Popcorn & Rollenwechsel

Das Bestechungsgespräch

von

Es ist nunmehr zum Alltag geworden: Wenn eine Filmkritik erscheint, dann mutmaßen alle, die ihr nicht zustimmen, dass sie ja eh nur das unehrliche Ergebnis einer Bestechung sei. Quotenmeter.de enthüllt: Tatsache! Diese Verschwörungstheorien sind wahr!

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Nachdem Sidney seine Ideale für 1.500 Euro, einen Blu-ray-Geschenkkorb und ein Disneyland-Wochenende aufgegeben hat, glüht etwas in ihm. Er verspürt erstmals das, was alle Journalisten verspüren. Gier!

Sidney greift zu seinem Smartphone.

Sidney (verschwörerisch, zu sich selbst): "Die liebe Antje hat doch bei uns «King Arthur: Legend of the Sword» positiv besprochen. Das kann doch nicht mit rechten Dingen zugegangen sein …"

Sidney wählt Antjes Nummer.

Antje (schwer zu hören): "Sidney? Hi! Ich warne dich schonmal, ich bin gerade … äh … auf 'ner Party. Musst kurz machen!"

Sidney (kackendreist): "Antje, war deine «King Arthur: Legend of the Sword»-Kritik geschmiert?"

Antje (abgeklärt): "Ähhh … ja? Klar? Was sonst?"

Sidney (erstaunt): "Na, das war ja einfach."

Antje (abgeklärt): "Na, unter Kollegen darf man ja drüber reden. Darf nur nie, nie, nie, niemals ein Außenstehender erfahren."

Sidney (fragend): "Aber auf der Party kannst du das gerade ins Handy brüllen?"

Antje (ernüchternd): "Mach dir nicht ins Hemd. Ich bin gerade auf einem Edel-Saufgelage, das Warner Bros. für Hamburger Journalisten gibt. Darum müssen wir uns beeilen. Der sexy Escorttyp, den ich mir mit der «King Arthur»-Review verdient habe, ist in fünf Minuten wieder frei, und ich bin rattig wie …"

Sidney (energisch): "Ja, ja, schon gut, schon gut. Muss ich nicht wissen. Aber gut, ich hab angerufen, weil ich wissen wollte, ob auch andere Studios als Disney Kritiker schmieren. Super. Die Frage ist geklärt. Dann schick mir doch mal die Nummer vom Schmierorganisator von Warner, bitte."

Antje (vorfreudig auf das, was Warner ihr in 4 Minuten, 30 Sekunden ermöglichen wird): "Oki. Kommt gleich. Und ich komm bestimmt auch gleich, also, die haben ja echt nicht gespart, der Typ sieht so verf…"

Sidney legt auf, weil er das nicht hören will. Er wartet auf die Nummer. Also, nicht Antjes Nummer. Sondern die Nummer, die sie zu senden versprochen hat. Und, voila: Sie ploppt auf seinem Smartphone auf. Er ruft dort an.

Eine sonore Bariton-Stimme meldet sich am anderen Ende der Leitung: "Bob Bribery, Senior Executive President of Opinion Leadership, Press Influencement, Media Palm Greasing, Down Jones Index Hacking and Penguin Petting bei Warner Bros. Entertainment Inc. Germany. Wir meinen – Sie schreiben. Wie können Sie uns helfen?"

Sidney (zielstrebig): "Sidney Schering hier, Filmkritiker und … ich finde «Wonder Woman» kacke!"

Hörbar bleibt Bob die Luft weg. Es klingt so, als würde er schockiert in seinem Sessel aufspringen und panisch auf seinem Schreibtisch herumwühlen: "Lieber Herr Schering, das, das, das … das tut uns so unfassbar leid. Aber, Sie müssen verstehen, uns und der weltgenderpolitischen Popkulturdebatte wäre es so, so, so ungeheuerlich wichtig, «Wonder Woman» den bestmöglichen Kritikerschnitt zu gewähren. Wie, wie, wie kann ich Ihnen nur helfen, über Ihre Unzufriedenheit mit diesem wunderbaren Film, wie Sie auch erkennen werden, hinwegzukommen?"

Sidney (spürend, die Oberhand zu haben): "Ich denke, 2.000 Euro mehr auf meinem Konto und eine Woche Urlaub auf dem Set von «Tomb Raider» würden mir helfen, zu vergessen, was mich an diesem Film störte. Oh, und, da fällt mir ein, ich habe weder von der «Harry Potter»-, noch von der Mittelerde-Saga die neusten Luxus-Blu-ray-Komplettsets ..?"

Bob (sich danach sehnend, «Wonder Woman» vor einer negativen Kritik zu bewahren): "Herr Schering, Herr Schering, ja, natürlich … Aber, Sie müssen verstehen, wir sind nicht so vertrauensselig wie diese Penner aus dem Mäusehaus, also, wir können Ihnen Ihre … …. … Ansichtsexemplare … …. … erst zukommen lassen, wenn die Kritik veröffentlicht wurde."

Sidney (seelenruhig): "Überhaupt kein Problem. Ich melde mich bei Ihnen. Schönen Abend noch."
Das war der zweite Akt, doch der Höhepunkt wartet auf uns …


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