab und zu auch kleinere Filme gemacht – wie dieses Michelle-Pfeiffer-Vehikel über eine inspirierende Lehrerin, die eine chaotische, vorlaute Klasse ermutigt, mehr vom Leben zu wollen. Oft vergessener Fun Fact: Diesem Film haben wir Coolios "Gangsta's Paradise" zu verdanken.

"Schlimmster" Moment: Für unsereins wohl die dramatische Beinote dieses FSK-12-Dramas, für die Amis dagegen wieder einmal die ganzen schlimmen, schlimmen Schimpfwörter, die für ein R-Rating sorgten.

Disney+-Wahrscheinlichkeitslevel: Null Chance in den USA. Hierzulande? Nun, ein Streamingservice, der «Avengers | Infinity War» und «Sein Freund Jello» anbietet, dürfte eigentlich nicht über zu dramatische Enden meckern, aber …

«No Panic – Gute Geiseln sind selten»
Kleinganove Gus hat sich Weihnachten ganz anders vorgestellt: Eigentlich wollte er einfach nur ein bisschen räubern und plündern. Doch dann gerät er an eine unfassbar anstrengende Familie, für die er zum Kidnapper und Mediator wird. Diese schwarzhumorige, mit bös-schlagfertigen Dialogen versehene Weihnachtskomödie von Produzent Jerry Bruckheimer ist nach deutschem Gemüt gar nicht mal so fies – eine FSK ab sechs lässt sich doch auf Disney+ positionieren, oder? Naja, es wird schon sehr viel geflucht! Deutsche zucken da mit den Schultern, aber es ist schon Disney-untypisch viel …

"Schlimmster" Moment: … und viel, viel,viel zu viel und viel, viel, viel zu hart für die Amerikaner. Die Sprache allein brachte dem Film ein R-Rating ein. Völlig Disney+-untauglich. Und dann spielt ja auch noch Kevin Spacey mit …

Disney+-Wahrscheinlichkeitslevel: Verfickt niedrig.

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medical_fan
21.04.2020 20:41 Uhr 1
Die Amis sind schon merkwürdig.

Alkohol trinken ab 21, aber sobald man ein Gewehr halten kann, kann man einfach so losballern.

Sich wegen einem "Fuck"/"Shit" aufregen, aber der "H*rensohn" taucht auch in Networksitcoms auf... (was ich hier übrigens zensieren musste. Völlig zurecht.)

Die Amis sind eben merkwürdig.
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