Sonntagsfragen

'Wir wollen eine Welt erzählen, für die es keine Bilder gibt'

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Seite 2

Wie lässt sich die Figurenkonstellation im Film beschreiben? Baut sie auf das Konfliktpotenzial?
Niki Stein: Wir suchten nach einem Konflikt, der aus den Umständen begründet war. Der eine darf Gesa nicht sehen, weil er eigentlich aus dem Internierungslager nicht weg kann. Der andere kann sie sehen, aber sein Status als britischer Offizier erschwert das Eingeständnis der ehrlichen Liebe enorm. Sehr schön zu erzählen ist hier auch das Überwinden der ideologischen Schwelle, was die einzige Möglichkeit darstellt, dass Gesa und der britische Offizier überhaupt zusammenkommen können.

Benjamin Sadler: Es gibt in meiner Figur des britischen Offiziers Simon immer einen Konflikt. Der Reiz war da, mit der Figur auf eine sehr emotionale Reise zu gehen. Simon versucht gewisse Widersprüche in sich zu vereinen. Das fand ich spannend: An eine Utopie zu glauben, ohne die es in meinen Augen auch keine bessere Zukunft geben kann, wenn man nicht bereit ist, dafür einzustehen. Captain Simon tut dies in komprimierter Form, was eben die Kraft der Fiktion ist.

Stephan Kampwirth: Gerade an der Figur des Wehrmachtssoldaten Friedrich war es sehr reizvoll mit diesen Konflikten umzugehen. Der Charakter hat im Krieg Tod sowie großes Elend erlebt und sieht nach Kriegsende keine Perspektiven mehr. Ihm ist sein eigenes Leben nicht mehr viel Wert, was auch der Grund dafür ist, dass er während dem Gerichtsprozess versucht Gesa heraushalten und sie schützen möchte. Man kann seine Situation als fatalistisch bezeichnen. Er sieht keine große Ungerechtigkeit mehr, ist am Boden zerstört und befindet sich in einem inneren Tunnel, lässt den Prozess über sich ergehen. Einzig hofft er, dass seine geliebte Gesa gut weg kommt, denn sie will er schützen. Er selbst sieht sich nicht mehr als wertvoll an, so kann man das beschreiben.

Katharina Wackernagel: Gerade auch für die Rolle der Gesa ist es ein verwobener Konflikt im Film. Vor allem durch die Dreierkonstellation der Liebesgeschichte, denn am Ende des Films steht sie vor einer inneren Zerreißprobe. Sie ist ein klarer Mensch, die einen wahren Konflikt erlebt, weil sie der Situation ausgesetzt ist und gezwungen ist für die Wahrheit zu kämpfen. Gesa hat viele emotionale Schübe und erlebt Wahrheit, Lüge und Feinde gleichermaßen. Dabei ist sie auch sehr bedacht darauf, wie es weiter gehen kann und steht beim Prozess für Gerechtigkeit ein.

Der Film spielt in einer historisch sehr schwierigen Zeit. Stichwort: „Stunde Null“ - die Perspektivlosigkeit der Menschen. Wie schwer ist es so etwas darzustellen? Wie bereitet man sich als Schauspieler darauf vor?
Niki Stein: Das geht natürlich in erster Linie über die Schauspieler. Das ist der große Vorteil, dass wir eine solche Besetzung hatten, die relativ schnell feststand. Benjamin Sadler hatte ich direkt im Blick gehabt für die Rolle des britischen Offiziers, weil ich auch um seine Familiengeschichte wusste und er auch akzentuiert Englisch sprechen kann. Mir war wichtig, dass wir den Film bilingual halten und nur mit Untertiteln arbeiten. Die Frauenrolle haben wir gecastet, Katharina Wackernagel hat mich mit ihrer historischen Ausstrahlung sofort überzeugt. Auch Stephan Kampwirth als Wehrmachtssoldaten haben wir gecastet, obwohl ich auch ihn schon im Blick hatte.

Stephan Kampwirth: Ich habe im Vorfeld des Films sehr viel mit Niki Stein über seine Geschichte um seinen Vater gesprochen. Doch es war direkt klar, dass wir ihn nicht nachahmen wollten, sondern bei der Geschichte im Film bleiben. In Vorbereitung auf den Film habe ich mir zudem entsprechendes Material wie das Buch «Als die Waffen schwiegen» besorgt und mich eingelesen. Die physische Vorbereitung auf das Schwimmen bin ich ganz langsam angegangen. Letztlich bin ich aber doch drei bis vier Kilometer am Tag geschwommen.

Wie waren denn die Dreharbeiten gelaufen? War die Stimmung im Ensemble gut?
Niki Stein: Wir haben bereits im Sommer 2009 auf Sylt gedreht. Da wir oft auch Nachtszenen im Film haben, mussten wir Day-For-Night-Aufnahmen machen, was voraussetzt, dass strahlender Sonnenschein am Himmel ist. Wir hatten das Glück, dass wir zwei Wochen Sonnenschein pur genießen konnten. Sylt hat sich angeboten, weil die Insel sehr naturbelassen ist und auch im zweiten Weltkrieg von der Wehrmacht als Übungsgelände benutzt wurde.

Benjamin Sadler: Das war eine richtig gute Lebenszeit. An die Arbeit selbst und auch an die Zeit mit den Kollegen erinnere ich mich gerne zurück. Die Besetzung war auch ein Geschenk. Es war einfach eine tolle Menschengruppe, die da beisammen war. Generell musste man nicht viel Kraft aufwenden, um sich zu mögen. Da bin ich sehr dankbar für.

Zu guter Letzt: Wie ist der Film und die Idee beim ZDF angekommen? Mit welchem Zuschauerzuspruch rechnet man?
Caroline von Senden, ZDF-Redaktion Fernsehfilm I: Als wir das Exposé von Niki Stein bekommen haben, ist die Geschichte gut angenommen worden. Das Projekt war nicht leicht zu finanzieren. Es ist aber auch kein leichtes Thema. Vor dem historischen Kontext, der bis heute nachwirkt, ist der Film aber umso spannender. Deshalb denken wir, dass er unser Publikum interessieren wird. Bei der Vorab-Ausstrahlung von «Liebe deinen Feind» auf dem Kultursender arte sahen 0,57 Millionen Menschen bei 1,8 Prozent Marktanteil zu. Wenn das Wetter nicht allzu gut wird, rechnen wir auch im ZDF mit einem runden Erfolg.

Vielen Dank für das Gespräch.

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