Die Kino-Kritiker

«Ted»

von
«Family Guy»- und «American Dad»-Schöpfer Seth MacFarlane meistert seinen Sprung auf die große Leinwand bravourös. Sein urkomisches Realfilmdebüt «Ted» bietet derben Humor, zahlreiche treffsichere Popkulturanspielungen und einen dauerkiffenden Teddybären.

Es war wohl nur eine Frage der Zeit, bis Seth MacFarlane bei seinem anhaltenden Erfolg und mit der in ihm schlummernden kreativen Energie auch die Kinosäle dieser Welt unsicher machen würde. Dass dies nun in Form eines Realfilms geschieht, kam dann allerdings doch ein wenig überraschend, hat sich der studierte Animationskünstler doch vor allem als Schöpfer der unzählige US-amerikanische Eigenarten treffend auf die Schippe nehmenden und mittlerweile Kultstatus genießenden Zeichentrickserien «Family Guy» und «American Dad» einen Namen gemacht. Dabei wurde der noch jungen Karriere MacFarlanes schon recht früh ein Dämpfer verpasst, sah sich «Family Guy» doch bereits nach drei Staffeln mit einer frühzeitigen Absetzung konfrontiert. Lautstarke Fan-Proteste, erfolgreich laufende Wiederholungen und in erster Linie die profitablen DVD-Verkäufe konnten die Serie jedoch zwei Jahre später wiederbeleben. Mit diesem frischen Wind im Rücken wurden schließlich auch MacFarlanes Folgeprojekte «American Dad» und «The Cleveland Show» (ein bislang noch nicht in Deutschland ausgestrahltes Spin-Off zu «Family Guy») ansehnliche und ebenso wie «Family Guy» noch heute produzierte Erfolge. Aus heutiger Sicht ist dies umso erfreulicher, wäre die Realisierung seines kühnen Kinodebüts «Ted» ansonsten wohl eher fraglich gewesen und dem geneigten Zuschauer in diesem Jahr somit zweifellos ein Komödienhighlight entgangen.

Die Geschichte von «Ted» beginnt in einem beschaulichen Vorort von Boston in den 80er Jahren. Hier lebt der achtjährige John (Bretton Manley), der trotz einiger Bemühungen seinem Außenseiterdasein nicht zu entkommen scheint. Als er zu Weihnachten einen übergroßen Teddybären geschenkt bekommt, wünscht er sich nichts sehnlicher, als dass dieser wirklich sprechen kann und sein Freund wird. Zu seiner großen Freude geht der Wunsch am nächsten Morgen erstaunlicherweise tatsächlich in Erfüllung. Der Bär mit Namen Ted erwacht zum Leben und die beiden schwören fortan, für immer füreinander da zu sein. Auch 27 Jahre später sind John (nun Mark Wahlberg) und Ted noch immer die dicksten Kumpel, zunehmend zum Leidwesen von Johnnys Freundin Lori (Mila Kunis). Diese möchte, dass John nicht mehr so oft mit dem exzessiv kiffenden, trinkenden und fluchenden Plüschtier faul abhängt, sondern stattdessen endlich sein Leben auf die Reihe kriegt. So stellt sie John bei ihrem vierten Jahrestag schließlich ein Ultimatum: Entweder Ted zieht aus der gemeinsamen Wohnung aus oder das Ende ihrer Beziehung ist besiegelt.

«Ted» trägt über weite Strecken deutlich die Handschrift Seth MacFarlanes, was jedoch nicht allzu sehr verwundert, ist dieser doch sowohl Regisseur, Co-Autor und Produzent des Films als auch Originalstimme des titelgebenden Protagonisten. Allein schon ebenjene Hauptfigur weist nicht zu leugnende Parallelen zum außerirdischen Roger aus «American Dad» oder zum Hund Brian aus «Family Guy» auf. Anders als letzterer ist Ted als sprechender Bär für die Menschen in seiner Umgebung zunächst allerdings in der Tat noch etwas Außergewöhnliches. Doch als der damit einhergehende anfängliche Weltruhm allmählich verblasst, führt auch er größtenteils selbstverständlich ein Leben inmitten der Menschen. So absurd die Idee des lebendigen Teddybärs vielleicht auch sein mag, so genial funktioniert sie letztlich in der Praxis. Ted ist zweifellos das Herzstück des Films und vor allem des schonungslosen Humors. Sein Lebensstil und seine derbe Ausdrucksweise sorgen in Kontrast zu seiner harmlosen Erscheinung für zahlreiche Lacher. Ohnehin hat MacFarlanes Film eine erstaunlich hohe Gagdichte vorzuweisen. Mit seinen oftmals originellen und nicht selten auch herrlich politisch unkorrekten Dialogen wirkt er insbesondere im höhere Altersfreigaben nur allzu gern meidenden Hollywoodkino überaus erfrischend.

Wie für die Werke MacFarlanes typisch, steckt auch «Ted» voller gelungener satirischer Seitenhiebe und Popkulturanspielungen. Neben einigen Verweisen auf sehr aktuelle Erscheinungen des öffentlichen Lebens, möchte man es schon fast als mutig bezeichnen, dass sich hierbei auch des Öfteren auf die 80er Jahre bezogen wird, in denen John und Ted gemeinsam aufgewachsen sind. Vor allem die von beiden abgöttisch verehrte trashige «Flash Gordon»-Verfilmung von 1980 spielt hier eine besondere Rolle. Auch wenn das Vergnügen für Kenner des besagen Films in den entsprechenden Szenen noch etwas größer ausfallen dürfte, wird nebenher genügend Hintergrundinformation geliefert, um auch als nichtwissender Zuschauer seinen Spaß daran zu haben. Nicht nur die gemeinsame Leidenschaft für Flash Gordon offenbart außerdem den Umstand, dass «Ted» seine Stärken insbesondere auch in dem Zusammenspiel zwischen dem Bären und seinem menschlichen, von Mark Wahlberg routiniert verkörperten Freund zur Geltung bringen kann. In jeder Sekunde kauft man den beiden ihre mehr als ungewöhnliche Freundschaft ab, was nicht zuletzt auch dem sehenswert animierten Ted zu verdanken ist und in viele urkomische Dialoge mündet.

Durch den konsequenten Fokus auf den humoristischen Aspekt des Films, wird über dessen gesamte Laufzeit leider die Erzählung einer einfallsreichen Handlung ein wenig vernachlässigt. Das, was die Komik an Biss und Originalität oftmals bietet, lässt die Story bedauerlicherweise an vielen Stellen vermissen. Auffällig wird dies vorwiegend gegen Ende der Komödie, wenn als dezente Anbiederung an den Massengeschmack dann sogar der über etwaige Handlungsschwächen gekonnt hinweg täuschende Humor zu Gunsten etwas kitschiger Szenenabläufe ein wenig zurückstecken muss. Während auf emotionaler Ebene der Anfang des Films durch die bewusste Überspitzung und den durchaus niedlich wirkenden Ted noch gut funktioniert, fallen einige leicht klischeebeladene und darin sogar ernster gemeinte Dialoge in den letzten Minuten weniger ergreifend aus. Doch letzten Endes weiß auch hier stets ein nachgereichter witziger Einfall oder eine anstößige Bemerkung Teds das Ruder in der Regel noch einmal gerade so rumzureißen. Darüber hinaus ist es auch den grundsympathischen Figuren zu verdanken, dass man, selbst in einer überraschungsarmen Handlung, Interesse für ihr Schicksal aufbringt.

Vor allem Fans von Seth MacFarlanes bisherigem Schaffen können mit einem Besuch in «Ted» nichts falsch machen, auch wenn sie sich gemessen am weitestgehend anarchischen Humor von «Family Guy» und «American Dad» mit einem etwas zahmen Ende anfreunden müssen. Doch auch allen anderen, die sich bislang noch nicht mit den besagten Zeichentrickserien vertraut gemacht haben und sich obendrein auch nicht an vulgärem sowie nur vor wenig zurückschreckendem Witz stören, sei «Ted» wärmstens ans Herz gelegt, ist MacFarlane mit seinem Film doch nicht nur ein urkomisches Kinodebüt, sondern auch eine der unterhaltsamsten Filmkomödien des laufenden Kinojahres gelungen. Mit einer ausgefeilteren Handlung wäre vielleicht sogar ein moderner Genreklassiker möglich gewesen. So reicht es aber zumindest zu einem überaus vergnüglichen Kinoabend.

«Ted» ist seit dem 2. August in vielen deutschen Kinos zu sehen.

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