Schlüter sieht's

«Schlüter sieht's»: Tom Hanks und sein Hangover

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Fundamentalkritik oder Ironie? Ein Kommentar zu Tom Hanks‘ Aussagen über «Wetten, dass..?».

Es war ein Paukenschlag in der Branche: Tom Hanks lästerte im Radio über «Wetten, dass..?», nachdem er am Samstag Gast bei der zweiten Show unter Markus Lanz war. Seine – anschließend oft zitierte – Kernaussage lautete wie folgt: „At one point on «Wetten, dass..?» I was standing with a kittie cat hat on my head watching the host go by, hopping in a sack. Now if that’s not good quality TV, I don’t know what.” In den USA würde jeder, der verantwortlich für eine vier Stunden lange Show ist, am nächsten Tag gefeuert, so Hanks.

Natürlich steckt hinter solchen Aussagen eine leise Kritik am deutschen Unterhaltungs-TV – aber auch deswegen, weil US-Stars die in Deutschland gewachsene Samstagabend-Showkultur nicht kennen und nicht verstehen. Schon in der Vergangenheit haben sich Hollywood-Promis über dieses ausufernde ZDF-Flaggschiff «Wetten, dass..?» gewundert, vor allem darüber, dass es die vermeintlich beliebteste Sendung im deutschen Fernsehen ist. Mit der amerikanischen Entertainment-Mentalität hat ein solches Konzept nichts gemein. Daher ist es nur logisch, dass Tom Hanks und Halle Berry leicht verwirrt waren ob der Dinge, die auf sie zukamen. Zumal sie – unter dem neuen Showkonzept – während der gesamten Show anwesend waren und nicht nur für eine halbe Stunde. Löblich ist ein solch neuer Ansatz. Ob man ihn dauerhaft durchziehen kann, ist eine andere Frage.

Was Tom Hanks später im Radio über seine «Wetten, dass..?»-Erlebnisse erzählt hat, war nichts anderes als die gewöhnliche Arbeit eines Hollywood-Promis: skurrile Anekdoten zu erzählen und die Radiohörer zu unterhalten. Aus dem Zusammenhang gerissen (radioBERLIN 88,8 selbst veröffentlicht nicht das komplette Interview auf seiner Website, sondern nur die oben zitierte Passage) lesen sich solche Aussagen wie eine Fundamentalkritik am deutschen Fernsehen. In Wirklichkeit sind sie nichts mehr als die Verwunderung über das, was wir als Unterhaltung bejubeln – pointiert, ironisch und anekdotenhaft zusammengefasst. Natürlich ist «Wetten, dass..?», wie Hanks betont, kein Qualitätsfernsehen im klassischen Sinne. Und vermutlich würde wirklich jeder gefeuert, der in den USA versucht, eine vierstündige Samstagabendshow auf die Beine zu stellen – aus dem einfachen Grund, weil solches Fernsehen dort überhaupt nicht funktionieren kann und noch nie funktioniert hat. Wir können stolz sein darauf, dass es bei uns noch immer so viele Zuschauer anzieht.

Wirklich interessant aber ist nicht das, was Tom Hanks tatsächlich von sich gegeben hat, sondern das ungeheuer große mediale Echo auf seine Aussagen: Sie belegen, wie sehr «Wetten, dass..?» – ob nun negativ oder positiv – als Format lebt und für Gesprächsstoff sorgt. Wie seine Themen wieder in unseren alltäglichen Smalltalk vordringen und wie relevant es für das Unterhaltungs-TV ist. Das „alte“ «Wetten, dass..?» unter Thomas Gottschalk hatte zuletzt nur noch wenige solcher Schlagzeilen produziert. Mit Markus Lanz klappt dies wieder – wenn diesmal wohl auch nicht beabsichtigt. Die Vorfreude auf die nächste Show steigt.

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