Pay-TV-Test

Der Pay-TV-Test: MTV

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Seit dem 01. Januar 2011 sendet MTV nur noch gegen Bezahlung. Quotenmeter.de schaut nach gut zwei Monaten im Pay-TV genauer hin: Hat sich an der Ausrichtung des Senders etwas verändert? Wird mehr Musik gezeigt? Oder bleibt alles beim Alten?

Das im vergangenen Jahr überraschend angekündigte Ende von MTV im frei empfangbaren Fernsehen fand auch außerhalb der Branche ein übermäßig großes Echo: Viele digitale Meinungsmacher wie Blogger, Netzwerkler oder Redakteure bei jungen Online-Medien hatten zum MTV-Abgesang etwas zu sagen oder zu schreiben – schließlich wurden sie früher, vornehmlich in den 90er Jahren, selbst als „Generation MTV“ bezeichnet. Also als die Generation von Heranwachsenden, die mit dem einstigen Musiksender und seinen VJs groß geworden ist. Dass MTV in den vergangenen Jahren mit der Transformation ins Reality-TV nur noch ein musikalischer Schatten seiner selbst war, das ist jedem klar gewesen. Und doch las sich nicht nur zwischen den Zeilen eine gewisse Wehmut bei all den zum MTV-Abschied verfassten Beiträgen heraus, der das Ende einer Ära markierte. Seit dem 01. Januar 2011 fungiert MTV Deutschland als Pay-TV-Sender bei allen Bezahlplattformen des Digitalfernsehens. Für wen lohnt es sich, (wieder) einzuschalten?

Weiterhin besteht der Großteil des neuen Pay-TV-Programms von MTV aus Realityshows. Diese Strecke beginnt an Werktagen um 15.00 Uhr mit Sendungen wie «Parental Control», «Room Raiders» oder «MTV Made». Bis 20.00 Uhr ist lediglich gegen 18.10 Uhr ein fiktionales Format zu sehen: «The Hills», das eine Mischung aus Serie und Reality ist und sich in der vorletzten fünften Staffel befindet. Ab 18.35 Uhr setzt MTV durchgehend wieder auf Reality-TV wie «Teen Mom» oder «My Super Sweet 16». Diese Strecke findet auch nach 20.00 Uhr ihren Fortgang; hier zeigt man montags bis donnerstags bis 21.35 Uhr ebenfalls Reality. Mittwochs ergänzt das Programm um 20.00 Uhr beispielsweise die eingekaufte Makeover-Serie «Plain Jane», die in den USA beim Network The CW lief. Lediglich am Freitag wird nach einer Rankingshow das Konzertformat «MTV World Stage» und damit keine Reality ausgestrahlt. Einheitlich zeigt man jeden Abend von Montag bis Donnerstag ab 21.35 Uhr die zweite Staffel der beliebten US-Serie «Jersey Shore». Auch hier bleibt der Freitag die Ausnahme, an dem das Format durch die für den Grimme-Preis nominierte Gaming-Sendung «Game One» ersetzt wird.

Nach 22.00 Uhr werden zeitweise Wiederholungen von «Game One» gezeigt, montags sendet noch die deutsche Eigenproduktion «MTV Home». Um 23.40 Uhr zeigt MTV jeden Tag «Nitro Circus», eine Sendung mit dem Motocross-Profi Travis Pastrana und seiner Crew, die waghalsige Actionsport-Aktionen ausprobieren. Das ähnliche Format «Jackass» hat vorher um 23.10 Uhr dienstags bis freitags sein Zuhause. Ansonsten wird auch hier das restliche Programm bis weit nach Mitternacht mit Reality-Sendungen wie «The Dudesons in America», «Fist of Zen» oder «Pimp my Ride» gefüllt.

Erst ab 01.00 Uhr nachts zeigt MTV das, wofür das M eigentlich im Titel stehen sollte: Musik. Aktuelle Clips gibt es dann in den «Fantastic Music Videos», anschließend bei den «After Hours». Um 06.00 Uhr können sich die Zuschauer im «MTV Breakfastclub» von Musik wecken lassen. Bis 15.00 Uhr enthält das Programm ausschließlich Fernsehsendungen, in denen Musikvideos pur präsentiert werden. Dabei werden aktuelle themenbezogene Chartshows jeweils um 14.00 Uhr gezeigt: Montags die «New Video Charts», am Dienstag «Most Played», mittwochs die «Download Charts», donnerstags die «Dancefloor Charts» und am Freitag die klassischen «MTV.de Most Wanted». Unter der Woche ist das Programm von MTV also klar zweigeteilt; von 01.00 bis 15.00 Uhr gibt es Musikvideos, von 15.00 Uhr bis 01.00 Uhr werden vornehmlich vom US-amerikanischen MTV importierte Reality-Shows, vereinzelt noch Serien und deutsche Eigenproduktionen gezeigt.

Am Wochenende präsentiert MTV ab 12.00 Uhr Marathon-Programmierungen seiner beliebtesten Programme: Am Samstag und Sonntag werden so bis zum Vorabend zahlreiche Folgen von Serien wie «Life of Ryan», «MTV Cribs» oder «X-Effect» gesendet, während das Programm am Vorabend samstags aus Wiederholungen der Eigenproduktionen «MTV Home» und «Game One» sowie sonntags aus «Plain Jane» und «MTV Made» besteht. Allerdings gibt es vereinzelte Highlight-Sonderprogrammierungen wie das «MTV Unplugged» am 20. März mit Mando Diao. Ab 20.00 Uhr gleicht sich das Programm an die werktäglichen Formate an, insbesondere gibt es hier die Erstausstrahlungen der Hit-Serie «Jersey Shore». Und auch am Wochenende gilt: Musikvideos erst ab 01.00 Uhr nachts.

Mit der Ankündigung, «MTV Home» gegen Ende März einzustellen, hat sich der frische Pay-TV-Sender wohl keine Freunde gemacht: Bei den Kritikern und Zuschauern war das Format äußerst beliebt und erreichte innerhalb kurzer Zeit einen gewissen Kultstatus besonders bei dem Publikum, das MTV sonst nicht mehr eingeschaltet hat. Problematisch war allerdings, dass diejenigen, die zugeschaut haben, für eine deutsche Eigenproduktion in zu geringer Zahl vorhanden waren. Somit verbleibt nach März zunächst einmal nur «Game One» als MTV Germany-Eigenproduktion – diese Show hat innerhalb der Gaming-Community eine hohe Reputation und ebenfalls Kultstatus, dürfte aber angesichts der Einstellung von «MTV Home» ebenfalls auf dem Prüfstand stehen.

Die unter anderem durch die Einstellung von «MTV Home» eingesparten Kosten sollen in eine neue, viermal pro Woche ausgestrahlte Show investiert werden, die bei VIVA laufen wird – also dort, wo auch «MTV Home» selbst und «Game One» in der Zweitverwertung senden. Dieser Schritt macht die klare Strategie deutlich, welche die Viacom-Gruppe, zu der MTV und VIVA gehören, verfolgt: Man will sich aktuell – auch hinsichtlich finanzieller Investitionen – auf das verbliebene Free-TV-Programm VIVA konzentrieren und dieses durch (neue) Eigenproduktionen stärken, damit dessen Relevanz und Einschaltquote verbessern. Der ins Pay-TV gewechselte Sender MTV bleibt eher auf der Strecke, wie am aktuellen Programm ersichtlich ist.

Dieses besteht zwar zu mehr als der Hälfte aus reinem Musikfernsehen. Zur Hauptsendezeit aber, also vom Nachmittag bis nach Mitternacht, setzt MTV auf Wiederholungen alter Realitys, zeigt neue Realitys, vereinzelte Serien oder die verbliebene Eigenproduktion «Game One», die pro Woche mehrmals wiederholt werden. Damit wendet sich das Programm – wie auch schon zu Free-TV-Zeiten – an die gleiche junge Zielgruppe, die Reality-TV zum Zeitvertreib einschaltet.

Es ist bisher nicht viel davon zu sehen, dass sich MTV mit dem Wechsel ins Bezahlfernsehnen einer neuen Zielgruppe zuwenden will, wie teils vermutet wurde. Im Gegenteil: Seit Februar zeigt man neue Reality-Formate wie «My Super Sweet World Class», «When I Was 17» und «The Challenge: Cutthroat». Die von einigen gewünschte Rückkehr der Vorabend-Musikvideos mit «M is for Music», wie es einige Zeit im Free-TV praktiziert worden war, wurde bisher nicht realisiert. So bleibt MTV im Bezahlfernsehen ein Sender, der nicht viel anders macht als vor dem Jahr 2011 und damit auch keine neuen Zuschauerschichten erreichen dürfte, sondern auf die bisherige Zielgruppe setzt. Positiv hervorzuheben ist allerdings die einheitliche und kohärente Programmstruktur mit gleichen Anfangszeiten, die im Pay-TV nicht selbstverständlich ist. Frühere, in der Einleitung dieses Artikels angesprochene Zuschauer, die auf ein erwachseneres MTV mit mehr Musik und zusätzlichen Eigenproduktionen hofften, wurden bisher enttäuscht. Die Strategie, «MTV Home» für eine neue VIVA-Show einzustellen, lässt auch nicht vermuten, dass sich daran in nächster Zukunft irgendetwas ändert. Und letztlich bleibt dies auch nachvollziehbar: Denn für die erwachseneren oder an Musikvideos interessierten Zuschauer hat die Viacom-Gruppe mit MTV brand:new, MTVN HD, MTV Music, VH1 (Classic) und weiteren Sendern ebenfalls ein Angebot im Bezahlfernsehen eingespeist.

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