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Trash-Offensive 2010: ProSieben scheitert

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Dass Trash am Nachmittag gute Quote bringen kann, zeigt RTL seit Monaten mit seinen Fake-Dokus. ProSieben wollte den Trend ausnutzen und testete jeweils für eine Woche fünf Shows dieses Genres. Die Quoten aber waren teils verheerend. Ein Rückblick…

Es hätte so einfach sein können: Nachdem RTL mit den gescripteten Doku-Formaten «Verdachtsfälle» und «Familien im Brennpunkt» seit Monaten am werktäglichen Nachmittag unangefochtener Marktführer ist und in der Zielgruppe Marktanteile von bis zu 30 Prozent erreicht, wollte ProSieben auch etwas von dem großen Kuchen Fake-Doku abhaben. Fünf Formate schickte der Sender jeweils eine Woche lang um 16.00 Uhr auf den Sender und testete damit an, ob die Zuschauer an einer der Shows Gefallen finden könnten. Doch ist wirklich genug Platz für zwei Sender mit solchen Trash-Formaten zur gleichen Zeit? Nach dem fünfwöchigen ProSieben-Testlauf ist die Antwort klar: Die Quoten für die ProSieben-Formate waren größtenteils verheerend.

Am 11. Januar startete die rote Sieben das Programm «Love Diary» aus dem Hause Endemol. Es sollten dem Untertitel nach Geschichten erzählt werden, „die die Liebe schreibt“. Doch auf die seichte Rosamunde-Pilcher-Unterhaltung am Nachmittag hatte die Zielgruppe überhaupt keine Lust: Keine der fünf ausgestrahlten Folgen kam auf mehr als 500.000 Zuschauer bei den 14- bis 49-Jährigen. Die Marktanteile lagen um neun Prozent, den Bestwert erzielte man am Mittwoch, den 13. Januar, mit 10,1 Prozent. Den Quoten-Tiefpunkt markierte die letzte Episode am Freitag mit nur 8,2 Prozent. Im Durchschnitt lag das Format bei 9,1 Prozent Marktanteil und damit deutlich unter dem ProSieben-Durchschnitt. Doch zu diesem Zeitpunkt wussten die Programmchefs noch nicht, dass es noch schlimmer kommen sollte.

In der darauffolgenden Woche schickte ProSieben die Sendung «Der Salonretter – waschen, schneiden, föhnen» auf die Zuschauer los. Sie unterschied sich insofern von den restlichen vier Testformaten, als dass sie keine gescriptete Reality-Doku war, sondern ein Coaching-Format im Stile von «Rach, der Restauranttester» oder «Raus aus den Schulden». Salons wurden zwar genug gerettet, aber nicht die Quote: Zwar erreichte die Sendung um Starfrisör Andreas Wendt zweimal einen zweistelligen Marktanteil bei den Werberelevanten, blieb aber im Durchschnitt bei 9,6 Prozent hängen und erreichte nie den Senderschnitt. Immerhin schnitt die Show in unserer Rezension deutlich besser ab als die restlichen Formate von ProSieben. Außerdem generierte sie die besten Quoten aller fünf Testshows – das ist ein eindeutiges Votum der Zuschauer contra Fake-Dokus auf ProSieben.

Woche drei brachte «The Secret» auf die Fernsehbildschirme und damit die gescripteten Dokus zurück auf den 16.00-Uhr-Sendeplatz. Das Konzept: Was passiert, wenn lang gehütete Geheimnisse plötzlich gelüftet werden? Die Quoten: im Keller. Nur 8,2 Prozent der Werberelevanten schalteten die fünf Sendungen durchschnittlich ein, nicht einmal wurde ein zweistelliger Wert generiert. ProSieben verabschiedete sich langsam, aber konstant von seinen Zuschauern um 16.00 Uhr. Der Super-Gau folgte in der kommenden Woche.

Am 01. Februar startete «Das Internat – Emma bloggt». Die Sendung begleitet – natürlich gestellt und durch grauenvolle Schauspieler offenbart – eine Schülerin namens Emma in den ersten Tagen an ihrer neuen Schule. Emma ist internetverrückt und nimmt ihre Kamera überall mit, um die selbstgedrehten Videos ins Netz zu stellen – bis Morddrohungen sie und ihre Mitschülerinnen erreichen. Inhaltlich war das Format also etwas anders aufgebaut als die restlichen Fake-Dokus und erinnerte an die «Abschlussklasse», die vor Jahren auf ProSieben gute Quoten am Nachmittag erreichte. Doch diesmal versanken Emma und der Sender im Quotensumpf: Die erste Folge erreichte nur 4,6 Prozent bei den 14- bis 49-Jährigen, Episode zwei gar nur 4,2 Prozent. Insgesamt sahen nur rund 300.000 Menschen zu. ProSieben setzte das Format nach diesen desaströsen Zuschauerzahlen schon nach zwei Folgen ab.

Die letzte Testwoche bestritt die rote Sieben mit der Sendung «4 kämpfen für Dich». Hier versuchte man sich an einer Art Streetworker-Format wie «Die Ausreißer» – allerdings natürlich auch hier schlecht gestellt und blamabel geschauspielert. Und auch diesmal waren die Quoten schlecht: Nur 8,5 Prozent der 14- bis 49-Jährigen verfolgten die fünf Episoden im Durchschnitt.

Eigentlich wollte ProSieben bis zu zwei der fünf getesteten Formate dauerhaft auf Sendung schicken. Doch jede Show blieb nicht nur inhaltlich, sondern auch quotentechnisch deutlich hinter den Erwartungen zurück; keine einzige der insgesamt 22 gezeigten Episoden erreichte jemals auch nur annähernd den Senderschnitt. Ein weiteres Problem hat sich ProSieben damit selbst geschaffen: Nach den fünf Testläufen und den im Wochentakt wechselnden Sendungen hat man möglicherweise vorherige Stammzuschauer um 16.00 Uhr zusätzlich noch verloren. Wenn eine Sendung überhaupt die Chance auf eine Zukunft hat, dann ist es «Der Salonretter», der auch in den nächsten beiden Wochen noch auf den Bildschirm darf. Dass dies die einzige Show ist, die nicht mit Laiendarstellern oder gescripteten Geschichten auskommt, offenbart eindeutig das Scheitern von Scripted Realitys auf ProSieben – denn auch das mittlerweile geschauspielerte «We are Family», das um 14.00 Uhr gezeigt wird, verzeichnet meist nur noch schlechte Zuschauerzahlen. Wenn RTL seine Zuschauer schon nicht ernst nimmt, sollte es wenigstens ProSieben tun und zukünftig Formate mit zumindest einem Hauch von Intelligenz auf die Bildschirme bringen. Sonst wäre ein zweites «Emma bloggt»-Deaster wohl vorprogrammiert.

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