TV und so

Seiberts schmaler Grat

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Ist es in Ordnung, wenn der Nachrichtenmoderator Steffen Seibert in die Politik geht?

Vor einigen Tagen hat Bundeskanzlerin Angela Merkel fröhlich verkündet, dass der ZDF-Moderator Steffen Seibert ab dem 11. August der neue Sprecher ihrer Bundesregierung wird. Journalismus trifft Politik. Ist dieser Wechsel von Seibert, der seit Jahren Präsentator der ZDF-Hauptnachrichtensendung «heute» ist, begrüßenswert oder das nächste Fettnäpfchen, in das die aktuell schon unbeliebte Bundeskanzlerin getreten ist?

Ohne Zweifel ist Steffen Seibert ein kompetenter und charismatischer Mann – damit also eine perfekte Besetzung für das Amt des Regierungssprechers. Doch Seibert war jahrelang dafür zuständig, Millionen von Fernsehzuschauern Abend für Abend die politischen Nachrichten des Tages in objektiver und unvoreingenommener Weise zu präsentieren. Da hat der Wechsel dieses Mannes in die Politik schon ein „Geschmäckle“, wie der Schwabe zu sagen pflegt. Hat Seibert schon bisher Einfluss auf die politische Berichterstattung in den Nachrichten genommen? Warum will Merkel gerade ihn für das Amt des Regierungssprechers?

Es ist unbestreitbar, dass Zweifel aufkommen müssen, wenn Journalisten in die Politik wechseln. Umgekehrt funktioniert es zwar auch, aber nur im Klientelbereich: Altbundeskanzler Helmut Schmidt ist Mitherausgeber der Wochenzeitung „Die Zeit“, einige Parteimitglieder wie Michel Friedman oder Lothar Späth haben Talkshows im Fernsehen moderiert. Hier sind die Standpunkte klar festgelegt und der Konsument weiß, was er zu erwarten hat. Aber wenn ein Nachrichtensprecher in die Politik wechselt, hat dies eine eigene Dimension, da Nachrichten idealerweise die Quelle der objektiven Berichterstattung sind. Als Journalist musste Seibert für die Wahrheit kämpfen, nun muss er die Regierung und Merkel gegen Kritik verteidigen und sie als erfolgreich repräsentieren. Schon allein der Gedanke also, dass ein professioneller Journalist die Seite wechselt, wäre für die meisten Vertreter dieses Berufsstandes undenkbar. Eben weil ihre vorherige Arbeit als Journalist im Nachhinein in Frage gestellt würde.

Nicht ohne Grund kommt nun auch Kritik und Unverständnis durch den Wechsel Seiberts auf. Verdi-Gewerkschaftsmitglieder des ZDF haben einen offenen Brief an Seibert verfasst, in welchem sie seine Entscheidung kritisieren: „In der Öffentlichkeit wurde oft behauptet, die CDU würde im öffentlich-rechtlichen Rundfunk Karrieren beeinflussen. Ihre Berufung beweist, dass ein berufliches Fortkommen auch in umgekehrter Richtung möglich ist. […] Wäre das Wirtschaftsressort nicht bei einem Wiso-Kollegen in besseren Händen? Und für das Außenministerium kämen gleich mehrere erfahrene Korrespondenten in Frage, die sogar Fremdsprachen beherrschen,“ heißt es in dem Brief. Auch angesichts der jüngsten Einflussnahme des von Parteimitgliedern besetzten ZDF-Verwaltungsrates, der 2009 die Entlassung von Nikolaus Brender als ZDF-Chefredakteur veranlasst hat, müssen wir uns die Frage nach freiem, unmanipulierten Journalismus stellen. Bedenklich ist es allemal, wenn die Grenzen zwischen Journalismus und Politik so selbstverständlich verschwimmen.

Unser Quotenmeter-Praktikant nimmt den Wahnsinn der TV-Welt zum Anlass, um seine Gedanken aufzuschreiben. Nachzulesen jeden Mittwoch in den Ansichten eines Fernsehjunkies. Nur auf Quotenmeter.de.

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