Schlüter sieht's

«Schlüter sieht's»: Der Schalk bei Bohlen

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Nun wird auch noch Thomas Gottschalk zum Casting-Juror. Ein Kommentar.

Für die größten Überraschungen in der Medienbranche war in den vergangenen Monaten und Jahren einer zuständig, von dem man es nicht mehr geglaubt hätte: Thomas Gottschalk. Zunächst der plötzlich angekündigte Abschied von «Wetten, dass?» Anfang 2011, dann der Wechsel zur ARD für eine tägliche Vorabendshow – und nun: der erneute Senderwechsel, diesmal zu RTL, wo Gottschalk ein festes Jurymitglied des «Supertalent», einer vermeintlich niveaulosen Show, wird. Zweifelsohne ist beiden Parteien hier ein für unmöglich gehaltener Coup gelungen, gerade weil RTL-Juryikone Dieter Bohlen in den vergangenen Jahren der Hauptkonkurrent von Gottschalks «Wetten, dass..?» war, das immer wieder Zuschauer verlor.

Nun sind die einstigen Samstagabend-Duellanten also vereint – aber passt das Engagement des großen Thomas Gottschalk auf den zweiten Blick überhaupt zum «Supertalent»? Nein, zumindest nicht dann, wenn die Sendung nicht in großen Teilen überarbeitet würde. Genau dies hat RTL glücklicherweise angekündigt. Was muss sich für den neuen Star-Juror ändern? Vor allem die starre Konzeption: Thomas Gottschalk ist dann am besten, wenn er spontan sein darf und sich auf großen Bühnen bewegen kann – zwei Stunden lang auf einem Stuhl zu sitzen und einen Kandidaten nach dem anderen zu loben oder wegzubuzzern, passt ganz und gar nicht zum wohl größten Showmaster im deutschen Fernsehen, der er nun wohl nicht mehr sein will.

Denn Gottschalk wird „nur“ eines von drei Jurymitgliedern in einer Sendung, die ganz grundlegende Änderungen nicht verträgt. Bisherige Stammzuschauer will man nicht vergraulen, zudem kann RTL seine aus dem Ausland lizensierten Showkonzepte wie «Das Supertalent» nicht am offenen Herzen operieren. Und letztlich steht immer noch die reine Talentsuche im Vordergrund, wobei RTL den Begriff „Talent“ in den vergangenen Jahren sehr weit auslegte und sichtlich talentfreie Menschen zur Belustigung der Masse auf die Bühne schickte. Dass Gottschalk sich auf ein solches Niveau nicht herablassen würde, ist zumindest teilweise ein Irrglaube: So manche Ekel-Wette moderierte er bereits bei seiner ZDF-Sendung; schon 2009 hatte der Showmaster seine Wettkandidaten an Tierkot riechen und Fußschweiß inhalieren lassen, allerdings ohne signifikanten Quotenanstieg. Letzterer dürfte auch wohl der primäre Grund sein, warum Gottschalk zu RTL wechselt.

Der Blick auf die nackten Zahlen zeigt aber, dass auch «Das Supertalent» in der vergangenen Staffel nicht vom generellen Quotenrückgang bei TV-Castingshows verschont wurde: Im Jahr 2011 holte das Format durchschnittlich 31,2 Prozent der wichtigen werberelevanten Zuschauer zu sich – ein generell hervorragender Wert, der aber in Relation zu vorherigen Staffeln eine negative Komponente erhält: Schließlich hatte die Castingshow 2009 noch 33,3 und 2010 sogar 37,5 Prozent der 14- bis 49-jährigen Zuschauer angelockt. Ob es nun mit Gottschalk dauerhaft mehr werden, ist fraglich: Denn viele jungen Menschen haben zuletzt mit ihrer Fernbedienung am Samstagabend klar gegen ihn und für Bohlen gestimmt.

Und unabhängig von Gottschalk könnte sich die Quoten-Talfahrt des Castingshow-Genres weiter fortsetzen – genau hier aber liegt die Chance von RTL: Mit der neuen Jury sollte man sich trotz bisheriger Erfolge so klar wie möglich vom alten, starren «Supertalent»-Konzept lösen und das Format nicht mehr wie eine typische Castingshow wirken lassen. Streng genommen nahm auch «Wetten, dass..?» mit den Kandidaten und der Wahl des Wettkönigs kleine Anleihen bei Talentsuchen. Das klassische Castingshow-Konzept kann durchaus aufgelockert, unterhaltsam verpackt und mit anderen Show-Elementen (z.B. Promi-Gästen) erweitert werden – und muss es angesichts des negativen Quotentrends auch. Thomas Gottschalk wäre dafür der perfekte Anlass.

Jan Schlüters Branchenkommentar gibt es jeden Mittwoch nur auf Quotenmeter.de.

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