Die Kino-Kritiker

«Knock Knock»

von

«Hostel»-Schöpfer Eli Roth begibt sich für seinen Home-Invasion-Thriller «Knock Knock» auf unblutiges Terrain - und Keanu Reeves in die Hände zweier irrer Verführerinnen.

Filmfacts: «Knock Knock»

  • Kinostart: 10. Dezember 2015
  • Genre: Thriller
  • FSK: 16
  • Laufzeit: 98 Min.
  • Kamera: Antonio Quercia
  • Musik: Manuel Riveiro
  • Buch: Eli Roth, Nicolás López, Guillermo Amoedo
  • Regie: Eli Roth
  • Schauspieler: Keanu Reeves, Lorenza Izzo, Ana De Armas, Aaron Burns, Ignacia Allamand, Dan Baily, Megan Baily
  • OT: Knock Knock (USA 2015)
Eli Roth ist ein Experte auf dem Gebiet der blutigen Inszenierung. Auf seine Kappe gehen Werke wie die «Hostel»-Filme (ausgenommen des unsäglichen, lediglich im Heimkino erschienen dritten Teils), der Hüttenschocker «Cabin Fever» oder der hierzulande bislang noch nicht veröffentlichte Kannibalenhorror «The Green Inferno». Da möchte man angesichts der Synopsis seiner neuesten Thrillerproduktion «Knock Knock» gar nicht zwingend davon ausgehen, dass Roth es hier ein wenig ruhiger angehen lässt. Erst recht nicht dann, wenn von Folter die Rede ist und davon, dass ein klassischer Home-Invasion-Plot erstmals auf ein vertauschtes Rollenmuster zurückgreift. Eli Roth macht für «Knock Knock» zwei attraktive Grazien zum Albtraum eines jeden, verheirateten Mannes. In der Hauptrolle: Keanu «John Wick» Reeves, den man nach diversen Actionreißern hier erstmalig als liebenden, zurückhaltenden Familienvater zu sehen bekommt. Doch nicht nur die interessante Prämisse tut sich aus dem Wust von halbgaren, ähnlichen Genrevertretern hervor, der Film bildet auch ein Novum in Roths bisher recht brutaler Vita. Folter ja, besonders explizit geht es vor der Kamera dann allerdings nicht zu. Der Regisseur verlässt sich in seiner Inszenierung bevorzugt auf psychische Folter und darauf, das Gros an Gewalttaten nicht etwa seiner Kamera, sondern der Fantasie des Zuschauers zu überlassen. So ist «Knock Knock» schlussendlich zwar ein tatsächlich recht reizvolles, da andersartiges Genreprojekt, aber auch ein solches, bei dem aufgrund des vermeintlich wichtigen Storytellings viel Potenzial auf der Strecke bleibt.

Architekt Evan (Keanu Reeves), hingebungsvoller Ehemann und Vater, genießt über das Wochenende einige ruhige Stunden zu Hause, während seine Frau Karen (Ignacia Allamand) und die Kinder im Strandurlaub sind. Als er nachts den attraktiven Freundinnen Genesis (Lorenza Izzo) und Bel (Ana De Armas) Zuflucht vor einem Unwetter gewährt, ahnt er nicht, dass er sich auf ein ebenso verführerisches wie tödliches Katz-und-Maus-Spiel eingelassen hat. Denn die beiden Femmes fatales sind an weitaus mehr als nur an einem nächtlichen Liebesabenteuer mit ihm interessiert. Gerade als Evan glaubt, die beiden kaltblütigen Ladies los zu sein, kehren Genesis und Bel zurück, um seinem beschaulichen Leben den endgültigen Todesstoß zu verpassen…

Grundsätzlich ist es auch bei Genre-Projekten immer lobenswert, wenn sich Filmemacher nicht bloß auf den schnellen Schock, sondern auch auf eine ausgearbeitete Dramaturgie verlassen wollen. Eli Roth, der nicht nur auf dem Regiestuhl platznahm, sondern auch das Drehbuch verfasste und als Produzent fungierte, nimmt sich viel Zeit, um seinen Protagonisten Evan zu etablieren. Das schaut auf den ersten Blick gar nicht so aus – immerhin lässt das Skript die beiden Schönheiten Genesis und Bel bereits nach rund einer Viertelstunde auf der Bildfläche erscheinen. Da bleibt in der vorher stattgefundenen Abschiedszeremonie von Frau und Kindern wenig Zeit, um dem sympathischen Architekten allzu komplexe Charakterzüge anzueignen, doch das Ausloten seiner moralischen Grenzen, Wertvorstellungen und Einblicke in Evans Seelenleben gibt es dafür in der nächsten Phase. Die von Roths Ehefrau Lorenza Izzo («Aftershock») und Ana De Armas («Blind Alley») einschüchternd aber hier und da an der Grenze zur Karikatur verkörperten Ladys liefern sich mit ihrem Retter in der Not ein Wechselspiel um gegenseitige Machtverhältnisse, bei dem sich sukzessive herauskristallisiert, dass Reeves’ Figur hier schon bald nichts mehr zu melden haben wird. Dabei legt das Drehbuch den Fokus nicht bloß auf den Wahnsinn der beiden Frauen, sondern auch auf die Frage, wie ausweglos die Situation für das (zunächst nur vermeintliche) Opfer überhaupt ist. Wo endet die Verführung und wo beginnt der Zwang? Das sind durchaus interessante Fragen, die bei «Knock Knock» jedoch nur marginal thematisiert werden.

Um solche Gedankengänge zu Ende zu führen und ernsthaft nach einer Antwort, vielleicht sogar der Quintessenz einer derartigen Diskussion zu suchen, bräuchte das Skript von Roth und seine Kollegen Nicolás López («Aftershock») und Guillermo Amoedo («The Green Inferno») deutlich mehr Biss und Stringenz. Ausgerechnet das nach und nach eskalierende Psychospiel zwischen Evan und seinen beiden Gästen wider Willen ist von solch schleichendem Suspense, dass die Spannung zwar durchaus vorhanden, jedoch niemals direkt spürbar ist. Ein Thriller zeichnet sich durch ebenjene Atmosphäre aus, die Unbehagen auslöst und eine allgegenwärtige Bedrohung suggeriert – in «Knock Knock» ist diese unter dem Wust an Dialogen, die sich mit der Zeit mehr und mehr im Kreis drehen, kaum vorhanden. Dabei beweist sich Eli Roth eigentlich so stilsicher als Kenner des Genres. Nicht nur die im Vergleich zu ähnlich gelagertem Filmstoff genau andersherum erzählte Prämisse offenbart das Potenzial in der Geschichte, auch vereinzelte Szenen, einhergehend mit einer fiesen (wenn auch plakativen) Schlusspointe zeigen, was in «Knock Knock» drin gewesen wäre, hätte sich Roth nicht stattdessen lieber an den dann doch deutlich treffsicherer geschriebenen Dialogen aus Vorbildern wie «Funny Games» orientiert.

Dass Michael Hanekes mittlerweile zum modernen Klassiker aufgestiegenes Home-Invasion-Drama hier als Referenz genannt wird, kommt nicht von ungefähr. Nicht nur das Szenario wirkt dem österreichischen Adrenalinpeitscher entlehnt, Eli Roth selbst betonte mehrmals in Interviews, dass eine gewisse Ähnlichkeit aufgrund seiner Vorliebe für dieses Genre nicht auszuschließen ist. Sogar den Medien und deren Wirksamkeit geht es an den Kragen. So wendet sich Roth in seiner Inszenierung zwar nicht direkt an das Publikum, wie es die beiden Glaceehandschuhträger Paul und Peter in «Funny Games» taten. Stattdessen greift das Drehbuch den von Sozialen Medien und Internetplattformen dominierten Zeitgeist auf und gibt mit der buchstäblich letzten Einstellung ein Statement auf deren Wertigkeit in unser aller Alltag ab. Das ist auf der einen Seite ein interessanter Ansatz, dem ein gewisser Knalleffekt nicht abgeht, setzt den bisweilen an der Grenze zur ungewollten Parodie befindlichen Szenen in «Knock Knock» allerdings eine Krone auf, die man als Zuschauer entweder liebt, oder hasst. Dass Eli Roth darüber hinaus wenig auf logische Grundsätze gibt, festigt den Eindruck, er wolle mit «Knock Knock» dann eben doch nicht ins ernste Fach wechseln, sondern sich unter Zuhilfenahme der berühmt-berüchtigten Narrenfreiheit einfach mal über seine selbst gesteckten Grenzen hinweg austoben. Das sei ihm vollkommen vergönnt, beißt sich allerdings mit der sehr, sehr braven und zu keinem Zeitpunkt tatsächlich aufregenden Inszenierung, die ihren Höhepunkt – so abgeschmackt es auch klingen mag – tatsächlich in einem Dreier unter der Dusche findet.

Auf der Zielgeraden entscheidet sich Eli Roth dann allerdings doch noch dafür, das Tempo anzuziehen und lässt seine beiden Schönheiten allerhand teuflisches Gerät – im wahrsten Sinne des Wortes – auspacken. Die Art der Folterinstrumente erreicht dabei durchaus kreative Ausmaße, wie sie einst die «Saw»-Macher mit Wonne und jährlich hervorbrachten. Leider leistet sich Roth hier einige Fehler, die sich angesichts des sonst so gewollt bodenständigen Plots nicht mit „Freiheiten des Genres“ oder dergleichen erklären lassen. Auch 2015 lassen sich Tablet-PCs jener Marke, auf der ein Apfel-Logo prangt, nicht mit Füßen bedienen, die in Socken stecken. Auch die Frage, wie wahrscheinlich es ist, dass ein sich in der Gewalt zweier irrer Frauen befindlicher Mann dazu durchringen kann, sein Gemächt so zu erregen, dass es ihnen möglich ist, sich an ihm zu vergehen, darf angesichts der gezeigten Szenen gut und gern gestellt werden. So bietet «Knock Knock» also tatsächlich guten Thriller-Stoff, bloß versteckt sich dieser inmitten eines Films, der zeitweise so dröge und langatmig ist, dass Adrenalinjunkies noch vor Ende die Lust an ihm verlieren könnten. Zeitgleich ist er in seiner inneren Kohärenz zu vage, um als Psychodrama zu punkten. Roths Film ist also irgendwas zwischen Weichei und Draufgänger – und das passt angesichts des ambivalent gezeichneten Protagonisten dann ja auch irgendwie.

Fazit: Eli Roth begeht mit «Knock Knock» (weitgehend) unblutiges Neuland und liefert mit seinem Home-Invasion-Thriller einen aufgrund der Handlung interessanten Genrebeitrag, bei dem inszenatorisch jedoch weitaus mehr drin gewesen wäre. Es ist fraglich, wen genau dieser Film überhaupt zufriedenstellen wird. Wir empfehlen: auf den Heimkinostart warten!

«Knock Knock» ist ab dem 10. Dezember in den deutschen Kinos zu sehen.

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