Serien-Update

«Torchwood: Miracle Day»

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Erneut provoziert und schockiert die Serie mit mutigen Themen. Aber im Ganzen wirkt es nicht stimmig.

Wenige Serien haben in ihrer Laufzeit derartig radikale Veränderungen erlebt wie es bei «Torchwood» bislang der Fall war. Schon die Ausstrahlungsgeschichte ist bemerkenswert, in der jede der bislang vier Staffeln maßgeblich auf einem anderen Sender ausgestrahlt wurde. Während die ersten drei Staffeln noch in der BBC-eigenen Senderhierarchie hochgereicht wurden, erlebt die vierte zur Zeit ihre Erstausstrahlungen auf dem amerikanischen Sender Starz, der die neuen Folgen mit der BBC zusammen produziert hat. Inhaltlich erfuhr «Torchwood» nach der zweiten Staffel einen gewaltigen Umbruch, als von einem bunten Fantasy-Potpourri mit 13 Geschichten pro Staffel auf einen dicht erzählten Fünfteiler umgestellt wurde.

Derartige Veränderungen stehen auch in der vierten Staffel wieder ins Haus, von der mittlerweile die Hälfte der diesmal zehn Episoden gelaufen ist. Dass nach den umwerfenden Reaktionen von Fans und Kritikern auf die "Children of Earth" getaufte dritte Staffel kein Weg mehr in das alte Episodenschema zurückführen würde, war schnell klar. Auch die neue Staffel "Miracle Day" erzählt wieder eine einzige große Geschichte und stellt menschliche, soziale und politische Abgründe in den Fokus einer phantastischen Geschichte. Ebenso klar war von vornherein: Einiges würde sich ändern müssen.

Die britische Serie ist in den USA angekommen und das merkt man den Folgen an. Die Geschichte des bislang in Wales angesiedelten «Torchwood» wurde fast komplett in die Vereinigten Staaten verlegt, der Cast um John Barrowman und Eve Myles durch zahlreiche US-amerikanische Schauspieler ergänzt, allen voran Bill Pullmann und Lauren Ambrose. Da vom ursprünglich im Zentrum der Serie stehenden Torchwood Institute seit "Children of Earth" ohnehin nichts mehr übrig ist und alle weiteren ehemaligen Hauptfiguren im Laufe der letzten beiden Staffeln das Zeitliche gesegnet haben, kommt beim Schauen durchaus ab und an die Frage auf: Ist das eigentlich noch «Torchwood» oder dient der Name bloß noch, die alten Zuschauer und den ein oder anderen Fan der Mutterserie «Doctor Who» bei der Stange zu halten?

Mit «Doctor Who» jedenfalls hat «Torchwood» nicht mehr das Geringste gemein. Die Teamdynamik der frühen «Torchwood»-Folgen existiert nicht mehr, der Stil der Serie hat sich radikal gewandelt, das britische Flair geht der neuen Staffel vollkommen ab. Wer die ersten Staffeln der Serie mochte und mit der Schwere von "Children of Earth" Probleme hatte, wird auch an "Miracle Day" keine große Freude finden. Denn hier wird wieder auf die Überspitzung globaler Konflikte gezielt, menschliche Abgründe, provokante Kompromisslosigkeit und ganz klar auch auf Schockeffekte. Wenn «Torchwood: Miracle Day» eines nicht ist, dass Wohlfühl-Popcornkino.

Dass «Torchwood» nicht mehr «Torchwood» ist, muss kein Nachteil sein - "Children of Earth" zeigte es bereits. Und "Miracle Day" setzt an die dort gezeigten Stärken an. Was anderen Sciencefiction-Serien bloß oberflächlich anreißen und binnen einer Episode wieder lösen, spielt «Torchwood» ins Detail aus. Eine simple Frage wie "Was geschieht, wenn die Menschen aufhören zu sterben?" wird hier in all ihrer Konsequenz dargestellt. Mit vielen erstaunlich naheliegenden Gedanken stellt die Serie dar, wie sehr vom biologischen Gleichgewicht bis hin zu Religion und Sozialstaat alles vom Zyklus von Leben und Tod abhängig ist. Es ist die Einfachheit des Szenarios, die es so packend macht.

An "Children of Earth" kommt die neue Staffel bislang leider dennoch nicht heran. Zu viel Leerlauf zeigte sich in den ersten Episoden. Hier zeigt sich, dass die Entscheidung, die dritte Staffel auf gerade einmal fünf Folgen zu beschränken, eine ziemlich gute war. Außerdem mangelt es "Miracle Day" immer wieder an Glaubwürdigkeit. Die Zeitabläufe sind unsauber, nach der Hälfte der Staffel lässt sich schwer sagen, ob drei Tage oder ein halbes Jahr vergangen sind - in beiden Fällen wirkt irgendetwas unlogisch. Aber auch "Children of Earth" konnte sich erst in der zweiten Hälfte richtig ausspielen. Den Schritt dahin hat die neue Staffel mit den überaus mutigen Enthüllungen der jüngsten Folge jedenfalls getan.



Es waren eher schlichte Szenen, die in "Children of Earth" zu den stärksten und schauderhaftesten der jüngeren Seriengeschichte wurden: Die politische Diskussion darüber, wie die zehn Prozent der Kinderopfer auszuwählen seien sowie Frobishers finale Tat - hinter verschlossenen Türen. Verglichen damit ist das, was "Miracle Day" in der fünften Folge auffuhr geradezu plakativ, aber dennoch ungeheuer effektvoll und schockierend: Ein globales Netz aus Brennkammern, in denen die Menschen lebendig eingeäschert werden, die nicht mehr behandelt werden können. Und ein pädophiler Kindermörder, der von einem Pharmakonzern zum Messiahs einer eigenen Weltreligion erhoben wird.

Den Machern gehört definitiv der Respekt, derartige Szenerien überhaupt im Fernsehen unterzubringen. Für viele Autoren, Produzenten und allen voran Sendern sind selbst die Bruchteile dieser Themenblöcke pures Gift. Gräuelpraktiken aus dem Dritten Reich nicht nur in einer fiktionalen Serie zu verwenden, sondern auch noch den großen Demokratien, insbesondere der eigenen US-amerikanischen, anzudichten, ist mehr als ein heißes Eisen. Von denen «Torchwood» ja nicht nur eines im Feuer hat.

Schade ist es daher, dass man dieses dystopische Szenario einfach nicht in einen funktionierenden Kontext gesetzt bekommt. Hier tritt das Problem zutage, das bereits bei "Children of Earth" auftauchte: Will man die politischen und sozialen Folgen eines solchen Gedankenspiels in den Vordergrund rücken, dann fallen die Charaktere im Zentrum der Serie zurück. So hat man nach fünf Folgen den Eindruck, das Torchwood-Team habe es gerade einmal geschafft, ein gemeinsames Quartier in den Staaten zu beziehen während es die Weltpolitik geschafft hat, den "Miracle Day" zu begreifen, eine neue Ordnung von Leben und Tod zu beschließen und überall Vernichtungslager hochzuziehen und zu organisieren. Die Lücke, die in der zeitlichen Ordnung klafft, ist enorm.

Einige Probleme bereitet auch das Figurenfeld und zwar ausgerechnet bei denen, die von früher übrig geblieben sind. Jack und Gwen wirken wie in die Handlung gezwungen. Weiterhin ist völlig unklar, was «Torchwood» mit all dem überhaupt zu tun hat, wieso Jack und Gwen ausgeschaltet werden sollten, wenn das in Ruinen liegenden Torchwood Institute doch vermutlich mittlerweile eine der ungefährlichsten Einrichtungen auf der Erde ist. Leider wurde das, waren die beiden Charaktere erst einmal in den USA angekommen, gar nicht mehr behandelt, sodass die Ereignisse der ersten Folge fast schon wie ein MacGuffin wirken.

So hat "Miracle Day" derzeit zwar alle Zutaten, wieder zu einer atemraubenden, schockierenden wie spannenden Sciencefiction-Reihe mit Nachdenk-Faktor zu werden, nur die Abmischung stimmt noch nicht. Und selbst wenn es der Staffel noch gelingt, ihre Bahn zu finden, wird man in den nächsten Jahren im Fall einer Fortsetzung wieder vor der Frage stehen, wie man Torchwood in eine Serie integriert, in der es trotz Namensgebung eigentlich keinen Platz mehr hat.

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