Die Kritiker

«Oma wider Willen»

von

Story


Die tüchtige Geschäftsfrau Henriette Dietrichstein führt ein erfolgreiches Elektronikunternehmen. Nachdem ihr Mann früh verstarb, suchte die wohlhabende Witwe Trost in ihrer Arbeit – mit negativen Folgen. Mit der Zeit wurde aus der eigentlich freundlichen und zuvorkommenden Frau eine strenge und knallharte Chefin. Mit ihrer einzigen Tochter herrscht dazu seit über zehn Jahren Funkstille. Bis Firmenanwalt Burger eine schreckliche Nachricht überbringt: Henriettes Kind, die der Liebe wegen nach Brasilien auswanderte, ist ums Leben gekommen und hinterlässt eine kleine Tochter.

Völlig überrumpelt von der Tatsache, plötzlich Großmutter zu sein, steht Henriette ihrer Enkelin gegenüber. Überfordert von der Situation ändert die Unternehmerin zunächst nichts an ihrer bisherigen Lebensweise. Doch auch das Jugendamt interessiert sich schnell für das scheinbar illegal eingereiste Kind und setzt alles daran, Oma und Enkelin zu trennen. Das kommt der Assistentin von Henriette gerade recht. Deren Mann soll die lukrative Firmenleitung erben – allerdings klappt das nur dann, wenn Evita eine Verwandtschaft zu Henriette nicht nachgewiesen werden kann…

Darsteller


Christiane Hörbiger («Therese geht fremd») ist Henriette Dietrichstein
Peter Weck («Ein Ferienhaus auf Ibiza») ist Dr. Richard Burger
Luna Baptiste Schaller ist Evita
Elisabeth Lanz («Lindburgs Fall») ist Beate Strasser
Mathias Hermann («Neue Chance zum Glück») ist Alfred Strasser
Marianne Mendt («Seine Mutter und ich») ist Rosa Ratzinger
Andrea Eckert («Glück auf Brasilianisch») ist Else Deichnam

Kritik


Und dann ist man auf einmal Oma. So schnell kann das gehen. Zumindest im neuen Fernsehfilm von Sigi Rothemund, der bereits einige Episoden für die Krimireihe «Donna Leon» inszenierte. Seine Karriere als Regisseur begann Anfang der 1970er Jahre mit klangvollen Titeln wie «Geh, zieh Dein Dirndl aus», auch bekannt als «Tirol wie es bumst und kracht». Wer jetzt schon Panik bekommt, kann beruhigt sein: so schlüpfrig wie in vergangenen Tagen wird es mit seinem neuesten Streich nicht. Dazu gibt das Skript von Autor Erich Tomek («Die Rosenkönigin») gar keine Möglichkeit.

Jeder Mensch nimmt den Verlust oder Zuwachs eines Familienmitglieds unterschiedlich auf. Was die eiskalte Henriette angeht, lässt sich kein tieferes Gefühl feststellen. Plump, uneinfühlsam und quasi im Vorbeigehen übermittelt Anwalt Burger die Nachricht der tödlich verunglückten Tochter, die der Firmeninhaberin ein Enkelchen geschenkt hat. Die Reaktion der Betroffenen darauf ist ernüchternd: weder Freud noch Leid bringt die Witwe zum Ausdruck. Nachvollziehbar ist das nur schwer, wird niemand dermaßen abgebrüht sein, eine solche Hiobsbotschaft mit einem gleichgültigen Achselzucken aufzufassen. Hier geschieht das trotzdem, was der Hauptfigur schon recht früh eine gewisse Antipathie entgegen bringt.

Der Schauspielerin Christiane Hörbiger kann dafür allerdings kein Vorwurf gemacht werden. Sie verkörpert die arrogante unnahbare Chefin gut, ihr wesentlich jüngerer Gegenpart in Person von Schauspieldebütantin Luna Baptiste Schaller steht ihr in nichts nach. Unbeschwert und locker tritt die junge Schaller auf, kann somit noch die meisten Sympathien verbuchen. Doch mit der Geschichte richtig warm zu werden erweist sich als schwieriges Unterfangen. Es tut sich weder ein besonderer Höhepunkt noch ein emotionales Tief in den anderthalb Stunden Laufzeit auf. Vom Jugendamt und der habgierigen Assistentin einmal abgesehen, baut sich einfach kein interessanter Konflikt auf. Die kleine Evita entdeckt eine ihr völlig fremde und neue Welt in Reichtum, Henriette entdeckt sich selbst. Dabei dient die Enkelin immer wieder als Moralapostel. Das ist alles nett und süß, aber leider ohne jeden Mehrwert.

So plätschert Rothemunds Film in seichten Gewässern dahin. Auf Dauer anstrengend wirken die untermalenden Pianotöne, die niemals zu pausieren scheinen. Sentimental und kitschig ist das Ergebnis. Einen ebenfalls etwas unglücklichen Eindruck hinterlässt die deutlich zu vernehmende Nachsynchronisation der Darsteller. Vor allem bei Evita klingen die gesprochenen Sätze seltsam glatt und passen nicht immer auf die Lippenbewegungen. Somit wird weitere Authentizität eingebüßt.

Die eingestreuten Landschafts- und Stadtaufnahmen sind ansehnlich ausgewählt, verschaffen dem holprigen Drama ein wenig Abwechslung. Letztlich aber wirkt die ganze Situation rund um das „Kind aus dem Nirgendwo“ arg konstruiert. Die Schwächen und Ungereimtheiten des Drehbuchs sind unübersehbar. So bleibt am Ende eine belanglose, schnell vergessene Familientragödie, die eigentlich gar keine ist.

Das Erste strahlt «Oma wider Willen» am Freitag, den 2. März, um 20.15 Uhr aus.

Kurz-URL: qmde.de/55277
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