Popcorn & Rollenwechsel

Das Johnny-Depp-Problem

von

Der Fall 'Johnny Depp und Amber Heard' muss an dieser Stelle einfach besprochen werden. Weil sich Kinokolumnist Sidney Schering aber nicht in die Nesseln setzen will, lässt er zwei Freunde darüber streiten.

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Amy: Man kann nicht zwischen Kunst und Künstler trennen. Nick, du glaubst ja nicht einmal an die Literaturphilosophie „Tod des Autors“, du verschlingst, wenn du denn mal liest, Schauspieler- und Regisseurbiografien, hörst Audiokommentare …
Nick: Und dennoch kann ich zwischen dem Privatleben und dem Arbeitsleben trennen. Jemand, der sich nie eines Verbrechens schuldig gemacht hat, kann hetzerische Bücher schreiben, und jemand, der privat grausame Dinge getan oder gedacht hat, kann schöne Werke verursachen. Roald Dahl war Antisemit. Roman Polanski hat Mädchen angefasst, die er nicht anfassen sollte. Über Woody Allen kann man sich sein Leben lang den Kopf zerbrechen, Tim Allen war Drogendealer, …

Amy: Alles Männer, denen du da verzeihst!
Nick: … Taryn Manning soll ihre Makeup-Assistentin geschlagen haben, Carmen Electra ihren Ex, Winona Ryder hat geklaut, mir doch alles egal, wenn ich deren Filme sehe.

Amy: Da ist aber ein riesiges Gefälle, was die Taten angeht. Und ich weiß ganz genau, dass ich mir guten Gewissens keinen neuen Johnny-Depp-Film werde anschauen können.
Nick: Wenn er schuldig ist und verknackt wird, dann kann er danach ruhig weiter Filme drehen. Ich werde die mir anschauen, wenn sie mich interessieren. Wenn wir alle Künstlerinnen und Künstler, die miese Schweine sind, aus unserer Medienwelt verbannen und ihre Werke auf einen moralischen Index packen, werden wir bald gar nichts mehr gucken, hören, lesen können. Außerdem: Wir glauben doch an Resozialisierung? Wenn er gesessen hat, soll er danach arbeiten.

Amy: Und Millionen von Dollar verdienen?
Nick: Ja. Gut. Das ist natürlich … Naja. Äh. Hollywood und seine Gagen …

Amy: Und manche deiner genannten Beispiele haben auch nie eingesessen! Polanski flieht seit Jahrzehnten.
Nick: Was mies ist, aber ich gucke gerne seine Filme … Ein … äh … Hoch auf die Kunst!?

Amy: Nick, du bewegst dich gerade auf ganz dünnem Eis.
Nick: Ja, das stimmt schon, aber du kannst der Filmwelt doch nicht Polanski verbieten. Ich sage auch nicht, dass das seine Taten wieder gut macht, aber … Eis? Ha. Jetzt weiß ich es. Amy, guck mal in unseren Kühlschrank. Was steht da im Eisfach? Brownie-Eis von Ben & Jerry’s. Und wer macht deren Brownies? Eine New Yorker Bäckerei, die Ex-Sträflinge anstellt. Wenn ich keine Filme mehr von bösen Männern gucken darf, dürfen wir auch kein Eis mehr von Ex-Knackis essen.

Amy: Die Ex-Knackis verdienen aber nicht Millionen von Dollar. Und sie haben wenigstens schon eingesessen.
Nick: Amy, du vermischst zwei oder gar drei Probleme. Also, darf ich nun Eis von Ben & Jerry’s essen? Lass mich für dich antworten: Ja. Denn die tun Gutes. Und helfen Leuten bei der Resozialisierung. Und wenn Depp schuldig ist, wird er sicher bestraft, und danach kann er auch ruhig Filme drehen.

Amy: Und du, Nick, sträubst dich vor gesellschaftlicher Verantwortung. Darüber hinaus: Die Ex-Sträflinge backen anonym. Johnny Depp rennt mit seinem Gesicht vielleicht weiter in Familienfilmen rum.
Nick: Aber er rennt nicht als er selbst rum. Außerdem: Wenn ich stärker zwischen Medienpersona und realer Person trennen kann als du, ist das ja meine Schuld. Oder mein Glück. Was auch immer. Wenn du da nicht trennen kannst oder willst, dann schau die Filme einfach nicht. Ist ja absolut okay. Außerdem will ich ja, dass er bestraft wird, wenn er es war.

Amy: Trotzdem haben wir dann einen Promi, der eine Frau geschlagen hat. Was soll das denn für eine Aussage für unsere Gesellschaft sein? „Hey, liebe Jungs. Wenn ihr eure Freundin schlägt, werdet ihr trotzdem berühmt, wenn ihr nur wollt ...“ Und was ich mich noch Frage: Wenn auf wundersame Weise doch ein Freispruch erfolgt? Wie denkst du dann?
Nick: Bei der Menge an Beweisen? Dann muss ja bewiesen werden, dass Heard lügt. Und bevor du fragst: Ja, auch dann würde ich mir weiter Amber-Heard-Filme angucken. Die hat ja endlich das Schauspielen gelernt …

Amy: NICK!
Nick: Oh. Fuck. Nein, nein, nein! So meinte ich das nicht! Ich meine, dass sie mir seit ein oder zwei Jahren endlich als Schauspielerin gefällt ... Gott, ich muss echt lernen, aufzupassen, was ich so sage …

Amy: Nick, was du so alles nicht weißt ...

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