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Die Geschichte hinter «The Voice of Germany»

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Eine neue Musik-Show erobert die ganze Welt: «The Voice», ein Produkt des Medienmoguls John de Mol, hat sich innerhalb kurzer Zeit zu einem Casting-Phänomen entwickelt. In Deutschland startet das Format an diesem Donnerstag.

Mit «The Voice of Germany» startet am Donnerstagabend das wohl größte Fernsehprojekt dieses TV-Jahres im deutschen Fernsehen. ProSieben und Sat.1 übertragen künftig an zwei Abenden in der Woche ihre gemeinsame Castingshow, die allerdings gar nicht exzessiv als solche beworben wird: Den RTL-Formaten «Deutschland sucht den Superstar» und «Das Supertalent» zum Dank trägt die Genrebezeichnung „Castingshow“ in Deutschland einen negativen Beigeschmack bei vielen Zuschauern. Denn um das Singen oder um seriöse Talente geht es dort nur beiläufig – bei RTL bekommt man vor allem Bohlen, Zirkus und Pathos geboten.

«The Voice of Germany» vermeidet daher den Begriff Casting und bezeichnet sich selbst als Musik-Show. Die Jurymitglieder werden zu Coaches, obwohl auch sie Juryaufgaben erfüllen: nämlich die Teilnehmer zunächst auszusieben. Schließlich sind Castings oder Recalls bei der ProSiebenSat.1-Show sogenannte „Auditions“. Bei diesen liegt auch die inhaltliche Differenz zu anderen Castingformaten: Denn die Kandidaten singen, ohne dass sie von den Coaches gesehen werden. Dies hat den Vorteil, dass am Anfang wirklich nur die stimmliche Gesangsqualität über das Weiterkommen entscheidet – und nicht Aussehen oder Bühnenperformance.

International hat sich «The Voice» in diesem Jahr zu einem der erfolgreichsten Casting-Franchises entwickelt. Das Format basiert unter anderem auf einer Idee des Show-Masterminds John de Mol, der die niederländische Version «The Voice of Holland» im September 2010 startete. Das Finale der ersten Staffel sahen dort 3,75 Millionen Menschen – in Deutschland entspräche dies, gemessen an der Gesamtbevölkerung, einer Reichweite von über 17 Millionen. Hergestellt wird «The Voice» von John de Mols Firma Talpa Media, die unter anderem auch das Konzept der Show «Ich liebe Deutschland» mit Jürgen von der Lippe erfand. Durch eine exklusive Kooperation wird hierzulande Schwartzkopff TV «The Voice of Germany» mitprodzieren.

John de Mol, der den Global Player Endemol gegründet hatte und an seiner früheren Firma immer noch Anteile besitzt, hat dem Castingshow-Genre eine authentischere Seite verpasst und eine Marktlücke gefunden, die eigentlich gar nicht zu existieren schien: Denn mit internationalen Hit-Franchises wie «X Factor», «Idol» und «Got Talent», die in vielen Ländern parallel mit noch weiteren lokalen Castingformaten existieren, war der Markt offensichtlich ausgereizt. Gerade der Mann aber, der mit Shows wie «Big Brother» oder «Hire or Fire» einst die moralischen Grenzen des Fernsehprogramms auslotete, punktet nun mit Authentizität. Und dass John de Mols «The Voice»-Konzept nicht nur eine lokale Ausnahmeerscheinung ist, bewies er schließlich im größten TV-Markt der Welt: den USA.

Dort startete die Show im Frühjahr 2011 beim Network NBC vor mehr als zehn Millionen Zuschauern; in der zweiten Woche sahen bereits 12,5 Millionen US-Bürger zu. Das sonst mit schwachen Quoten und erfolglosen Neustarts gebeutelte NBC konnte damit einen überraschenden Instant-Hit vorweisen, der dem Franchise «The Voice» den globalen Durchbruch verschaffte: In 20 Ländern wird es noch in diesem oder im kommenden Jahr starten, darunter neben Deutschland auch in Großbritannien und Australien. In der niederländischen Heimat ist sogar ein Spin-Off unter dem Titel «The Voice Kids» geplant.

In den USA konnte NBC anfangs mit Christina Aguilera punkten, die als einer der Coaches beim Format mitwirkte und mediale Aufmerksamkeit generierte. Der 33-jährige Javier Colon gewann die erste Staffel der US-Version von «The Voice»; er kannte sich, wie sein niederländischer Kollege, bereits vorher im Musikgeschäft aus, veröffentlichte 2003 und 2006 Alben. Auch die Teilnehmer, die auf den Plätzen zwei bis vier landeten, hatten schon CDs herausgebracht.

Als Gewinner der holländischen Version – und damit als erster «The Voice»-Sieger überhaupt – ging ebenfalls kein unbeschriebenes Blatt hervor: Der 28-jährige Ben Saunders war bereits im Jahr 2000 das Mitglied einer Band, die in einem Fernseh-Gesangswettbewerb mitmachte. 2003 trat er bei der Vorausscheidung zum «Eurovision Song Contest» an, seinen Durchbruch hatte er allerdings erst als Gewinner von «The Voice». Es folgten ein Nr.1-Album und vier Singles in den Top 10 der Charts. Kurios: Bens Bruder Dean Sanders gewann nur einen Tag nach ihm ebenfalls eine Castingshow – die holländische Version von «Popstars». Es ist nicht zufällig so, dass jene Kandidaten zu Siegern werden, die bereits Erfahrungen im Musikgeschäft gemacht haben. In der deutschen Version wird dies womöglich nicht anders sein: So soll es hierzulande Teilnehmer geben, die mit Phil Collins gearbeitet, mit Michael Jackson auf der Bühne gestanden, Millionen Platten verkauft, bei Raabs «Bundesvision Song Contest» gesungen oder bereits einen Nummer-1-Hit gelandet haben.

In Deutschland spuckt man daher große Töne vor dem Start von «The Voice»: John de Mol verspricht eine „Musikshow unerreichter Qualität“. Es soll Ziel sein, den Sieger des Formats über Jahre kommerziell erfolgreich zu machen. Für das Show-Franchise hat John de Mol einen internationalen Vertrag mit der Plattenfirma Universal geschlossen, die alle Gewinner vermarktet. Ob diese tatsächlich dem Anspruch gerecht werden, mehr als nur die übliche Castingshow-Eintagsfliege im Businness zu sein, wird sich freilich noch zeigen müssen: Ben Saunders hat erst ein Album veröffentlicht. In diesen Tagen erscheint Javier Colons erstes nach «The Voice» – und damit ganze fünf Monate nach dem Finale der Musiksendung.

Anders als bei anderen Formaten, wo Alben schon nach wenigen Tagen in die Plattenläden kommen, um schnellen Profit aus dem Gewinner zu schlagen, bevor der nächste „Superstar“ über die Bühnen getrieben wird, wird bei «The Voice»-Gewinnern darauf bewusst verzichtet. Genau dieser nächste „Superstar“ könnte aber den Start der neuen ProSiebenSat.1-Show vermiesen: Denn RTL hat kurzfristig eine Spezialausgabe des «Supertalents» am Donnerstag programmiert, um so wenige Zuschauer wie möglich an den nächsten potenziellen Castingshow-Hit in Deutschland zu verlieren. Ob diese Rechnung aufgeht oder ob «The Voice» ungeachtet dessen einen erfolgreichen Start hinlegt, lesen sie am Freitagmorgen bei Quotenmeter.de.

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